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  • 29.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146487

    Landgericht Fulda: Beschluss vom 25.01.2016 – 1 S 153/15

    1.

    Eine Aufforderung des Nachweises der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung setzt die Frist des § 205 Abs.2 S.2 VVG nicht in Gang.
    2.

    Eine Aufforderung im Sinne von § 205 Abs.2 S.2 VVG, welche vom Versicherten den Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht in einer vom Versicherer vorgegebenen Form verlangt, setzt die Frist ebenfalls nicht in Gang.


    Landgericht Fulda

    Beschl. v. 25.01.2016

    Az.: 1 S 153/15

    Tenor:

    Die Kammer weist darauf hin, dass die Berufung der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Es ist deshalb beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
    Gründe

    Die Beklagte war bei der Klägerin privat krankenversichert. Die Parteien streiten um den Zeitpunkt der wirksamen Beendigung des Versicherungsvertrags.

    Die Beklagte ging ab dem 01.01.2014 ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis ein und versicherte sich ab diesem Tag bei der X-Krankenkasse. Mit Schreiben vom 15.11.2013 erklärte die Beklagte die Kündigung der mit der Klägerin bestehenden Krankenversicherung. Daraufhin forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 22.11.2013 auf, ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung nachzuweisen (Anlage K1, Bl. 55 d. A.). Die Beklagte erhielt am 27.12.2013 von der X-Krankenkasse eine Mitgliedsbescheinigung samt Begleitschreiben (Bl. 57 d. A.). Jenes Begleitschreiben übersandte die Beklagte Anfang Februar an die Klägerin, streitig ist, ob auch die Mitgliedsbescheinigung übersandt wurde. Mit Schreiben vom 04.02.2014 (Anlage K3, Bl. 58 d. A.) wies die Klägerin daraufhin, dass dem vorangegangenem Schreiben der Beklagten eine Mitgliedsbescheinigung der Krankenkasse nicht beigelegen habe. Da eine solche aber zur Prüfung des Beginns der Versicherungspflicht benötigt werde, bat die Klägerin um Übersendung der Mitgliedsbescheinigung. Daraufhin übersandte die Beklagte mit E-Mail vom 14.04.2014 die Mitgliedsbescheinigung als Anhang. Allerdings wurde die Bescheinigung nicht vollständig gescannt und dargestellt (vgl. Anlage K4, Bl. 59 ff. d. A.). Mit Schreiben vom 23.04.2014 (Anlage K5, Bl. 64 d. A.) wies die Klägerin auf diesen Umstand hin und bat um Übersendung der kompletten Mitgliedsbescheinigung, aus welcher der Beginn der Versicherungspflicht ersichtlich werde. Mit Schreiben vom 10.06.2014 (Anlage K6, Bl. 65 d. A.) wiederholte die Klägerin diese Bitte. Nachdem hierauf keine Reaktion der Beklagten erfolgte, kontaktierte die Klägerin telefonisch die X-Krankenkasse, welche das Bestehen der Krankenversicherung seit 01.01.2014 bestätigte, woraufhin die Klägerin "das Vertragsverhältnis entgegenkommender Weise zum 31.08.2014" beendete. Mit der Klage begehrt sie die Versicherungsbeiträge für die Monate Januar 2014 bis August 2014. Wegen weiterer Einzelheiten des der Entscheidung zugrundeliegenden Lebenssachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

    Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Durch die Kündigung vom 15.11.2013 sei das Vertragsverhältnis zum 31.12.2013 beendet worden. Da die Beklagte zum 01.01.2014 mit Eintritt in das Arbeitsverhältnis versicherungspflichtig geworden sei, habe ihr ein Sonderkündigungsrecht nach § 205 Abs.2 S.1 VVG zum 31.12.2013 zugestanden. Die Kündigung sei entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nach § 205 Abs.2 S.2 VVG unwirksam geworden. Grundsätzlich sei die Kündigung ohne Nachweis der Versicherungspflicht wirksam; sie werde jedoch unwirksam, wenn der Versicherer der Aufforderung des Versicherers in Textform, einen Nachweis zu erbringen, binnen 2 Monaten nicht nachkomme. Dahinstehen könne, ob § 205 Abs.2 S.2 VVG überhaupt anwendbar sei, was deshalb nicht ganz unproblematisch sei, da die Norm lediglich den Fall einer Kündigung nach Eintritt der Versicherungspflicht direkt regele. Zumindest habe die Beklagte binnen der 2-Monats-Frist ab Eintritt der Versicherungspflicht diese nachgewiesen. Bereits mit Übersendung des Anschreibens der X- Krankenkasse vom 27.12.2013 Anfang Februar sei sie ihrer Nachweisobliegenheit nachgekommen. Denn die Formulierung in jenem Schreiben lasse nur den Schluss zu, dass die Beklagte am 27.12.2013 bereits versicherungspflichtiges Mitglied der X-Krankenkasse gewesen sei. Die Vorlage einer "Mitgliedsbescheinigung" sei nicht notwendig, da die Vorschrift des § 205 Abs.2 S.2 VVG keine Angaben dazu enthalte, in welcher Weise der Nachweis zu führen sei. Zumindest sei die Klägerin gem. § 242 BGB bei Restzweifeln zu einer unmittelbaren Nachfrage bei der X-Krankenkasse gehalten gewesen.

    Mit ihrer fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche fort.

    Das Amtsgericht verkenne, dass sich aus dem Anschreiben der X-Krankenkasse vom 27.12.2013 allenfalls das Bestehen einer versicherungspflichtigen Mitgliedschaft ergebe, nicht jedoch der Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft. Dies aber sei für den Versicherer relevant, um den Kündigungsgrund und den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Kündigung zu überprüfen. Hierzu mache das Anschreiben keine Angaben. Das Schreiben indiziere sogar entgegen der tatsächlichen Gegebenheiten eine Mitgliedschaft schon vor dem 01.01.2014. Eine Pflicht der Klägerin, überhaupt direkt Kontakt mit der Krankenkasse aufzunehmen, bestehe nicht (wird ausgeführt). Schließlich verkenne das Amtsgericht, dass die 2-Monats-Frist des § 205 Abs.2 S.2 VVG nicht erst mit Beginn der Versicherungspflicht, sondern mit Erhalt der Aufforderung durch die Klägerin zu laufen begonnen habe. Da selbst das Schreiben vom 27.12.2013 erst nach Ablauf der 2-Monats-Frist eingegangen sei, komme allenfalls eine Beendigung Ende Februar 2014 in Betracht.

    Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache aber keine Aussicht auf Erfolg.

    Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung.

    Das Amtsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Zwar erweist sich der Hinweis der Klägerin als zutreffend, dass die Frist des § 205 Abs.2 S.2 VVG nicht ab Beginn des Eintritts der Versicherungspflicht, sondern ab Erhalt der Aufforderung durch den Versicherer zu laufen beginnt. Allerdings erscheint fraglich, ob dies auch dann gilt, wenn die Kündigung bereits vor Eintritt der Versicherungspflicht ausgesprochen wird, da die Regelung des § 205 VVG grundsätzlich die Konstellation einer rückwirkenden Kündigung im Auge hat. Dies kann jedoch ebenso dahinstehen, wie die Frage, ob das Schreiben der X-Krankenkasse vom 27.12.2013 allein einen Nachweis im Sinne des § 205 Abs.2 S.2 VVG darstellt. Denn die Klägerin hat die Beklagte zumindest nicht ordnungsgemäß aufgefordert den Eintritt der Versicherungspflicht nachzuweisen. Im ersten Schreiben vom 22.11.2013 wurde der Nachweis der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gefordert. Im Schreiben vom 04.02.2014 wurde sodann eine Mitgliedsbescheinigung in der gesetzlichen Krankenkasse gefordert. Da eine Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann erfolgen kann, wenn keine Versicherungspflicht besteht - etwa weil der Verdienst oberhalb der Grenze des § 6 Abs.1 Nr.1, Abs. 6, 7 SGB V liegt - handelt es sich bei den Anschreiben vom 22.11.2013 und 04.02.2014 inhaltlich nicht um den Anforderungen des § 205 Abs.2 S.2 VVG gerecht werdende Aufforderungen, da nicht der Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht, sondern der Nachweis des Bestehens einer gesetzlichen Krankenversicherung gefordert wird. Hinzu kommt, dass es dem Versicherten nicht obliegt, den Nachweis in einer bestimmten Form zu erbringen, denn eine solche schreibt das Gesetz - worauf das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat - nicht vor. Daher muss der Nachweis nicht wie gefordert durch Vorlage einer Mitgliedsbescheinigung erfolgen, auch wenn dies dem gewöhnlichen Gang der Dinge entsprechen dürfte. So wäre ein Nachweis etwa auch durch Vorlage eines Arbeitsvertrags, welcher den Beginn des Arbeitsverhältnisses und das Jahresentgelt aufweist möglich. Auch in der Folge wurde lediglich immer wieder auf die Übersendung einer Mitgliedsbescheinigung hingewirkt; eine Aufforderung zum Nachweis des Eintritts der Versicherungspflicht erfolgte hingegen nicht. Daher wurde die Frist des § 205 Abs.2 S.2 VVG schon nicht in Gang gesetzt, weshalb die zum 31.12.2013 ausgesprochene Kündigung nicht nachträglich unwirksam geworden ist und der Klägerin für das Jahr 2014 keine Ansprüche auf Beitragszahlung zustehen.

    Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Kammer zur Vermeidung einer Zurückweisung der Berufung durch einen unanfechtbaren Beschluss, dessen Begründung sich in einer Bezugnahme auf diesen Hinweisbeschluss erschöpfen könnte, eine Rücknahme der Berufung in Erwägung zu ziehen. Eventuellem neuen Sachvortrag setzt die Zivilprozessordnung enge Grenzen. Eine Zurücknahme der Berufung hätte - abgesehen von den ohnehin anfallenden Anwaltskosten - eine deutliche Reduzierung der Gerichtskosten zur Folge, da die Verfahrensgebühren für das Berufungsverfahren im allgemeinen von 4 auf 2 Gerichtsgebühren halbiert würden (KV 1222 Nr. 1 GKG). Wird dem gegenüber die Berufung förmlich durch Beschluss zurückgewiesen, verbleibt es regelmäßig bei der 4-fachen Gerichtsgebühr (KV 1220 GKG).

    Die Berufungsklägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 2 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses.

    RechtsgebietVVGVorschriften§ 205 Abs.2 S.2 VVG