11.11.2021 · IWW-Abrufnummer 225777
Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 31.08.2021 – 4 U 623/21
1.
Bei fehlender drucktechnischer Hervorhebung einer Widerspruchsbelehrung ist stets davon auszugehen, dass dem Versicherungsnehmer hierdurch die Möglichkeit genommen wurde, sein Lösungsrecht unter denselben Bedingungen auszuüben wie bei ordnungsgemäßer Belehrung; für eine Gesamtwürdigung aller Umstände ist dann kein Raum.
2.
Bei einer fondsgebundenen Lebensversicherung mit einer einmaligen Beitragszahlung, die nach den Versicherungsbedingungen keinem Kündigungsverbot unterliegt, begründet weder die langjährige Vertragsdauer noch die Ausübung des Kündigungsrechts besonders gravierende Umstände des Einzelfalles, die der späteren Geltendmachung eines Widerspruchsrechts nach Treu und Glauben entgegenstünden.
3.
Eine sekundäre Beweislast des Versicherers, die für die Ermittlung der von ihr auf den Sparanteil gezogenen Nutzungen erforderlichen Informationen vorzulegen, besteht nicht.
Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 623/21 am 31. August 2021
für Recht erkannt:
Tenor:
1.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichtes Dresden vom 03.03.2021 - 8 O 514/20 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3.
Das Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht vor der Vollstreckung die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 28.308,70 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zurückzahlung von Prämien sowie gezogenen Nutzungen.
Er beantragte am 01.11.2001 bei der Beklagten, die seinerzeit unter "C...... Ltd." firmierte, den Abschluss einer W...... Lebensversicherung. Vereinbart war eine einmalige Beitragszahlung von 30.677,00 € und eine jährliche Auszahlung an den Kläger in Höhe von jeweils 1.840,00 € in der Zeit vom 01.11.2002 bis 01.11.2009 sowie in Höhe von jeweils 9.942,00 € ab dem 01.11.2022 bis 01.11.2042. Das Kapital sollte in den Pool/Fonds: Serie XXX investiert werden. In der Informationsbroschüre (Anlage B1) wurde der Fonds XXX als Pool mit garantiertem Wertzuwachs bezeichnet. Es wurde eine Mindesttodesfallleistung von 101 % des Rücknahmewertes garantiert (Versicherungsschein, Anlage K1). Für den Pool fiel eine Einrichtungsgebühr in Höhe von 2.300,80 € (zahlbar in fünf Jahresraten á 460,16 €) an.
Auf dem Antragsformular befand sich oberhalb der Unterschriftenzeile unter der in schwarz unterlegten Überschrift "J. Unterschriften" folgender Text:
...
Ich bin darüber belehrt worden, dass ich innerhalb einer Frist von 14 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Deutschland) oder 30 Tagen (Personen mit Wohnsitz in Österreich) nach Erhalt des Versicherungsscheins, der Policenbedingungen und der Verbraucherinformation dem Vertrag widersprechen kann. Zur Wahrung der Frist genügt rechtzeitiges Absenden der Widerspruchserklärung."
...
Die Beklagte zahlte entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen acht jährliche Raten in Höhe von 1.840,00 €, mithin 14.720,00 € aus. Der Kläger kündigte im November 2014 die Lebensversicherung und die Beklagte zahlte den Rückgabewert in Höhe von 19.502,79 € aus (Anlage K2) und damit insgesamt 34.222,79 €. Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2019 erklärte der Kläger den Widerspruch bzw. Rücktritt vom Vertrag. Mit Schreiben vom 12.06.2019 (Anlage K4) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass Folge des Widerrufes die rückwirkende Auflösung des Versicherungsvertrages sei und die Berechnung des Rückabwicklungsbetrages keinen positiven Betrag ergeben habe, da der bereits ausgezahlte Rückgabewert vom 23.01.2015 den potentiellen Rückabwicklungsbetrag um 3.188,89 € übersteige.
Der Kläger hat behauptet, der Vertrag sei im Policenmodell zustande gekommen und die Belehrung entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen, denn sie sei weder drucktechnisch hervorgehoben noch sei sie inhaltlich zutreffend. Es fehle ein Hinweis darauf, dass der Widerruf schriftlich zu erfolgen habe. Zudem knüpfe die Frist in der Belehrung an den Erhalt der Unterlagen an, aber nicht wie es das Gesetz vorsehe, an den Abschluss des Vertrages, der mit der Annahme der Beklagten zustande komme. Darüber hinaus fehlten Informationen zur Antragsbindefrist und weitere europarechtlich vorgeschriebene Verbraucherinformationen. Die Beklagte habe zudem die Berechtigung des Widerspruchs anerkannt. Der Kläger meint, ihm stünden die Nutzungen auf den Sparanteil in Höhe von 29.436,29 € zu. Diese seien anhand der Erträge, die der Pool XXX in den Jahren 2001 bis 2018 erzielt habe, ohne die Jahre mit Verlusten (2001, 2002, 2008, 2011 und 2018) zu berechnen. Die Jahre mit Verlusten seien mit Null anzusetzen und die von der Beklagten ausgewiesenen Verluste mit Nichtwissen zu bestreiten. Nutzungen aus den Abschlusskosten bezifferten sich auf 2.418,20 € und seien auf der Grundlage der Geschäftsberichte der Beklagten zu ermitteln, wobei Renditen ab dem Jahr 2015 in Höhe von jährlich 5 % anzusetzen seien. Der Kläger meint, die Beklagte treffe hinsichtlich der gezogenen Nutzungen die Beweislast für die Verluste, zumindest aber eine sekundäre Darlegungslast.
Die Beklagte meint, der Vertrag sei im Antragsmodell geschlossen worden und die Belehrung entspreche den gesetzlichen Anforderungen. Die maßgeblichen Unterlagen seien dem Kläger im Rahmen des Beratungsgespräches durch seine Versicherungsmaklerin ausgehändigt worden. Sie habe die Berechtigung des Rücktrittes nicht anerkannt, ein dementsprechender Rechtsbindungswille sei ersichtlich nicht vorhanden gewesen. Der Kläger habe die behaupteten Nutzungen fehlerhaft und unschlüssig berechnet. Die Beklagte habe den Sparanteil vollständig in den Pool investiert und habe daraus selbst keine Nutzungen gezogen. Insbesondere könne der Kläger die Jahre mit den Verlusten nicht mit Null in Ansatz bringen, denn dies verfälsche das Ergebnis. Darüber hinaus sei eine jährliche Managementgebühr von 1 % zu berücksichtigen. Aus den Abschlusskosten sei ebenfalls keine Rendite erzielt worden. Im Übrigen begründeten kleinere Fehler im Rahmen der Belehrung nach der neusten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes kein ewiges Widerspruchsrecht. Die Belehrung genüge, um den Kläger auf seine Rechte hinzuweisen. Im Übrigen sei der Anspruch des Klägers verwirkt. Soweit Aufklärungspflichten gerügt werden, sei der Anspruch verjährt.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 03.03.2021 abgewiesen und angenommen, dass das Widerspruchsrecht verwirkt sei. Schließlich sei es unbillig, Jahre nach Vertragsabschluss, Informationsmängel mit Bagatellcharakter zu einem Widerspruchsrecht zu instrumentalisieren.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen. Er meint, das Landgericht habe fehlerhaft ein Anerkenntnis des Widerspruchs durch die Beklagte verneint. Es liege keine Verwirkung vor, denn es fehle am Umstandsmoment. Der Zeitablauf - auch nach der Kündigung - genüge nicht. Die Widerrufsbelehrung enthalte auch nicht nur marginale Fehler, denn es fehlten eine Vielzahl von Verbraucherinformationen.
Der Kläger beantragt:
Das Urteil des Landgerichtes vom 03.03.2021, Az 8 O 514/20, wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 28.308,70 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
A.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung gemäß § 5a VVG a.F., §§ 812 Abs. 1, 818 BGB zu. Der am 20.05.2019 ausgesprochene Widerspruch ist zwar wirksam, weil der Vertrag im Policenmodell zustande gekommen ist und die Belehrung nicht den gesetzlichen Anforderungen genügt (1.), der Anspruch auch nicht verwirkt ist (2.), jedoch wurde die Forderung der Höhe nach nicht schlüssig vorgetragen (3.).
1.
Der Kläger hat den zum 01.11.2001 abgeschlossenen Vertrag wirksam mit anwaltlichen Schreiben vom 20.05.2019 widerrufen. Der Vertrag ist nicht im Antragsmodell, sondern im Policenmodell abgeschlossen worden, weil die Beklagte bei Antragstellung die nach § 10 a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. erforderliche Verbraucherinformation nicht vollständig erteilt hat. Der Vertrag gilt als im Policenmodell abgeschlossen, wenn nur einzelne Informationen bei Antragstellung dem Versicherungsnehmer nicht erteilt worden sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2018 - IV ZR 68/17 - juris; vgl. Senat, Urteil vom 07.05.2019 - 4 U 1316/18 - juris). Denn sonst hätte es der Versicherer in der Hand, bestimmte Informationen zunächst nicht zu übergeben, mit der Belehrung über das Rücktrittsrecht die Rücktrittsfrist auszulösen und nach deren Ablauf eine Bindung an den Vertrag zu schaffen (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2018 - IV ZR 68/17 - juris). Die Verbraucherinformation ist unvollständig, weil sie keine Angaben über die Frist, während der der Antragsteller an den Antrag gebunden sein soll, enthält gemäß Abschnitt 1 Nr. 1 f. der Anlage Teil D zu § 10 a Abs. 1 VAG a. F. Bei einem Vertragsschluss im Antragsmodell hatte der Versicherer den Antragsteller auch auf die gesetzliche Annahmefrist des § 147 Abs. 2 BGB hinzuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 18.07.2018 - IV ZR 68/17 - juris). An dieser Information hatte der Antragsteller ein berechtigtes Interesse (so BGH, a.a.O.). Eine entsprechende Information war bei einem Vertragsschluss nach dem Antragsmodell sinnvoll; sie verdeutlichte dem Versicherungsnehmer den zeitlichen Rahmen, in dem der Vertrag durch Annahme seines Antrages seitens des Versicherers zustande kommen sollte (BGH, a.a.O.). Der Antragsteller konnte dann abschätzen, ab wann er nicht mehr mit einer Annahme rechnen durfte und gegebenenfalls auf Produkte anderer Anbieter ausweichen musste (so BGH, a.a.O.). Eine dementsprechende Belehrung enthalten weder der Antrag noch die Verbraucherinformationen. Der Hinweis in der Broschüre genügt hierfür nicht. Er lautet: "Ihr Antrag verpflichtet Sie zu nichts. Ein Vertrag kommt erst dann zustande, wenn C...... die Vertragsunterlagen ausgestellt hat und alle darin genannten Bedingen - einschließlich Beitragszahlung - erfüllt wurden." Dies stellt nur eine Erläuterung dahingehend dar, dass der Vertrag erst dann zustande kommt, wenn die Beklagte ihn angenommen hat und die weiteren Bedingungen eingetreten sind. Sie enthält keinerlei Hinweise darauf, wie lange der Kläger an seinen Antrag gebunden ist.
Die Belehrung der Beklagten entspricht nicht den Voraussetzungen des § 5 a VVG a. F. Sie ist schon nicht drucktechnisch ausreichend hervorgehoben. Die Belehrung befindet sich zwar unmittelbar vor der Unterschrift des Antragstellers, ist aber als solche weder durch Fettdruck, noch durch ein anderes Schriftbild oder in anderer Weise abgesetzt. Sie befindet sich in dem Abschnitt mit der Überschrift "Unterschriften", so dass dem Leser nicht suggeriert wird, dass sich in diesem Abschnitt wichtige Hinweise befinden. Direkt unterhalb der Unterschrift befindet sich in Fettdruck der Hinweis darauf, dass sich der Antragsteller vor der Unterschrift vergewissern soll, dass er die "vorstehenden Erklärungen vollständig gelesen und verstanden" habe. Dies ist nicht geeignet die Aufmerksamkeit auf die im zweiten Absatz darunter stehende Belehrung zu lenken.
Darüber hinaus fehlt es an einem Hinweis darauf, dass der Widerspruch in Textform erfolgen muss, § 5 a Abs. 1 VVG a. F.
Es kann im vorliegenden Fall nicht mit dem Oberlandesgericht Nürnberg (Beschluss vom 22.02.2021 - 8 U 3888/20 - juris) unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 19.12.2019 (C 355/18 - juris) angenommen werden, dass trotz der Unzulänglichkeiten der Belehrung kein Widerspruchsrecht besteht. Der EuGH nimmt an, dass nicht jede unrichtige Information über die Form der Erklärung des Rücktrittes, die in der Belehrung, die der Versicherungsnehmer vom Versicherer erhält, enthalten ist, als fehlerhafte Belehrung anzusehen sei. Wird dem Versicherungsnehmer durch die Belehrung, auch wenn diese fehlerhaft ist, nicht die Möglichkeit genommen, sein Rücktrittsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben, wäre es unverhältnismäßig, es ihm zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einen in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen (so EuGH, Urteil vom 19.12.2019 - C 355/18 - juris, Rn. 79). Nach Ansicht des EuGH ist eine Gesamtwürdigung, bei der insbesondere dem nationalen Rechtsrahmen und den Umständen des Einzelfalls Rechnung zu tragen sein wird, zu prüfen, ob dem Versicherungsnehmer diese Möglichkeit durch den in den ihm mitgeteilten Informationen enthaltenen Fehler genommen wurde.
Der EuGH hat sich aber nicht mit Mängeln der drucktechnischen Hervorhebung der Belehrung beschäftigt, sondern nur mit inhaltlichen Mängeln. Die Entscheidung kann nicht auf die Fälle mit unterbliebener drucktechnischer Hervorhebung der Belehrung übertragen werden. Denn anders als bei den diversen, dem Versicherungsnehmer zur Verfügung stehende Formen der Widerspruchsbelehrung handelt es sich bei der drucktechnischen Hervorhebung um eine wesentliche Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Belehrung (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 08.06.2021 - 6 U 1810/20; vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.09.2020 - 8 U 45/20, Rn 46 - juris). Selbst wenn die Rechtsprechung des EuGH auch auf die Form der Belehrung anzuwenden wäre, könnte hier nicht angenommen werden, dass unter Gesamtwürdigung der Umstände dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, den Widerspruch zu erklären. Denn die Belehrung befindet sich an versteckter Stelle und ist auf dem dreiseitigen Antragsformular kaum aufzufinden. Weder die Überschrift des Abschnittes noch der erste in Fettdruck gehaltene Absatz des Abschnittes sind geeignet, den Antragsteller auf den Belehrungstext aufmerksam zu machen oder hinzuweisen. Vielmehr wird der aufmerksame Leser angehalten, seine Aufmerksamkeit den voranstehenden Erklärungen zuzuwenden und nicht dem nachfolgenden Text. Seine Aufmerksamkeit wird damit abgelenkt.
2.
Der Anspruch ist nicht verwirkt gemäß § 242 BGB. Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlende Belehrung über das Rücktritts- oder Widerspruchsrecht einer Anwendung von § 242 BGB entgegensteht, hat der Bundesgerichtshof nicht aufgestellt (vgl. Beschluss vom 13.01.2016 - IV ZR 117/15 - juris). Ein schutzwürdiges Vertrauen kann der Versicherer schon deshalb nicht für sich in Anspruch nehmen, weil er die Situation selbst herbeigeführt hat, indem er dem Versicherungsnehmer keine ordnungsgemäße Belehrung erteilt hat (vgl. BGH, Urteil vom 01.06.2016 - IV ZR 343/15 - juris; Senat, Urteil vom 07.05.2019 - 4 U 1316/18 - juris). Zwar können auch in Fällen einer fehlerhaften Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechtes und das Verlangen nach einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung des Versicherungsvertrages nach Treu und Glauben unzulässig sein (vgl. BGH, Urteil vom 27.09.2017 - IV ZR 506/15 - juris; Senat, a.a.O.). Dies setzt aber jedenfalls besonders gravierende Umstände des Einzelfalles voraus (vgl. BGH und Senat, a.a.O.). Die normale Vertragsdurchführung begründet keine besonderen Umstände (vgl. Senat, a.a.O.).
Im vorliegenden Fall liegt zwar ein erheblicher Zeitablauf zwischen Vertragsschluss zum 01.11.2001 und dem Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchsrechtes am 20.05.2019 vor, jedoch fehlt es am Umstandsmoment. So gehörten die von der Beklagten vorgenommenen Auszahlungen vom 01.01.2002 bis 01.11.2009 zur normalen Vertragsdurchführung und entsprachen den Vereinbarungen der Parteien. Die vorherige Kündigung des Vertrages schließt den späteren Widerspruch ebenfalls nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom16.10.2013 - IV ZR 52/12 - juris). Die Kündigung kann das Umstandsmoment nicht begründen, wenn der Versicherungsnehmer sein Wahlrecht zwischen Kündigung und Widerruf bereits mangels ausreichender Belehrung über sein Widerrufsrecht nicht sachgerecht ausüben konnte (vgl. BGH, a.a.O.). Dies ist hier wegen der nicht ordnungsgemäßen Belehrung der Fall.
Die Entscheidung des Senates vom 27.03.2020 (- 4 U 212/20 - juris) steht dem nicht entgegen, denn der dort der Entscheidung zugrunde liegender Sachverhalt unterscheidet sich von dem hier vorliegenden. Dort handelte es sich um eine sofort beginnende Rentenversicherung nach einer Einmalzahlung von 100.000,00 € und im Gegenzug sollten dafür monatliche Beträge in Höhe von 450,00 € zuzüglich einer überschussfinanzierten Rente ausgezahlt werden. Die Auszahlungen waren - zum Zeitpunkt des Widerspruchs - über einen Zeitraum von 17 Jahren und 10 Monaten erfolgt und übertrafen in der Summe den gezahlten Einmalbetrag. Darüber hinaus war die Rentengarantiezeit zum Zeitpunkt der Erklärung des Widerspruches nahezu ausgelaufen. Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme der Verwirkung war, dass der Versicherungsnehmer die Lebens-/Rentenversicherung, die mit einer Einmalprämie abgeschlossen wurde, nicht mehr kündigen konnte, wenn die Leistungspflicht des Versicherers bereits eingetreten ist. Bei dem Rentenversicherungsvertrag gegen Einmalzahlung handelt es sich letztendlich um eine Wette auf die Lebensdauer des Versicherungsnehmers, der "verliert", wenn er früh verstirbt (so Senat, a.a.O.). Damit ist die vorliegende Vertragsgestaltung nicht vergleichbar. Hier handelt es sich um eine fondsgebundene kapitalbildende Lebensversicherung, bei der der Sparanteil der Prämie in einen Fonds angelegt wird, der wiederum in Aktien investiert wird. Ein Kündigungsverbot ist nicht vereinbart, vielmehr war der Vertrag nach Ziffer 9 der Informationsbroschüre (Anlage B1) jederzeit kündbar, wobei der Rücknahmewert von dem Pool/Fonds abhing, in den investiert wurde. Es war auch keine Rentengarantiezeit vereinbart und zum Zeitpunkt der Kündigung war nur ca. die Hälfte der Einmalprämie ausgezahlt worden. Zudem war der Vertrag zum Zeitpunkt des Widerspruchs nicht beiderseits vertragsgemäß vollständig erfüllt.
3.
Gleichwohl steht dem Kläger kein Anspruch zu, denn er hat die von ihm behaupteten gezogenen Nutzungen der Beklagten nicht schlüssig dargelegt. Die Auszahlungen der Beklagten in Höhe von 34.222,79 € (19.502,79 € zum Zeitpunkt der Kündigung und Ratenzahlungen vom 01.11.2002 bis 01.11.2009 in Höhe von insgesamt 14.720,00 € [8 x 1.840,00 €]) übersteigen die vom Kläger eingezahlte Einmalprämie in Höhe von 30.677,00 €.
Zu Unrecht meint der Kläger, die Beklagte müsse ihm auf jeden Fall - unabhängig von den gezogenen Nutzungen - die einbehaltenen Gebühren (Abschluss-, Management- und Verwaltungsgebühren) in Höhe von mindestens 6.265,10 € ausbezahlen. Von der eingezahlten Einmalprämie behielt die Beklagte die Gebühren ein und investierte den Restbetrag - den Sparanteil - nach der vertraglichen Vereinbarung in den Pool XXX. Zahlt die Beklagte - wie hier - die eingezahlte Einmalprämie vollständig zurück, hat sie den Sparanteil und sämtliche einbehaltene Gebühren zurückbezahlt. Die Beklagte hat über die eingezahlte Einmalprämie hinaus 3.545,79 € ausbezahlt. Es ist nun Sache des Klägers darzulegen und zu beweisen, dass die gezogenen Nutzungen diesen Betrag in der von ihm geltend gemachten Höhe übersteigen. Entgegen der Auffassung des Klägers greift hier keine Umkehr der Beweislast. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 - juris; vgl. Urteil vom 29.04.2020 - IV ZR 5/19 - juris) und des Senates (vgl. Urteil vom 24.02.2015 - 4 U 786/14 - juris) trägt dafür der Versicherungsnehmer die Darlegungs- und Beweislast. Ihm wird ein entsprechender Tatsachenvortrag abverlangt, der nicht ohne Bezug zur Ertragslage des jeweiligen Versicherers auf eine tatsächliche Vermutung einer Gewinnerzielung in bestimmter Höhe gestützt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 - juris). Die Beklagte hat auch im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht die Pflicht, die für die Ermittlung der tatsächlich gezogenen Nutzungen erforderlichen Informationen und Nachweise konkret zu erbringen (vgl. Senat, Beschluss vom 07.11.2019 - 4 U 1364/19 - juris).
Unabhängig davon ist im vorliegenden Fall dem Kläger die Wertentwicklung des Pools XXX aus den Veröffentlichungen der Beklagten bekannt. Mehr als die Wertentwicklung des Fonds hätte die Beklagte auch im Rahmen einer angenommenen sekundären Darlegungslast nicht vortragen müssen.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Nutzungen aus den Abschlusskosten n Höhe von 2.418,20 € schon aus Rechtsgründen nicht zu. Der auf die Abschlusskosten entfallende Prämienanteil bleibt für Nutzungsersatzansprüche außer Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2016 - IV ZR 175/15 - juris; vgl. Senat, Urteil vom 24.02.2015 - 4 U 786/14 - juris). Mangels abweichender Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass der Versicherer diesen Prämienanteil nicht zur Kapitalanlage nutzen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 10.02.2016 - IV ZR 175/15 - juris; vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2020 - IV ZR 5/19 - juris).
Ihm stehen auch keine Nutzungen aus dem Sparanteil zu. Nach § 818 Abs. 1 BGB sind nur die Nutzungen herauszugeben, die von der Beklagten tatsächlich gezogen worden (vgl. BGH, Urteil vom 29.07.2015 - IV ZR 384/14 - juris; Senat, Urteil vom 24.02.2015 - 4 U 786/14 - juris). Dazu fehlt es an schlüssigem Vortrag.
Der Kläger kann die entgangenen Nutzungen nicht unter Außerachtlassung der Fondsverluste in den Jahren 2001, 2002, 2008, 2011 und 2018 berechnen, diese bestreiten und mit Null ansetzen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 08.06.2021 - 6 U 1810/20). Ergibt sich nämlich in einem Jahr ein erheblicher Verlust (wie 2002 in Höhe von -22,8 %), so mindert dies den Fondswert in erheblicher Weise. Der Gewinn aus dem Folgejahr 2003 kann daher nur ausgehend von dem Wert des Fonds im Vorjahr berechnet werden. Der Kläger muss vielmehr darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Rendite mit dem streitgegenständlichen Pool tatsächlich erzielt wurde (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 08.06.2021 - 6 U 1810/20). Soweit der Kläger meint, der Sachverhalt, der der Entscheidung des 6. Zivilsenates des Oberlandesgerichtes Dresden zugrunde lag, sei mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar, insbesondere, weil dort nach dem erklärten Widerspruch eine Auszahlung von 11.132,03 € erfolgt sei, verfängt dies nicht. Es kommt entscheidend darauf an, dass der Kläger bei der Berechnung die Jahre, in denen Fondsverluste eingetreten sind, nicht ausblenden und mit Null ansetzten kann.
Die Berechnung der Rendite muss sich an dem Pool, in dem die Prämie investiert wurde - Euro Pool Serie XXX - orientieren. Entscheidend ist, wie der Versicherer mit dem Sparanteil des Versicherungsnehmers eine Rendite erzielt. Im vorliegenden Fall handelt es sich um gebundenes Sicherungsvermögen und nicht um freies Unternehmenskapital der Beklagten (so OLG Celle, Urteil vom 10.09.2020 - 8 U 45/20 - juris). Bei gebundenem Vermögen verbietet sich der Rückgriff auf die Nettorendite der Beklagten zur Berechnung der gezogenen Nutzungen. Im vorliegenden Fall wurde die Prämie in einem Pool angelegt und damit mit der Wertentwicklung der im Pool befindlichen Investmentfonds gekoppelt (vgl. OLG Celle, a.a.O.). Die Wertentwicklung des Pools ist dargelegt worden. Der Kläger kann die angegebenen Verluste nicht einfach bestreiten.
Im vorliegenden Fall stellen die Fondsverluste in den einzelnen Jahren keine Entreicherung dar, denn der Fonds hat im Ergebnis einen Gewinn erzielt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 21.03.2018 - IV ZR 353/16 - juris) muss sich zwar bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch der Versicherungsnehmer auch erhebliche oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen lassen. Die Fondsverluste sind adäquat kausal durch die Prämienzahlung des Klägers entstanden, als der Sparanteil der Prämie vereinbarungsgemäß in den Fonds angelegt worden ist. Hier hat der Fonds jedoch keinen Verlust erwirtschaftet. Denn bei Zahlungen, die wie hier in ein Sondervermögen eingezahlt werden und auf die der Versicherer keinen Zugriff hat, kann es nicht auf die jährlichen Wertentwicklungen während der Vertragslaufzeit ankommen, sondern auf den Gesamtwert zum Beendigungszeitpunkt (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 08.06.2021 - 6 U 1810/20). Die einzelnen im Rahmen des Bereicherungssaldos zu berücksichtigenden jährlichen Beträge sind nur unselbständige Rechnungsposten (vgl. OLG Dresden a.a.O.).
Der Kläger muss daher darlegen und gegebenenfalls beweisen, welche Rendite die Beklagte mit dem streitgegenständlichen Fonds tatsächlich erzielt hat (vgl. OLG Celle, Urteil vom10.09.2020 - 8 U 45/20, Rn. 89 - juris). Das Oberlandesgericht Celle hat dazu folgendes ausgeführt:
"Ein für den Kläger günstigeres Ergebnis folgt auch nicht aus dem Umstand, dass die Beklagte eine etwaig von ihr behauptete Entreicherung beweisen muss und die von der Beklagten für einzelne Jahre behauptete negative Rendite (im Fall ihrer Nichterweislichkeit) außer Acht gelassen werden und bei der Berechnung der gezogenen Nutzungen nur auf die Jahre mit positiver Rendite abgestellt werden darf (...). Insoweit übersieht der Kläger, dass er sich bei der Berechnung gezogener Nutzungen nicht auf einzelne Jahre mit positiver Rendite beschränken kann. Die einzelnen im Rahmen des Bereicherungssaldos zu berücksichtigenden Leistungen sind nur unselbstständige Rechnungsposten (...). Die Darlegungs- und Beweislast des Klägers zur Höhe der gezogenen Nutzungen erstreckt sich deshalb auf den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Nur wenn die Beklagte in diesem Zeitraum per Saldo Nutzungen erzielte, sind diese herauszugeben ... Dieser allgemeine Grundsatz kann nicht dadurch unterlaufen werden, dass der Kläger sich bei der Berechnung seines Nutzungsherausgabeanspruches auf einzelne Jahre, Monate oder gegebenenfalls Wochen beschränkt."
Dem schließt sich der Senat an.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 3 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.