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  • 18.12.2019 · IWW-Abrufnummer 212984

    Oberlandesgericht Dresden: Beschluss vom 14.08.2019 – 4 U 1486/19

    1. Dass der Text einer fettgedruckten Widerrufsbelehrung in einem fünfseitigen Versicherungsschein enthalten ist, steht einer drucktechnisch deutlichen Hervorhebung selbst dann nicht im Wege, wenn auch andere Über- und Nebenschriften in Fettdruck aufgenommen sind.

    2. Ist die Widerrufsbelehrung wirksam, kann bereits die jahrelange Prämienzahlung ausreichen, um bei dem Versicherer ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Versicherungsvertrages zu begründen. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vereinbarkeit des Policenmodells mit Europäischem Sekundärrecht kommt dann nicht in Betracht.


    Oberlandesgericht Dresden

    Beschluss vom 14.08.2019


    In dem Rechtsstreit

    L...... D......, ...

    - Kläger und Berufungskläger -

    Prozessbevollmächtigter:

    Rechtsanwalt C...... D......, ...

    gegen

    XXX Lebensversicherung AG, ...

    vertreten durch den Vorstand

    - Beklagte und Berufungsbeklagte -

    Prozessbevollmächtigte:

    Rechtsanwälte B...... L...... D......, ...

    wegen Forderung

    hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch

    Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S......,

    Richterin am Oberlandesgericht Z...... und

    Richterin am Oberlandesgericht P......

    ohne mündliche Verhandlung am 14.08.2019

    beschlossen:

    Tenor:

    1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückzuweisen.

    2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

    Gründe

    I.

    Der Kläger verlangt für eine im Jahr 1996 abgeschlossene und 2004 gekündigte fondsgebundene Lebensversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzschutz Rückzahlung von Versicherungsprämien nebst Nutzungszinsen, hilfsweise Auskunft zur Berechnung der Rückkaufswerte. Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes der ersten Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger keinen Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsprämien aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB habe. Der Kläger habe keine rechtsgrundlosen Leistungen erbracht. Der Versicherungsvertrag sei wirksam zustande gekommen. Er habe unstreitig die Unterlagen laut Versicherungsschein bekommen und damit auch die Verbraucherinformationen und die Widerspruchsbelehrung. Die Widerspruchsbelehrung sei materiell zutreffend erteilt sowie drucktechnisch hinreichend deutlich gestaltet worden.

    Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten Berufung rügt der Kläger nunmehr nur noch, das Landgericht sei zu Unrecht und im Widerspruch zu bislang ergangener Rechtsprechung von einer ausreichenden drucktechnischen Hervorhebung ausgegangen. Sofern die Berufung mit diesem Einwand Erfolg habe, stünde der Geltendmachung von Rückzahlungsansprüchen auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Schließlich sei eine Vorlage an den EuGH geboten.

    II.

    Der Senat beabsichtigt, die zulässige Berufung nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung durch - einstimmig gefassten - Beschluss zurückzuweisen. Die zulässige Berufung des Klägers bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.

    Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Er ergibt sich insbesondere nicht aus §§ 812 Abs. 1 S. 1, 818 Abs. 1 BGB. Der Kläger hat die Prämienzahlungen mit rechtlichem Grund erbracht.

    1. Der von ihm erklärte Widerspruch führte nicht zu einer Unwirksamkeit des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages. Zwar stand dem Kläger, da der Vertrag vorliegend unstreitig nach dem sogenannten Policenmodell geschlossen wurde, ein solches Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 S. 1 VVG in der seinerzeit gültigen Fassung vom 21.07.1994 ursprünglich zu. Der Widerspruch erfolgte aber nicht fristgerecht.

    a) Gemäß § 5a Abs. 1 S. 1, 2 VVG a.F. betrug die Widerspruchsfrist 14 Tage. Der Lauf der Frist begann gemäß § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. in dem Zeitpunkt, in welchem dem Versicherungsnehmer der Versicherungsschein und die Unterlagen nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. zugingen und er über sein Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer der Frist ordnungsgemäß belehrt wurde. Die ergänzende Bestimmung in § 5a Abs. 2 S. 4 VVG, wonach das Widerspruchsrecht jedenfalls ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlöschen solle, ist auf Lebensversicherungsverträge nicht anwendbar (BGH, Urteil vom 07.05.2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 = VersR 2014, 817).

    b) Gemessen an diesen Voraussetzungen wurde die Widerspruchsfrist hier ordnungsgemäß in Lauf gesetzt, so dass sie bei Erklärung des Widerspruchs durch den Kläger im Jahre 2016 abgelaufen war.

    Unstreitig wurden dem Kläger mit Schreiben der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 28.02.1996 der Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die Verbraucherinformationen übersandt. Der Kläger wurde zudem in ordnungsgemäßer Weise über sein Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer der Frist belehrt.

    Ohne Erfolg rügt die Berufung, dass die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung nicht den Anforderungen der Rechtsprechung an eine deutliche drucktechnische Hervorhebung entspreche und daher den Lauf der Widerrufsfrist nicht habe in Gang setzen können.

    Entgegen dem Vorbringen des Klägers in der Berufungsbegründung erfolgte die Belehrung nach Maßgabe von § 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F. auch in drucktechnisch deutlicher Form. Nach dem Sinn und Zweck des Belehrungserfordernisses verlangt dies, dass die Belehrung in den Vertragsunterlagen nicht untergehen darf, sondern drucktechnisch so deutlich hervorzuheben ist, dass sie dem Versicherungsnehmer nicht entgehen kann, selbst wenn er nicht nach einer Widerspruchsmöglichkeit sucht (BGH, Urteil vom 28.01.2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497). Für eine solche Hervorhebung stehen dem Versicherer aber vielfältige Möglichkeiten zur Verfügung. Erforderlich, aber auch ausreichend kann sein eine gesonderte Präsentation, eine ausreichende Lesbarkeit und die Verwendung einer hinreichend großen Schrift; die Hervorhebung kann auch durch Farbe, Schriftsatz und -größe, Einrückung, Einrahmung oder in sonstiger Weise geschehen (BGH, a.a.O.). Für die Deutlichkeit der Hervorhebung kommt es auch auf den Umfang und die Gestaltung der sonstigen Vertragsunterlagen an (BGH, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 02. Mai 2018 - 20 U 42/18 -, Rn. 9 - 10, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 21. Februar 2018 - 5 U 45/17 -, Rn. 18f. juris). Ob die Hervorhebung ausreichend ist, ist stets eine Frage des Einzelfalls und vom Tatrichter zu beurteilen.

    Der Senat schließt sich der Auffassung des Landgerichts an, dass gemessen an den genannten Voraussetzungen die Belehrung im vorliegenden Fall ausreichend hervorgehoben wurde. Der Text der Widerrufsbelehrung ist zwar in einem Versicherungsschein enthalten, der aus insgesamt fünf Seiten besteht (Anlage K1, Versicherungsschein und vier sogenannte Anhänge, bestehend aus jeweils einer einseitig bedruckten Seite). Anders als in den von der Berufung angeführten Urteilen geht die Widerspruchsbelehrung aber trotz der Seitenanzahl nicht in einem "Konvolut von Vertragsunterlagen" mit großem Text- und Informationsumfang sowie zahlreichen kleingedruckten Hinweisen unter. Die Belehrung über das Widerspruchsrecht befindet sich im Anhang Nr. 3 auf der vierten Seite und nimmt diese Seite nahezu vollständig ein. Der komplette Absatz mit dem Text der Widerspruchsbelehrung ist ausschließlich im Fettdruck gehalten und springt daher auch bei einem nur flüchtigem Durchblättern der fünf Seiten des groß gedruckten und überdies sehr übersichtlich gestalteten Versicherungsscheines geradezu "ins Auge". Eine ausreichende drucktechnische Hervorhebung liegt in dem nahezu ausschließlich für die gesamten Belehrungstexte verwendeten Fettdruck. Dass auch Über-/Nebenschriften fettgedruckt sind, steht der Hervorhebung nicht entgegen (vgl. KG Berlin, Urteil vom 31. Januar 2017 - 6 U 30/16 -, Rn. 18, juris). Es ist daher davon auszugehen, dass dem Kläger als Versicherungsnehmer eine Kenntnisnahme ohne weiteres möglich und zumutbar war, da einerseits der Umfang der Informationen im Versicherungsschein überschaubar war und andererseits die Widerspruchsbelehrung innerhalb des Vertragstextes nochmals deutlich hervorgehoben und nicht an irgendeiner Stelle "versteckt" wurde.

    2. Ob die nach dem Policenmodell geschlossenen Versicherungsverträge wegen Gemeinschaftsrechtswidrigkeit von § 5a VVG a.F. Wirksamkeitszweifeln unterliegen (siehe dazu BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13 - BGHZ 202, 102; BVerfG, Beschluss vom 02.02.2015 - 2 BvR 2437/14 - VersR 2015, 693) kann dahinstehen. Denn die vom Kläger begehrte Vorlage an den EuGH scheidet bereits deshalb aus, weil es auf die Frage, ob das Policenmodell mit den genannten Richtlinien unvereinbar ist, hier nicht entscheidungserheblich ankommt. Dem Versicherungsnehmer ist es auch im Falle einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten, wenn er nach § 5a VVG a.F. ordnungsgemäß belehrt worden ist. Die Treuwidrigkeit liegt darin, dass der Versicherungsnehmer nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, diesen jahrelang unter regelmäßiger Prämienzahlung durchführt und erst dann von dem Versicherer, der auf den Bestand des Vertrages vertrauen durfte, unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung aller Prämien verlangt (BGH, Beschl. v. 8.3.2017 - IV ZR 98/16 - VersR 2017, 739; BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13 - BGHZ 202, 102; BGH, Urteil vom 23.09.2015 - IV ZR 496/14 - r+s 2015, 538; BVerfG, Beschluss vom 02.02.2015 - 2 BvR 2437/14 - VersR 2015, 693). Die dem Kläger zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahr 1996 ungenutzt verstreichen, zahlte rund acht Jahre die vereinbarten Prämien, beendete erst dann den Vertrag und ließ sich den Rückkaufswert auszahlen. Die jahrelangen Prämienzahlungen des bereits bei Vertragsschluss über die Möglichkeit, den Vertrag nicht zustande kommen zu lassen, belehrten Klägers haben bei der Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand des Vertrages begründet, was für den Kläger auch erkennbar war (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13 - BGHZ 202, 102; BGH, Urteil vom 23.09.2015 - IV ZR 496/14 - r+s 2015, 538).

    Der Senat rät daher zur Berufungsrücknahme, die zwei Gerichtsgebühren spart.

    RechtsgebietBGB; VVG a.F.Vorschriften§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB; § 818 Abs. 1 BGB; § 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F.