22.03.2021 · IWW-Abrufnummer 221277
Amtsgericht Düsseldorf: Beschluss vom 19.01.2021 – 56 C 60/20
Diese Entscheidung enhält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:
In dem Rechtsstreit
des Herrn C, C-Straße, Düsseldorf,
Klägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M, Y-Straße, Essen,
gegen
die M3 V.V.a.G., vertr. d. d. Vorstand, V-Straße, Lüneburg,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt E, L-Straße, Berlin,
hat das Amtsgericht Düsseldorfim schriftlichen Verfahren mit einer Schriftsatzeinreichungsfrist bis zum 05.01.2021durch den Richter am Amtsgericht I
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: - 1.891,05 € bis zum 20.07.2020
- 891,05 € ab dem 21.07.2020
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Tatbestand:
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Der Kläger ist bei dem Beklagten privat krankenversichert.
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Der Kläger wurde von dem Zeugen, Prof. Dr. M2, wegen der Erkrankung an einem grauen Star des linken Auges augenärztlich behandelt. Hierzu wurde am 07.05.2019 eine sogenannte Katarakt-Operation durch den Augenarzt durchgeführt. Zum Einsatz kam hierzu ein sogenannter Femtosekundenlaser. Aufgrund der engen Pupille des Klägers weitete der Augenarzt diese zunächst.
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Mit Abrechnung der PVS Rhein-Ruhr wurden dem Kläger für die Operation insgesamt 4.210,92 € berechnet. In der Rechnung wird zunächst unter der Gebührenziffer 1375 der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) eine extrakapsuläre Operation des grauen Stars mit dem Höchstfaktor von 3,50 zu insgesamt 714,02 € abgerechnet. Die Behandlung mittels des Femtosekundenlasers wurde zudem analog der Gebührenziffer 5855 der Gebührenordnung für Ärzte mit einem Betrag von 925,02 € in Rechnung gestellt.
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Unter der Ziffer A 7022 sind 148,91 € für chirurgische Maßnahmen zur Wiederherstellung der Pupillenfunktion berechnet worden.
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Der Kläger reichte die vorgenannte Rechnung seiner Versicherung ein. Die Beklagte leistete hierauf die Summe von 3.319,78 €.
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Der Kläger begehrt mit der Klage die vollständige Erstattung des ihm durch den Augenarzt in Rechnung gestellten Betrages für die Operation. Der Kläger ist der Ansicht, dass für den Einsatz des Femtosekundenlasers eine eigenständige medizinische Indikation vorgelegen habe. Es handele sich bei dieser Technik um eine neue Technik, die gänzlich andere chirurgische Möglichkeiten eröffne. Der Laser ersetze nicht allein das Skalpell des Chirurgen, sondern stelle eine zeitliche und örtliche Vorbehandlung dar, die nicht im Rahmen der eigentlichen Katarakt-Operation erfolge. Die eigene medizinische Indikation des Einsatzes des Femtosekundenlasers liege darin, dass diese Vorbehandlung eine Schädigung der Endothelzellen vermeide. Es bestehe daher eine Regelungslücke im System der GOÄ, die durch die analoge Anwendung der Ziffer 5855 GOÄ geschlossen werde.
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Soweit der Kläger zunächst eine Zahlung von 1.891,05 € eingefordert hat, hat er die Klage in Höhe eines Betrages von 1.000 € zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nunmehr noch,
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den Beklagten zu verurteilen, an ihn 891,05 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.08.2019 zu zahlen und ihn von einer Vergütungsforderung seiner Prozessbevollmächtigten i.H.v. 255,85 € freizustellen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung dass der Einsatz des Femtosekundenlasers nicht gesondert abrechenbar ist. Der Augenarzt habe bereits die eigentliche OP nach Ziffer 1375 mit dem Höchstsatz abgerechnet, zudem sei für den Einsatz des Lasers nur gemäß der Ziffer 441 ein Zuschlag von 67,49 € vorgesehen. Für die Verwendung des Lasers sei keine eigene medizinische Indikation gegeben. Voraussetzung für eine analoge Abrechnung der Anwendung eines neuen medizintechnischen Produktes sei es aber, dass es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 2 GOÄ handele. Der Laser sei aber nur das Mittel zur Durchführung der Operation gewesen, eine medizinische Indikation zum Einsatz bestehe allein in der nachgelassenen Sehkraft. Im Gegensatz zu früheren Behandlungen habe sich also allein das medizintechnische Hilfsmittel geändert, nicht aber die medizinische Indikation. Anlass sei allein der körperliche Untersuchungsbefund, der überhaupt eine Operation erforderlich mache. Nicht der Grad der Perfektion der Durchführung der Behandlung sei entscheidend, sondern allein das Erreichen des Therapieziels. Die vorgenommene Operation sei auch ohne Laser sinnvoll und möglich, der Lasereinsatz hingegen sei ohne die Operation nicht sinnvoll.
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Auch die vorgenommene Maßnahme zur Erweiterung der Pupille sei nicht auf eine eigenständige medizinische Indikation zurückzuführen, sondern sei nur eine Teilmaßnahme zur Durchführung der Operation gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Aussage des Zeugen Professor Dr. M2. Auf seine Aussage vom 30.09.2020 wird verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger steht aus dem Krankenversicherungsvertrag mit der Beklagten anlässlich seiner augenärztlichen Behandlung im Mai 2019 kein über den bereits vorgerichtlich erhaltenen Betrag hinausgehender Anspruch auf Kostenerstattung zu.
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Der Kläger hat auf die ihm übersandte Rechnung für die Operation bereits 3.319,78 € erhalten, womit sich im Vergleich zu der Rechnung noch ein Differenzbetrag von 891,05 € ergibt.
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Diesbezüglich ist aber die dem Kläger gestellte Augenarzt-Rechnung überhöht.
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Allein auf den Einsatz des Femtosekundenlasers ergibt sich zwischen der im Namen des Zeugen erstellten Rechnung und der Abrechnung der Beklagten eine Differenz von 857,52 €.
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Entgegen der Rechnung kann aber der Einsatz des Femtosekundenlasers nicht gesondert neben der bereits nach Ziffer 1375 abgerechneten Operation selbst in Ansatz gebracht werden.
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Die GOÄ enthält für den Einsatz eines solchen Lasers keinen ausdrücklichen Gebührentatbestand. Eine entsprechende Berechnung gemäß der vom Kläger in Ansatz gebrachten Ziffer des Gebührenverzeichnisses würde zum einen voraussetzen, dass es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung im Sinne des §§ 6 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 2, Abs. 2a GOÄ handeln würde und zum anderen, dass die weiteren Analogie-Voraussetzungen nach § 6 Abs. 2 GOÄ vorliegen.
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Grundvoraussetzung einer gesonderten Abrechnung des Einsatzes eines Femtosekundenlasers ist nach dem in den genannten Vorschriften verankerten bzw. zum Ausdruck kommenden Zielleistungsprinzip, dass es sich um eine selbstständige ärztliche Leistung handelt (vgl. BGH, Urteil vom 21 Januar 2010, Aktenzeichen III ZR147/09). Von einer selbständigen ärztlichen Leistung in diesem Zusammenhang kann aber nur bei einer eigenständigen Indikation für die erfolgte Behandlungsmaßnahme bzw. für den Einsatz des Behandlungsmittels ausgegangen werden. Denn die Zielleistung der nach Ziffer 1375 bereits abgerechneten Operation des grauen Stars ist die Behebung der beim Patienten zugrunde liegenden Sehschwäche. Unstreitig kann eine derartige Operation auch ohne Einsatz eines Lasers, zumindest ohne Einsatz eines Femtosekundenlasers durchgeführt werden. Für den Einsatz eines solchen Hilfsmittels besteht damit keine eigenständige medizinische Indikation, es handelt sich vielmehr um eines von mehreren möglichen Hilfsmitteln zur Durchführung der nach Ziffer 1375 abzurechnenden Operation. Der Einsatz des Femtosekundenlasers, mag er auch bei der Bewertung der unter Nr. 1375 GOÄ erfassten Leistungen dem Verordnungsgeber noch nicht bekannt gewesen sein und mag er auch sachlich, zeitlich und örtlich abgrenzbar durchgeführt werden, ist damit nicht notwendiger Bestandteil, sondern eine besondere Ausführungsart jener Operation, die auch ohne Einsatz dieser Technik vorgenommen werden kann (OLG Düsseldorf, Urt. v. 28.08.2020, Az. 4 U 162/18).
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Ist damit der Einsatz dieses medizintechnischen Gerätes Mittel zur Erreichung eines Behandlungszieles, nicht aber das Ziel selbst, fehlt es schon an der Grundvoraussetzung zu einer weiteren Analogberechnung neben der Berechnung der Operation selbst.
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Der Kläger kann auch die von seinen Behandler nach Ziffer A 7022 i.H.v. 148,81 abgerechnete chirurgische Maßnahme zur Wiederherstellung der Pupillenfunktion nicht von der Beklagten erstattet verlangen. Auch hierbei handelte es sich nicht um eine von der Katarakt-Operation unabhängige chirurgische Maßnahme zur Wiederherstellung der Pupillenfunktion. Eine eigenständige Medikation hierfür lag auch nach der Aussage des Zeugen Professor Dr. M2 nicht vor. Der Zeuge führte aus, dass aufgrund der sehr engen Pupille er vor der Operation ein sogenanntes Pupillenstretching durchgeführt habe. Nur mit einer geweideten Pupille sei danach eine komplikationslose Katarakt-Operation möglich gewesen. Dies widerspricht einer eigenständigen medizinischen Indikation. Vielmehr bestätigt der Augenarzt damit, dass bei dem Kläger präoperativ kein pathologischer Zustand der Pupille vorhanden war und ohne die Operation nicht hätte behandelt werden müssen. Der Beklagte führt daher zu Recht aus, dass der Zustand der Pupille lediglich eine Komplikation im Rahmen der medizinisch indizierten Katarakt-Operation dargestellt hat und ohne diese medizinisch erforderliche Operation auch keine vorübergehende Erweiterung der Pupille erforderlich gewesen wäre.
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Der Beklagte konnte daher zu Recht von der dem Kläger gestellten Rechnung die berechnete Gebühr für den Einsatz des Femtosekundenlasers i.H.v. 857,52 € in Abzug bringen und darüber hinaus auch die in Ansatz gebrachte Gebühr für die Wiederherstellung der Pupillenfunktion i.H.v. 148,81 €. Der Beklagte hat dem Kläger damit vorgerichtlich schon mehr auf die Rechnung der PVS erstattet, als der Kläger selbst zur Zahlung auf die Rechnung seines Arztes verpflichtet war, womit es auf die weiter beanstandeten Gebührenziffern in der Rechnung nicht mehr ankommt.
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Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
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Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
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1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
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2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
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Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
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Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.
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Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
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Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.