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  • 13.11.2018 · IWW-Abrufnummer 205410

    Oberlandesgericht Saarbrücken: Beschluss vom 25.01.2018 – 5 W 5/18

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Saarbrücken

    Beschl. v. 25.01.2018


    Tenor:

    1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 18.12.2017 wird der Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 22.11.2017 - Az: 14 O 37/17 dahingehend geändert, dass dem Antragsteller für seine Anträge aus dem Klageentwurf vom 15.02.2017 (Blatt 3 d.A.) Prozesskostenhilfe für die erste Instanz ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt Dr. W. bewilligt wird.
    2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, mit der er eine Berufsunfähigkeitsrente ab dem 01.11.2014, Beitragsfreistellung und Rückzahlung von Beiträgen verlangt.

    Mit dem angefochtenen Beschluss vom 22.11.2017 (Bl. 51 d. A.) hat das Landgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe verweigert, weil der Antragsteller einen Anspruch nicht schlüssig dargelegt habe. Es fehle an einer konkreten Schilderung seines Berufsbildes als Student bzw. als Werksstudent. Es sei auch nicht dargelegt, warum er sein Studium nicht fortführen könne.

    Gegen diesen, dem Antragstellervertreter am 04.12.2017 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller am 18.12.2017 (Bl. 58 d.A.) sofortige Beschwerde ein.

    Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Saarländischen Oberlandesgericht vorgelegt.

    II.

    Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Antrag des Antragstellers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Weitere Substantiierungen seines Vortrages sind nicht erforderlich.

    (1.)

    Bei der Ermittlung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit ist grundsätzlich die letzte konkrete Berufsausübung des Versicherten maßgebend, so wie sie in gesunden Tagen ausgestaltet war, d. h. solange seine Leistungsfähigkeit noch nicht beeinträchtigt war. Der Versicherte muss zu dieser konkreten beruflichen Tätigkeit in einem Ausmaß nicht mehr im Stande sein, das nach den Versicherungsbedingungen einen Rentenanspruch begründet. Dies muss der Versicherungsnehmer darlegen und beweisen (BGH, Urt. v. 26.02.2003 - IV ZR 238/01 - VersR 2003, 631; OLG Hamm, NVersZ 2002, 20).

    Als Sachvortrag genügt dazu grundsätzlich nicht die Angabe des Berufstyps und der Arbeitszeit, vielmehr muss für einen Außenstehenden ohne weiteres nachvollziehbar werden, welcher Art die regelmäßig ausgeübten Tätigkeiten waren, welchen Umfang und Häufigkeit sie annahmen und welche Anforderungen sie an die Leistungsfähigkeit stellten (BGH, Urt. v. 29.11.1995 - IV ZR 233/94 - NJW-RR 1996, 345; BGH, Urt. v. 22.09.2004 - IV ZR 200/03 - NJW-RR 2004, 1679).

    Daneben muss konkret dargelegt werden, welche gesundheitlichen Hindernisse der Fortführung der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit entgegenstehen. Dem wird ein Versicherungsnehmer zwar regelmäßig allein durch die Angabe seiner gesundheitlichen Leiden und die Behauptung einer daraus folgenden Berufsunfähigkeit genügen; in Tiefe und Breite der Darlegung darf von ihm als medizinischen Laien insoweit grundsätzlich nicht zu viel verlangt werden. Gerade aber bei vornehmlich psychischen Befindlichkeitsstörungen unklarer Wirkung wie z.B. Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Nervosität, nicht näher bezeichnete "Angstzustände", die einen Berufstätigen mehr oder weniger oder überhaupt nicht nennenswert bei der Fortführung seiner Tätigkeit belasten, genügt die Behauptung nicht, die gesamte Tätigkeit könne nicht mehr ausgeübt werden. Andernfalls müsste ein gerichtlicher Sachverständiger erst ausforschen, in welcher Form welche "gesundheitlichen" Belastungen oder nur Stimmungsschwankungen der Ausübung der Berufstätigkeit entgegenstehen (Senat, Urt. v. 08.03.2006 - 5 U 269/05-22 - VersR 2007, 96).

    Deshalb muss ein Versicherungsnehmer, der Berufsunfähigkeit wegen psychischer Probleme behauptet, darlegen, wann, wie oft, wie lange, mit welcher Intensität und Dauer welche tatsächlichen Störungen seiner beruflichen Tätigkeit aufgetreten sind, und aus welchen Gründen es ihm nicht möglich ist, seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch zugängliche und ohne weiteres zumutbare eigene Anstrengungen "in den Griff" zu bekommen (Senat, Urt. v. 02.11.2006 - 5 W 220/06-64 - NJW-RR 2007, 755 [OLG Saarbrücken 02.11.2006 - 5 W 220/06-64]).

    Nach diesen Grundsätzen genügt der Vortrag des Antragstellers. Bereits im Klageentwurf hat der Antragsteller vorgetragen, dass er ängstlich, sozial verunsichert, depressiv, antriebsgestört und massiv eingeschränkt in der kognitiven und sozialen Belastbarkeit ist, dass er Prüfungssituationen nicht aushält und diesen krankheitsbedingt aus dem Weg geht. Dieser Vortrag steht im Einklang mit seinen Angaben im Rahmen der Leistungsprüfung durch die Beklagte. Er hat in der Anlage K8 angegeben, sich wegen seiner näher bezeichneten psychischen Problemen nicht zum Diplom habe anmelden können, nicht einmal die Sekretärin habe anrufen oder zu Lehrveranstaltungen habe gehen können.

    Selbst die unternommene medikamentöse und psychiatrische/psychotherapeutische Behandlung habe daran nichts ändern können.

    Trifft diese Behauptung zu, die der Antragsteller in der Anlage K8 noch weiter dahin konkretisiert hat, dass seine Anspannung in Unerträgliche steige, wenn er sich irgendeiner Form sozialer Interaktion aussetze, er sich nach kurzer Zeit zurückziehen müsse und durch die Anspannung Atemnot, Erstickungsgefühle, Brustschmerzen usw. bekomme, dann folgt hieraus, dass der Antragsteller nicht in der Lage ist, seine Prüfung abzulegen und später im Beruf eines Übersetzers zu arbeiten, ohne dass es auf die näheren Einzelheiten der Prüfung oder des Übersetzerberufs ankommt. Der Antragsteller behauptet nämlich im Grunde, zu jeder beruflichen Tätigkeit außerstande zu sein, so dass es auf Einzelheiten des zuletzt ausgeübten Berufs ausnahmsweise nicht ankommt (siehe dazu allgemein: Rixecker in: Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3.Aufl., § 46 Rn. 143).

    Gleiches gilt für seine Tätigkeit als Werksstudent. Der Antragsteller hat im Klageentwurf behauptet, dass er nicht mehr zu Absprachen (physisch oder per Telefon) mit den Kollegen im Entwicklerteam in der Lage und eine Zusammenarbeit für ihn nicht mehr möglich war. Er hat im Rahmen der Leistungsprüfung (siehe Anlage K8) auf seine Unfähigkeit verwiesen, sich in irgendeiner Form sozialer Interaktion auszusetzen und auf Panikattacken verwiesen, die im November 2014 aufgetreten seien und ihn an der Fortsetzung seiner Tätigkeit auch im Entwicklerteam bei S. hinderten.

    Trifft diese Behauptung zu, dann kommt es nicht auf die nähere Ausgestaltung der Anforderungen der Teamarbeit bei seiner Werksstudententätigkeit bei S. an. Wie lange sein Arbeitstag dauerte, wie viele Personen im Team waren und wie oft Meetings stattfanden, ist dann ohne Belang. Der Antragsteller kann in keinem Team mehr arbeiten, wenn seine Behauptungen zutreffen. Auf diese grundsätzliche Unfähigkeit, in einem Team zu arbeiten, weil er an Panikstörungen und Angstattacken leide, hat er sich auch im Schriftsatz vom 3.7.2017 (Bl. 29 d.A.) bezogen.

    (2.)

    Auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Der Antragsteller verfügt nicht über Einkünfte. Er ist bedürftig i.S.d. § 114 Abs. 1 ZPO.

    (3.)

    Die erfolgreiche Beschwerde ist im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe gerichtsgebührenfrei, außergerichtliche Kosten werden gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet (vgl. BGH, Beschl. V. 21.9.2006 - IX ZB 305/05 - MDR 2007, 366).

    VorschriftenBB-BUZ