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  • 26.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133572

    Landgericht Dortmund: Urteil vom 01.08.2013 – 2 S 5/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Landgericht Dortmund

    2 S 5/13

    Tenor:

    Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.01.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.937,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.11.2012 zu zahlen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte; die Kosten der I. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe:

    Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Tierhalterhaftpflichtversicherung für das von ihr gehaltene Reitpferd. Dem Versicherungsvertrag liegen die (alten) AHB nebst besonderer Bedingungen für die Versicherung der Tierhalterhaftpflicht zugrunde.

    Die Klägerin behauptet, das versicherte Reitpferd sei am 02.06.2011 von ihrer Tochter B geritten worden. Diese sei von einem Ausritt zurückgekommen und durch die Hofeinfahrt neben einen dort geparkten Pkw Ford Focus geritten. Dabei habe das Pferd vermutlich wegen einer unerwarteten Geräuschkulisse gescheut und die Reiterin abgeworfen. Diese sei gegen das abgestellte Fahrzeug gefallen. Das scheuende und austretende Pferd habe Kratzer und eine Beule am Fahrzeug verursacht.

    Das Fahrzeug steht im Eigentum der Firma D, die es an die Firma C verleast hat. Die Firma C ist die Arbeitgeberin des Ehemannes der Klägerin und hat diesem das Fahrzeug als Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt.

    Die Leasinggeberin ließ den Fahrzeugschaden begutachten. Der Sachverständige F stellte in seinem Gutachten vom 25.07.2011 Schäden durch einen Anstoß gegen das Heck und die rechte Seite des Fahrzeugs fest. Den Reparaturkostenaufwand bezifferte er mit 3.307,52 € netto.

    Die Klägerin zeigte den Schaden bei der Beklagten und der Fahrzeugeigentümerin an. Wegen Diskrepanzen in den Schadensmeldungen und nach Prüfung der Unterlagen teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 29.12.2011 mit, dass die geltend gemachten Schäden nicht auf den geschilderten Hergang zurückgeführt werden können und sie deshalb die „geltend gemachten Ansprüche“ als unberechtigt zurückweise. Sie habe den Rechtsanwalt der Gegenseite informiert, dass sie sich mit den Ansprüchen nicht befassen könne.

    Unter dem 18.01.2012 bescheinigte der Sachverständige F, dass die festgestellten und kalkulierten Deformationen und Kratzer am Fahrzeug plausibel auf den ihm geschilderten Reitunfall mit Abwurf der Reiterin und Verursacher durch ein wild gewordenes Pferd zugeordnet werden können.

    Mit Schreiben vom 10.05.2012 nahm die Leasinggeberin nach zwischenzeitlicher, von der Firma C in Auftrag gegebener Reparatur des Fahrzeugs, die Klägerin auf Schadensersatz in Höhe von 3.901,27 € in Anspruch, die daraufhin die Beklagte mit der beim Amtsgericht im Juni 2012 eingereichten Klage auf Freistellung von dieser Forderung in Anspruch nahm. Nach einem Streit über die richtige Antragstellung im Deckungsprozess beantragte die Klägerin im Termin vom 16.10.2012 neben dem Freistellungsanspruch hilfsweise die Feststellung, dass die Beklagte Versicherungsschutz aus Anlass des Schadensereignisses vom 02.06.2011 zu gewähren habe. Diesen Hilfsantrag erkannte die Beklagte unter Protest gegen die Kostenlast an. Noch vor dem anberaumten Verkündungstermin beantragte die Klägerin Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung und kündigte den Antrag an, die Beklagte zur Zahlung zu verurteilen mit der Begründung, die Firma Bechtle habe den Fahrzeugschaden nach dessen Reparatur über die Vollkaskoversicherung abgewickelt, die den Schaden bis auf die Selbstbeteiligung von 1.000,00 €, die Gutachterkosten in Höhe von 449,73 € netto sowie die Mietwagenkosten in Höhe von netto 487,67 € reguliert habe.

    Dieser Betrag wurde dem Ehemann der Klägerin von der Firma C in Rechnung gestellt und vom Konto der Eheleute beglichen.

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Eigentümerin zwar Ansprüche gegen die Klägerin gestellt, diese aber nicht weiter verfolgt habe. Die Firma C habe nicht die Klägerin, sondern deren Ehemann in Anspruch genommen. Auch eine Inanspruchnahme der Klägerin durch deren Ehemann sei nicht vorgetragen worden; ein solcher Anspruch sei durch die AHB wohl auch ausgeschlossen. Mit der Erfüllungsverweigerung habe die Beklagte auch nicht treuwidrig gehandelt.

    Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie hält das angegriffene Urteil für unrichtig, weil mit der Zahlung alle Ansprüche der Leasinggeberin und der Firma C erfüllt seien. Zudem sei die Beklagte ungerechtfertigt bereichert.

    Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

    Inzwischen wird die Klägerin auch von der Vollkaskoversicherung der Firma C, die den Schaden reguliert hat, in Anspruch genommen.

    Das Berufungsgericht hat zum Schadensereignis den Ehemann der Klägerin und deren Tochter als Zeugen vernommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe:

    Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist der Klägerin gegenüber aus der bestehenden Tierhalterhaftpflichtversicherung verpflichtet, die Schadensbeseitigungskosten zu erstatten, die durch das bei der Beklagten versicherte Reitpferd der Klägerin verursacht worden sind und die die Klägerin beglichen hat.

    1.

    Gemäß § 3 Abs. 3 Nr. 1 der vereinbarten AHB umfasst die Leistungspflicht des Versicherers die Prüfung der Haftpflichtfrage, die Abwehr unberechtigter Ansprüche sowie den Ersatz der Entschädigung. Damit steht es dem Versicherer zunächst frei, ob er den geltend gemachten Haftpflichtanspruch erfüllen oder den Versuch einer Abwehr (Rechtsschutzverpflichtung) unternehmen will. Deshalb kann der Versicherungsnehmer - worüber die Parteien in erster Instanz gestritten haben - in der Regel nur auf Feststellung der Gewährung bedingungsgemäßen Versicherungsschutzes klagen, es sei denn, das Bestehen des Haftpflichtanspruchs ist rechtskräftig festgestellt (OLG Karlsruhe VersR 2005, 781; OLG Düsseldorf r + s 2001, 16; Wendt r + s 2008, 265/278) oder anerkannt worden; dann ist Klage auf Freistellung von der Haftpflichtforderung möglich, weil die Rechtsschutzverpflichtung des Haftpflichtversicherers obsolet geworden ist. Hat der Versicherungsnehmer den Haftpflichtgläubiger befriedigt, kann er den Haftpflichtversicherer auf Zahlung in Anspruch nehmen (OLG Stuttgart r + s 2010, 284 mit Anmerkung Steinborn in Juris Praxisreport – VersR 7/2010 Anmerkung 4; Armbrüster r + s 2010, 441, 447). Demnach ist nach Erfüllung der Haftpflichtforderung der mit der Berufungsinstanz weiter verfolgte Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zulässig.

    2.

    Entgegen der im angefochtenen Urteile und auch von der Beklagten vertretenen Auffassung ist der Haftpflichtfall eingetreten. Denn gemäß § 1 AHB gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, dass er wegen eines während der Wirksamkeit der Versicherung eingetretenen Schadenereignisses, das u. a. die Beschädigung von Sachen zur Folge hatte, in Anspruch genommen wird. Eine Inanspruchnahme der Klägerin ist bereits mit Schreiben der Fahrzeugeigentümerin vom 10.05.2012 in Höhe von 3.901,27 € erfolgt. Bereits damit war der Versicherungsfall eingetreten und die Beklagte hätte jedenfalls ihrer zum damaligen Zeitpunkt noch bestehenden Rechtsschutzverpflichtung nachkommen müssen, bei der es sich neben der Verpflichtung zur Befriedigung berechtigter Ansprüche um eine gleichrangige Hauptleistungspflicht des Haftpflichtversicherers handelt (BGH VersR 2007, 1116). Dass sie bereit war, dieser Rechtsschutzverpflichtung nachzukommen – wie sie in erster Instanz argumentiert hat - ergibt sich allerdings nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus ihrem Ablehnungsschreiben vom 29.12.2011. Wenn darin formuliert ist, dass die „geltend gemachten Ansprüche als unberechtigt“ zurückgewiesen werden und der Rechtsanwalt der Gegenseite darüber informiert worden sei, dass „wir uns mit den Ansprüchen nicht befassen können“, mag damit für den Sachbearbeiter der Beklagten klargewesen seien, dass er lediglich die für unberechtigt gehaltenen Haftpflichtansprüche zurückgewiesen hat, nicht aber den Deckungsanspruch der Klägerin. Dieses Verständnis kann aber angesichts der vagen Formulierungen beim durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht vorausgesetzt werden, dem die Unterscheidung zwischen Haftpflicht- und Deckungsverhältnis in aller Regel nicht geläufig sein wird. Dass sich anschließende Anspruchschaos mit der Abwicklung des Fahrzeugschadens über die Kaskoversicherung der Firma Bechtle, der Inanspruchnahme des Ehemannes der Klägerin durch die Firma Bechtle, obwohl der Ehemann der Klägerin am Schadenereignis überhaupt nicht beteiligt war und die Weiterreichung der Rechnung durch den Ehemann der Klägerin an diese mit der anschließenden Begleichung durch die Klägerin vom gemeinsamen Konto der Eheleute ist daneben auch den besonderen Verhältnissen durch den Leasingvertrag und die Fahrzeugüberlassung durch den Arbeitgeber an den Ehemann der Klägerin geschuldet. Daraus zu folgern – wie das Amtsgericht und die Beklagte getan haben - dass eine Inanspruchnahme der Klägerin für das Schadenereignis vom 02.06.2011 nicht erfolgt sei, entspricht keiner lebensnahen Betrachtungsweise. Auch die Weiterreichung der an ihn gerichteten Rechnung durch den Ehemann der Klägerin an seine Ehefrau bedeutet deren Inanspruchnahme, der sich die Klägerin durch Zahlung entledigt hat.

    3.

    Gemäß § 106 S. 2 VVG hat der Haftpflichtversicher die Entschädigung innerhalb von 2 Wochen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu zahlen, wenn der Dritte von dem Versicherungsnehmer mit bindender Wirkung für den Versicherer befriedigt worden ist. Da in der Zahlung der Klägerin ein Anerkenntnis der Haftpflichtforderung im Umfang der Inanspruchnahme zu sehen ist, ist der Versicherer nach neuem Recht an dieses ohne seine Zustimmung zustande gekommene Anerkenntnis gebunden, soweit der Anspruch auch ohne Anerkenntnis bestanden hätte (Lücke in Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl. § 106 Rdn. 10). Die Bindungswirkung des Anerkenntnisses würde auch eintreten, wenn man davon ausgeht, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 29.12.2011 ihrer Verpflichtung zur Gewährung von Rechtsschutz nicht nachgekommen ist (BGH a.a.O.). § 106 VVG 2008 findet Anwendung, weil der Versicherungsfall nach 2008 eingetreten ist, Artikel 1 Abs. 1 und 2 EGVVG.

    Nach der vom Berufungsgericht durchgeführten Beweisaufnahme besteht kein Zweifel, dass der Schaden am Ford Focus durch das bei der Beklagten haftpflichtversicherte Reitpferd der Klägerin verursacht worden ist. Die Tochter der Klägerin hat den Reitunfall nachvollziehbar und in Übereinstimmung mit der schriftlichen Schadensmeldung geschildert. Danach hat das Pferd gescheut und die Tochter der Klägerin abgeworfen, die dabei gegen das Fahrzeug, welches am Tag zuvor vom Ehemann der Klägerin in der Hofeinfahrt abgestellt worden war, geworfen wurde. Das scheuende Pferd hat sodann weitere Schäden am Fahrzeug verursacht. Der Ehemann der Klägerin hat glaubhaft versichert, dass das Fahrzeug vor dem 02.06.2011 unbeschädigt gewesen ist. Er hat auch bestätigt, dass ihm das Fahrzeug von seinem Arbeitgeber als Dienstfahrzeug zur Verfügung gestellt worden ist und dass der Schaden am geleasten Fahrzeug von seinem Arbeitgeber letztlich nach Reparatur über den Kaskoversicherer abgewickelt worden ist. Dies alles hat die Beklagte mit Nichtwissen bestritten. Nach dem Eindruck, den die Zeugen bei ihrer Vernehmung hinterlassen haben, hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass die geschilderten Vorgänge der Realität entsprechen und dass die Schäden am Fahrzeug allesamt auf den Reitunfall zurückzuführen sind. Damit hätte die Beklagte auch ohne das Anerkenntnis der Klägerin die Haftpflichtforderung entsprechend ihrer der Klägerin gegenüber aus dem Haftpflichtvertrag übernommenen Verpflichtung erfüllen müssen.

    4.

    Entgegen der vom Amtsgericht angedeuteten und von der Beklagten vertretenen Auffassung greift der Ausschluss nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 a AHB nicht. Danach sind vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Haftpflichtansprüche aus Schadenfällen von Angehörigen des Versicherungsnehmers, die mit ihm in häuslicher Gemeinschaft leben oder die zu den im Versicherungsvertrag mitversicherten Personen gehören. Die Beklagte, die vom Eingreifen dieses Ausschlusses ausgegangen ist, legt offenbar zugrunde, dass es sich um einen Schadenfall des Ehemannes der Klägerin handelt. Diese Ansicht trifft jedoch nicht zu. Der Schadenfall ist durch das bei der Beklagten versicherte Reitpferd der Klägerin verursacht worden, das unzweifelhaft nicht die weiteren in § 4 Abs. 2 Nr. 2 a AHB genannten Voraussetzungen erfüllt.

    5.

    Auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung des in § 5 Nr. 5 der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden alten AHB geregelten Anerkenntnisverbotes kann sich die Beklagte ohnehin nicht berufen, da dieses Anerkenntnisverbot unter Geltung des VVG 2008 gemäß § 105 unwirksam ist.

    6.

    Der Berufung der Klägerin war somit stattzugeben und die Beklagte antragsgemäß unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Zahlung zu verurteilen. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Kosten der ersten Instanz hat das Gericht gegeneinander aufgehoben, weil die Klägerin der ursprünglich gestellte Antrag auf Freistellung nicht statthaft war (OLG Hamm VersR 2006, 781).
    30

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 und 713 ZPO. Die Zulassung der Revision war nicht veranlasst.