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  • 17.07.2025 · IWW-Abrufnummer 249142

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 11.03.2025 – 4 U 1213/24

    1. Auch wenn an eine Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung keine hohen Ansprüche zu stellen sind, genügt es nicht, wenn sie nur die Invalidität als solche, nicht jedoch die (Mit-)ursächlichkeit des Unfallereignisses feststellt.

    2. Die Ankündigung einer Vorschusszahlung durch den Versicherer kann der Versicherungsnehmer nur dann als konstitutives Schuldanerkenntnis verstehen, wenn zuvor Streit über die grundsätzliche Einstandspflicht, insbesondere über die Unfallbedingtheit der körperlichen Beschwerden bestand.


    Oberlandesgericht Dresden, Beschluss vom 11.03.2025, Az. 4 U 1213/24

    Tenor:

    1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

    2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

    3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

    4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 250.000,- EUR festgesetzt.

    Gründe
    I.

    Hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 27.02.2025 Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

    Wegen der Begründung nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 27.02.2025. An der im vorgenannten Beschluss dargelegten Auffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest. Im Hinblick auf die Stellungnahme des Klägers mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 07.03.2025 sind lediglich folgende Ergänzungen veranlasst:

    Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine fristgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung zu den infolge der Unfälle vom 06. und 23.09.2020 eingetretenen Gesundheitsschäden vorgelegt hat.

    1.

    Es reicht nicht aus, dass der Arzt einen konkreten, die Leistungsfähigkeit beeinflussenden Gesundheitsschaden bescheinigt. Kumulativ hinzutreten muss die ärztliche Feststellung, dieser sei Unfallfolge und von Dauer (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 12.05.2017 - I-20 U 197/16 -, Rn. 65, juris; Senat, Beschluss vom 5.01.2021 - 4 U 1586/20 -, Rn. 10 - 15, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23.02.2018 - 12 U 111/17 - juris). Auch wenn an eine Invaliditätsbescheinigung in der privaten Unfallversicherung keine hohen Anforderungen zu stellen sind, genügt es nicht, wenn sie nur die Invalidität als solche bescheinigt aber keine Feststellung enthält, ob das Unfallereignis hierfür (mit-)ursächlich gewesen ist. Fehlt es hieran, sind Leistungsansprüche grundsätzlich ausgeschlossen (vgl. Senat, Beschluss vom 5.01.2021 - 4 U 1586/20 -, LS Nr. 1, mit Anmerk. Jacob, jurisPR-VersR 9/2021 Anm. 2). Dies ist vorliegend der Fall. Mit den vorgelegten ärztlichen Attesten und Unterlagen wird teilweise keine dauerhafte gesundheitliche Beeinträchtigung belegt. Hinsichtlich weiterer behaupteter Gesundheitsschäden fehlt die ärztliche Feststellung, dass diese zumindest auch als Unfallfolge eingetreten sind.

    a) Aus den Unterlagen ergibt sich, dass der Kläger am 06.09.2020 unfallbedingt auf seine rechte Hand, den rechten Unterarm und den Hinterkopf gestürzt ist. Dass infolge dieses Unfalls dauerhafte erste Gesundheitsschädigungen eingetreten sind, lässt sich den ärztlichen Befundberichten hingegen nicht entnehmen. Soweit der Kläger behauptet, er habe infolge des Sturzes eine Schädelprellung sowie eine Prellung der rechten Hand erlitten mit - wohl dauerhaft aufgetretenen - Taubheitsgefühlen an D4/D5, ergibt sich aus dem seitens der Beklagten eingeholten Gutachten vom 16.03.2022 (Anlage K5) und dem ärztlichen Bericht zur Unfallversicherung der Praxisklinik vom 21.12.2021 (Anlage K16) vielmehr, dass die Schädel- und Handprellung folgenlos ausgeheilt ist und hinsichtlich der fortbestehenden Taubheitsgefühle an den Fingern der rechten Hand eine Mitursächlichkeit des Sturzgeschehens für die Beschwerden nicht festgestellt werden kann. Eine den oben dargestellten Anforderungen entsprechende fristgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung ergibt sich auch nicht aus den weiteren ärztlichen Berichten, Behandlungsunterlagen, Stellungnahmen und Gutachten, wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt. Hiergegen wird vom Kläger in seiner Stellungnahme nichts Erhebliches eingewandt.

    b) Hinsichtlich der vom Kläger behaupteten Folgen des Unfallereignisses vom 23.09.2020 lässt sich gleichfalls nicht feststellen, dass eine fristgemäße ärztliche Invaliditätsbescheidigung hierzu vorliegt. Dabei kann zu seinen Gunsten unterstellt werden, dass er infolge eines Fahrradunfalls am 23.09.2020 auf das linke Knie und die linke Hand gefallen ist und sich den linken Daumen gebrochen hat. Hinsichtlich der in dem vorerwähnten Gutachten und dem Bericht der Praxisklinik aufgeführten Diagnosen Intrinsische Plus-Deformität Hand bds (ICD M21.84), Chronisches HWS-LWS Syndrom(ICD M54.10), Schulter-Arm-Syndrom links bzw. degenerative Gelenksveränderung links (ICD M54.12) und Tendovaginitis stenosans A1 Daumen links (ICD M65.4) wird indes - wie bereits mit Hinweisbeschluss ausgeführt - eine Mitursächlichkeit des Unfallgeschehens für die Gesundheitsbeeinträchtigungen klar verneint. Der ärztliche Bericht der Praxisklinik bezieht sich auch auf beide Unfallereignisse und umfasst alle geltend gemachten Gesundheitsschäden.

    Dem steht auch nicht entgegen, dass die Praxisklinik in der an den Arbeitgeber des Klägers adressierten fachärztlichen Stellungnahme vom 20.9.2021 (vgl. Anlage Attest) in Bezug auf die Diagnosen Tendovaginitis stenosans A1 Daumen links, Intrinsische plus-Deformität der Hand beidseits und Schulter-Arm-Syndrom feststellt, dass der Kläger aufgrund dessen aktuell seinen Beruf nicht wettbewerbsfähig ausüben könne und die Beschwerden ihn dauerhaft beeinträchtigten, denn ein Bezug zu einem der Unfälle wird gerade nicht hergestellt. Aus dem zeitlich späteren und an die Beklagte adressierten ärztlichen Bericht zur Unfallversicherung ergibt sich auch, dass ein Zusammenhang mit den Unfallereignissen aus ärztlicher Sicht gerade nicht besteht und entgegen der Behauptung des Klägers erst recht nicht medizinisch unstreitig oder offensichtlich ist. Schließlich ergibt sich auch aus den vom Kläger mit dem Schriftsatz vom 07.03.2025 teilweise erneut vorgelegten Unterlagen nicht, dass infolge eines oder beider Unfallgeschehen dauerhafte Gesundheitsschäden beim Kläger verblieben sind. In dem an die Hausärztin des Klägers gerichteten Arztbrief vom 22.3.2021 der chirurgischen Praxis Zimmert wird weder festgestellt, dass es sich bei den Akutdiagnosen um dauerhafte Gesundheitsbeeinträchtigungen handelt, noch wird ein Zusammenhang zwischen den Diagnosen und den Unfällen hergestellt. Der Mitteilung der Pflegeversicherung vom 16.5.2023, dass dem Kläger den Pflegegrad 1 zuerkannt wurde, stellt keine ärztliche Invaliditätsfeststellung dar.

    c) Auch ein Zusammenhang zwischen der beim Kläger vorliegenden somatoformen Schmerzstörung und den Unfallereignissen wird durch eine fristgemäße ärztliche Invaliditätsfeststellung nicht belegt.

    2.

    Das Berufen des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung kann sich im Einzelfall zwar als rechtsmissbräuchlich erweisen. Das ist etwa dann anzunehmen, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Fristversäumung deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt (vgl. BGH, Urteil vom 30.11.2005 - IV ZR 154/04 - juris; Senat, Beschluss vom 18.07.2024 - 4 U 266/24 -, Rn. 14, juris). Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahe legen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt (vgl. BGH a.a.O.). Auch diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

    a) Die Beklagte hat nach Eingang der Unfallanzeigen den Kläger mit Schreiben vom 07.10.2020 (zum Unfall vom 23.09.2020) und mit Schreiben vom 02.03.2021 (zum Unfall vom 06.09.2020 und erneut zum Unfall vom 23.09.2020) unmissverständlich auf die vertraglichen Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen hingewiesen und ihm zugleich das Formular einer ärztlichen Bescheinigung zur Ausfüllung durch den behandelnden Arzt übermittelt.

    b) Die Beklagte hat auch keine eigene Erklärung im Sinne eines Anerkenntnisses in irgendeiner Form abgegeben. Sie ist auch im Hinblick auf die am 14.10. und 11.11.2021 geleisteten Vorschusszahlungen nicht daran gehindert, sich auf fehlende ärztliche Invaliditätsfeststellung zu berufen.

    Anhaltspunkte dafür, dass zuvor Streit über die grundsätzliche Einstandspflicht der Beklagten, insbesondere über die Unfallbedingtheit der körperlichen Beeinträchtigungen oder über den Grad der Invalidität bestanden hätte, sind nicht erkennbar und werden vom Kläger auch nicht vorgetragen (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.2018 - 24 U 15/18 -, Rn. 15, juris). Deshalb konnte der Kläger die Ankündigung von Vorschusszahlungen lediglich als Mitteilung über die Erfüllungsbereitschaft der Beklagten aber nicht als Anerkenntnis im Sinne eines konstitutiven Schuldanerkenntnisvertrages verstehen. Dass sie damit endgültig und verbindlich anerkennen wollte, die unfallbedingten Verletzungen des Klägers hätten zu seiner Invalidität geführt, geht daraus nicht hervor. Vielmehr hat die Beklagte in den Emails vom 14.10. und 11.11.2021 jeweils betont, dass es sich um Vorschussleistungen wegen der Verfahrensdauer handele. Insbesondere mit dem Hinweis auf die noch ausstehende Einholung von ärztlichen Unterlagen und Begutachtung wird die Vorläufigkeit der Leistung ausdrücklich betont. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, dass der Kläger nicht darauf vertrauen konnte, die Beklagte würde sich - unabhängig vom noch ausstehenden Ergebnis der Begutachtung - verbindlich verpflichten wollen, Leistungen zu erbringen. Ohnehin hat sie ihn auch noch nach der letzten Vorschusszahlung mit Schreiben vom 16.11.2021 erneut auf die Notwendigkeit hingewiesen, fristgerecht eine ärztliche Invaliditätsfeststellung entsprechend dem mitübersandten Formular vorzulegen.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 522 Abs. 3 ZPO in Verbindung mit § 708 Nr. 10 Satz 2 ZPO. Der Gegenstandswert wurde gemäß § 3, ZPO, § 48 GKG festgesetzt.

    Vorschriften§ 522 Abs. 2 ZPO