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  • 13.07.2020 · IWW-Abrufnummer 216781

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 29.04.2020 – 4 U 212/20

    1. Auch eine lediglich teilfettgedruckte Widerspruchsbelehrung kann nach dem optischenGesamteindruck drucktechnisch hinreichend hervorgehoben sein.

    2. Bei einer sofort beginnenden Rentenversicherung gegen Einmalzahlung, die nach Beginn der Leistungspflicht des Versicherers einen Kündigungsausschluss vorsieht, kann das Widerspruchsrecht des Versicherungsnehmers nach langer Laufzeit verwirkt sein.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 29.04.2020


    Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat in dem Verfahren 4 U 212/20 am 29. April 2020 beschlossen:

    Tenor:

    1. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
    2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
    3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
    4. Der Gegenstandswert des Berufungsverfahrens wird auf 90.525,82 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Der Kläger verlangt die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines bei der Beklagten im Jahre 2002 policierten Versicherungsvertrages über eine Privatrente. Ausgestaltet war der Vertrag als Rentenversicherung auf das Leben mit sofort beginnender Rentenzahlung und wahlweiser Rentengarantiezeit (Anlage B2). Hinsichtlich des Inhalts und der drucktechnischen Ausgestaltung der Widerspruchsbelehrung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Nach geleisteter Einmalzahlung in Höhe von 100.000,00 € erhält der Kläger seit dem 01.03.2002 eine monatliche Rente in Höhe von 450,00 €. Mit Schreiben vom 09.01.2019 (Anlage K2) erklärte der Kläger den "Widerruf" der Versicherung unter Hinweis auf eine aus seiner Sicht nicht ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung. Die Beklagte hat den Widerspruch zurückgewiesen.

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zwar greife die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede nicht durch. Der Kläger habe aber dem Vertragsabschluss mit Schreiben vom 09.01.2019 nicht mehr widersprechen können, weil die maßgebliche Widerspruchsbelehrung in den dem Versicherungsschein vom 07.03.2002 beigefügten allgemeinen Informationen sowohl inhaltlich als auch formell den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Belehrung im Sinne des § 5 a VVG a. F. entsprochen habe.

    Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er eine Verurteilung der Beklagten in ursprünglich beantragtem Umfang begehrt. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wiederholt er seine Rechtsauffassung dahingehend, dass die ihm erteilte Widerspruchsbelehrung drucktechnisch nicht den Anforderungen an eine hinreichend deutliche Belehrung genügt habe, weil sie nur teilweise in Fettdruck abgesetzt sei. Im Übrigen sei sein Widerspruchsrecht auch nicht verwirkt. Es fehle insoweit am erforderlichen Umstandsmoment. Schließlich sei sein Widerspruch auch nicht lediglich zur Renditemaximierung, wie von der Beklagten eingewandt, erfolgt. Ihm sei suggeriert worden, dass sich die Garantieverzinsung auf alle eingezahlten Beträge und nicht nur auf den Sparanteil beziehe und er sei infolge dessen davon ausgegangen, dass er einen wesentlich höheren Gewinn erzielen würde. Hätte er eher vom Widerspruchsrecht erfahren, hätte er auch früher dem Vertrag widersprochen.

    Er beantragt,

    1.
    Das Urteil des Landgerichts Dresden vom 20.12.2019, Az.: 8 O 1308/19 wird abgeändert und die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 90.525,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie weitere Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.554,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    2.
    Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Beklagte.

    Hilfsweise, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 44.404,11 € zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Für das Berufungsverfahren im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht. Zur Begründung nimmt der Senat zunächst auf den Hinweisbeschluss vom 27.03.2020 Bezug. Die Einwände des Klägers in seiner Stellungnahme vom 21.04. greifen nicht durch.

    1.

    Der Senat bleibt bei seiner im Hinweisbeschluss geäußerten Auffassung, wonach der nur teilweise Fettdruck einer drucktechnisch hinreichenden Hervorhebung der gesamten Widerspruchsbelehrung nicht entgegensteht. Bei durchschnittlicher Aufmerksamkeit und Auffassungsgabe erscheint es bei der vorliegenden Widerspruchsbelehrung ausgeschlossen, dass der Versicherungsnehmer mitten im Satz aufhört zu lesen und ihm infolge dessen die nachfolgend mitgeteilten Umstände entgehen. Auch der Kläger gibt zwar an, mangels ordnungsgemäßer Belehrung sein Widerspruchsrecht nicht gekannt zu haben, behauptet jedoch nicht, lediglich den fettgedruckten Teil der Belehrung zur Kenntnis genommen zu haben und infolgedessen über sein Widerspruchsrecht im Unklaren geblieben zu sein. Sein Vorbringen zielt vielmehr darauf ab, infolge des Teilfettdrucks sei ihm die Belehrung insgesamt nicht "ins Auge gesprungen". Dies hält der Senat nach Inaugenscheinnahme der konkreten Belehrung im vorliegenden Fall für nicht nachvollziehbar. Ob diese Belehrung trotz der im Hinweisbeschluss vom 27.3.2020 aufgeführten Unterschiede mit derjenigen identisch ist, die dem Urteil des BGH vom 7.9.2016 (IV ZR 174-14 - juris) zugrunde lag, bedarf angesichts dessen hier keiner Entscheidung.

    2.

    Auf die vom Kläger in seiner Stellungnahme angesprochene Problematik der sogenannten "Kaskadenbelehrungen" kommt es ebenfalls nicht an. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 26.03.2020 - C-66/19 - betrifft eine andere Fallgestaltung. Dort wurde die Frage entschieden, ob eine Widerrufsinformation hinreichend klar und prägnant ist, wenn sie hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist die zu erteilenden Pflichtangaben nicht selbst vollständig benennt, sondern diesbezüglich auf eine nationalgesetzliche Vorschrift verweist, die ihrerseits noch auf eine weitere nationale Vorschrift weiterverweist und der Versicherungsnehmer daher gehalten ist, mehrere Gesetzesvorschriften in verschiedenen Gesetzeswerken zu lesen und Klarheit über die Pflichtangaben in der Widerspruchsbelehrung zu erhalten. Vorliegend geht es lediglich darum, dass auf Seite 1 des Versicherungsscheines auf die weiteren Belehrungen in den allgemeinen Informationen hingewiesen wird.

    3.

    Ein etwaiger Bereicherungsanspruch wäre überdies verwirkt. Die gegen die Annahme einer Verwirkung aufgeführten Argumente des Klägers im Schriftsatz vom 21.4.2020 greifen nicht durch. Anders als dort unterstellt, ist auch der Senat im o.a. Hinweisbeschluss davon ausgegangen, dass allein die lange Dauer eines Vertrages nicht zur Verwirkung eines Widerspruchsrechts führt, sondern daneben stets ein Umstandsmoment erforderlich ist. Nachdem das Kündigungsrecht bei Verträgen über eine Rentenversicherung gegen Zahlung einer Einmalprämie nach Beginn der Leistungspflicht zulässigerweise ausgeschlossen werden kann, weil auch insoweit ein gesteigertes schutzwürdiges Vertrauen des Versicherer besteht, hat der Senat in dem Hinweisbeschluss vom 27.3.2020 angenommen, dass wegen der insoweit vergleichbaren Interessenlage hier ein solches Umstandsmoment gegeben ist, auch wenn ein wirksamer Widerspruch anders als eine Kündigung nicht lediglich ex nunc wirkt, sondern den schwebend unwirksamen Vertrag rückwirkend beseitigt. Hieran ist auch nach nochmaliger Prüfung mit Blick darauf festzuhalten, dass die Versichertengemeinschaft umso mehr geschädigt ist, je später der Versicherungsnehmer widerruft. Dass ein Ausschluss des Kündigungsrechts wirksam ist, wird im Übrigen nicht nur vom OLG Hamm (Urteil vom 17. August 2007 - 20 U 284/06 - juris), sondern auch vom OLG Koblenz (Urteil vom. 4.6.2007 - 10 W 368/07 juris) angenommen und ist auch im Schrifttum anerkannt (Ulmer/Schäfer in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 305c BGB). Er verstößt auch nicht gegen § 165 Abs. 2 VVG a.F. Eine Rentenversicherung mit sofort beginnender Rentenzahlung gegen Einmalbeitragstellt keine Versicherung im Sinne des § 165 VVG dar, da weder ein Versicherungsvertrag geschlossen ist, bei dem laufende Prämien zu entrichten sind, noch es sich um eine Versicherung handelt, die auf den Todesfall genommen ist (OLG Koblenz, Beschluss vom 04. Juni 2007 - 10 W 368/07 -, Rn. 15, juris).

    4.

    Weil die etwaigen Ansprüche des Klägers verwirkt sind, kommt es auf die Frage, ob der Kläger nunmehr den Anspruch der Höhe nach substantiiert dargelegt hat, nicht an. Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch in Höhe von 44.404,11 € wäre verwirkt. Er ist überdies auch in der ergänzten Fassung insoweit unschlüssig, als dort nach wie vor zur Berechnung der Nutzungszinsen an eine nicht näher aufgeschlüsselte Eigenkapitalrendite angeknüpft wird (vgl. insoweit Hinweisbeschluss vom 27.3.2020 Nr. 3). Ob es sich bei der überarbeiteten Berechnung in der Anlage KB 4 im Übrigen um neues Vorbringen im Sinne des § 531 ZPO handelt, nachdem die Beklagte bereits erstinstanzlich in der Klagerwiderung die Unschlüssigkeit der ursprünglich zugrunde gelegten Anlage K 6 gerügt und auch das Landgericht in der mündlichen Verhandlung vom 26.11.2019 auf die Unschlüssigkeit hingewiesen hatte (Bl. 51 d. A.), ohne dass der Kläger insoweit ein Schriftsatzrecht erbeten oder hierzu Stellung genommen hätte, kann angesichts dessen dahinstehen.

    III.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Gegenstandswert wurde gemäß § 3 ZPO festgesetzt.

    RechtsgebietVVGVorschriftenVVG § 5a