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  • 12.01.2016 · IWW-Abrufnummer 146144

    Oberlandesgericht Karlsruhe: Urteil vom 03.11.2015 – 12 U 102/15

    Bei einer mehrere Lebensbereiche erfassenden Streitigkeit zwischen mehreren Beteiligten ist Rechtsschutzdeckung zu gewähren, soweit ein Rechtsstreit in einem versicherten Lebensbereich geführt wird.


    Oberlandesgericht Karlsruhe

    Urt. v. 03.11.2015

    Az.: 12 U 102/15

    Im Rechtsstreit
    XXX
    gegen
    XXX
    wegen Leistung aus einem Rechtsschutzversicherungsvertrag
    hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf die mündliche Verhandlung vom 3. November 2015 unter Mitwirkung von
    Vors. Richter am Oberlandesgericht Zöller
    Richter am Oberlandesgericht Filthuth
    Richterin am Oberlandesgericht Dr. Kürz
    für Recht erkannt:
    Tenor:

    1.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 10. Juni 2015 - 4 O 308/14 - wird zurückgewiesen.
    2.

    Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
    3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
    4.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.

    Die Parteien streiten darum, ob die Beklagte der Klägerin Deckungsschutz in der Rechtsschutzversicherung zu gewähren hat; diese wendet ein, dass der Ausgangsprozess Ausfluss einer nicht versicherten selbständigen Tätigkeit der Klägerin gewesen sei.

    Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung mit dem Deckungsbereich Privat- und Berufsrechtsschutz für Nichtselbständige unter Einschluss von Arbeits-Rechtsschutz . Die zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen enthalten unter anderen folgenden Regelungen:

    § 2 Leistungsarten

    Der Umfang des Versicherungsschutzes kann in der Form des § 21 bis § 29 vereinbart werden. Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz: [...]

    b) Arbeits-Rechtsschutz

    für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus Arbeitsverhältnissen sowie aus öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen hinsichtlich dienst- und versorgungsrechtlicher Ansprüche.

    § 25 Privat- und Berufs-Rechtsschutz für Nichtselbständige

    (1) Versicherungsschutz besteht für den privaten und beruflichen Bereich des Versicherungsnehmers [...], wenn diese keine gewerbliche, freiberufliche oder sonstige selbständige Tätigkeit mit einem Gesamtumsatz von mehr als 10.000 Euro - bezogen auf das letzte Kalenderjahr - ausüben. Kein Versicherungsschutz besteht unabhängig von der Umsatzhöhe für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit einer der vorgenannten Tätigkeiten.

    Mit Schriftsatz vom 14. Mai 2013 erhob die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Mannheim Klage gegen die P Markt GmbH, mit der sie Lohn- und Verzugslohnansprüche aus einem seit 1986 bestehenden Arbeitsrechtsverhältnis für die Zeit seit April 2012 geltend machte. Die Beklagte des Ausgangsprozesses ist ein Familienunternehmen, an dem - neben ihren Eltern und ihrem Bruder - auch die Klägerin zu 25% beteiligt war. Der Ehemann der Klägerin war bis zu seiner Abberufung - neben den Eltern der Klägerin - Mitgeschäftsführer der GmbH. Neben ihrer Tätigkeit für die Beklagte des Ausgangsprozesses war die Klägerin Geschäftsführerin der H UG, die sie etwa vier Jahre vor dem arbeitsgerichtlichen Prozess gemeinsam mit ihrem Ehemann gegründet hatte.

    Die Klage im Ausgangsprozess wurde im ersten Rechtszug abgewiesen. Im Berufungsverfahren schlossen die dortigen Parteien einen Vergleich, in dem sie unter anderem die Aufhebung der beiderseitigen Kosten vereinbarten. Die im zweiten Rechtszug des Ausgangsprozesses entstandenen Anwaltskosten der Klägerin sind Gegenstand der Deckungsklage. Wegen des Verlaufs des Ausgangsprozesses im Einzelnen und des dort gehaltenen Vorbringens wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil, ferner auf den Inhalt der beigezogenen Verfahrensakten des Ausgangsprozesses Bezug genommen.

    Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass sie unter dem Gesichtspunkt des Arbeitsrechtsschutzes Deckung für das Berufungsverfahren im Ausgangsprozess beanspruchen könne. Der Arbeitsgerichtsprozess habe nicht im Zusammenhang mit einer selbständigen Tätigkeit gestanden; auch die Stellung als Mitgesellschafterin stehe dem nicht entgegen. Es habe sich um eine rein arbeitsrechtliche Streitigkeit gehandelt, für die sich das Arbeitsgericht zuständig erachtet habe. Die Klägerin sei nie bestellte oder faktische Geschäftsführerin gewesen, die Tätigkeit ihres Ehemannes als Geschäftsführer sei vorliegend nicht relevant. Weder ein - in den Schriftsätzen des Ausgangsprozesses erwähntes - Betretungsverbot für die Klägerin noch die Übertragung eines Fahrzeuges von der GmbH auf die Klägerin seien Gegenstand des Rechtsstreits gewesen. Für das Gehalt der Klägerin seien Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Weder aus der Vorbereitung von Arbeitsverträgen noch aus der Befugnis zu Einkäufen bis zu 50.000 Euro könne auf eine Geschäftsführerstellung geschlossen werden. Selbst wenn eine selbständige Tätigkeit vorläge, wandele sich der Versicherungsschutz gem. § 25 Abs. 6 ARB 2002 in einen Privat-Rechtsschutz für Selbständige nach § 23 ARB 2002 um, aus dem die Beklagte ggf. zur Leistung verpflichtet wäre. Die Geschäftsführung in anderen Firmen habe keinen Zusammenhang mit der Arbeitnehmerstellung der Klägerin bei der P Markt GmbH.

    Das Landgericht hat gegen die Beklagte ein Versäumnisurteil erlassen, mit dem diese zur Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von EUR 6.695,42 verurteilt wurde . Dagegen richtete sich der rechtzeitige Einspruch der Beklagten.

    Die Klägerin hat beantragt,

    das Versäumnisurteil des Landgerichts Heidelberg vom 16.2.2015 aufrecht zu erhalten.

    Die Beklagte beantragt,

    das Versäumnisurteil des Landgerichts Heidelberg vom 16.2.2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Sie hat die Auffassung vertreten, Versicherungsschutz bestehe für den Arbeitsgerichtsprozess nicht. Der Kern der Auseinandersetzung sei nicht auf der arbeitsrechtlichen Ebene, sondern auf der familiärgesellschaftsrechtlichen Seite zu sehen. So habe es eine Auseinandersetzung darüber gegeben, ob der vom Ehemann der Klägerin als Geschäftsführer ihr zur Verfügung gestellte Pkw als teilweise Jubiläumszuwendung habe übertragen werden dürfen. Die Klägerin habe sich vergleichsweise für weitere 10 Jahre ein Gehalt von 5.500 Euro im Wege des "familiären Ausgleichs" vorgestellt. Dieses hätte aber nicht der tatsächlichen Arbeit der Klägerin entsprechen, sondern diese mit ihrem in einer anderen Firma der Familie tätigen Bruder gleichstellen sollen. Es handele sich bei dem Betrag somit um eine verdeckte Entnahme. Faktisch hätten die Klägerin und ihr Ehemann die Geschäftsführung der Firma inne gehabt. Die von der Klägerin ausgeübten Tätigkeiten gingen weit über das bei einer gelernten Steuerfachgehilfin Übliche hinaus. Darüber hinaus sei die Klägerin Geschäftsführerin von zwei weiteren Gesellschaften, die sie gemeinsam mit ihrem Ehemann betreibe. Nachdem die Klägerin im Ausgangsprozess für sich reklamiert habe, dass sie sich die Arbeitszeiten selbst einteilen und ihre Arbeit auch zu Hause ausführen könne, sei sie nicht als weisungsgebundene Arbeitnehmerin anzusehen. Trotz ihres Gesellschafteranteils von lediglich 25% sei die Klägerin nach den tatsächlichen Verhältnissen als Selbständige anzusehen. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit habe in der freien unternehmerischen Tätigkeit als Mitgesellschafterin, nicht in weisungsgebundener Arbeitnehmertätigkeit gelegen.

    Das Landgericht hat der Klage stattgegeben . Der Klägerin stehe aus dem auf Privat- und Berufsrechtsschutz gerichteten Versicherungsvertrag ein Anspruch auf die im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht entstandenen Rechtsanwaltskosten zu. Eine "sonstige selbständige Tätigkeit", für die Versicherungsleistungen ausgeschlossen seien, sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Dass die Klägerin auch Mitgesellschafterin des im Vorprozess verklagten Unternehmens gewesen sei, stehe der Annahme einer unselbständigen Tätigkeit nicht entgegen, da sie weder Mehrheitsgesellschafterin gewesen sei noch bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft gehabt habe. Sie sei auch weder bestellte noch faktische Geschäftsführerin gewesen.

    Gegen die Entscheidung des Landgerichts, die ihr am 15. Juni 2015 zugestellt worden ist , richtet sich die am 13. Juli 2015 eingegangene und nach Fristverlängerung bis zu diesem Tage am 31. August 2015 begründete Berufung der Beklagten. Sie ist der Auffassung, das Landgericht habe Widersprüche zwischen dem Vortrag der Klägerin im Ausgangs- und im Deckungsprozess verkannt. Die Klägerin habe - wie vom Arbeitsgericht erster Instanz festgestellt - im Vorprozess vorgetragen, leitende Angestellte gewesen zu sein; de facto hätten sie und ihr als Geschäftsführer bestellter Mann den Betrieb der dortigen Beklagten allein geleitet. Eine Arbeitnehmereigenschaft liege nicht vor. Das Landgericht habe keine Gesamtschau der von der Klägerin behaupteten Tätigkeit für die Beklagte des Ausgangsprozesses vorgenommen.

    Die Beklagte beantragt ,

    unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Heidelberg vom 18. Mai 2015 - 4 O 308/14 - das Versäumnisurteil vom 16. Februar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt ,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.

    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit in diesem Urteil keine anderen Feststellungen getroffen sind, auf das angefochtene Urteil und die Schriftsätze der Parteien sowie die von ihnen vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

    II.

    Die Berufung ist nicht begründet. Die Beklagte ist aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsrechtsschutzvertrag verpflichtet, die Klägerin von den - der Höhe nach unstreitigen - Anwaltskosten für die Vertretung der Klägerin im zweitinstanzlichen Arbeitsrechtsprozess freizustellen.

    Zwischen den Parteien steht allein im Streit, ob eine mögliche selbständige Tätigkeit der Klägerin dem Deckungsschutz entgegensteht. Das Landgericht hat dies mit zutreffenden Erwägungen verneint. Unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Berufungsinstanz besteht lediglich Anlass zu folgenden ergänzenden Erwägungen:

    1. Der Versicherungsschutz ist nicht nach § 25 Absatz 1 Satz 1 ARB deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin nicht mehr zum versicherten Personenkreis gehört. Nach dieser Vertragsbestimmung greift die Deckung nicht ein, wenn der Versicherungsnehmer eine selbständige Tätigkeit mit einem Gesamtumsatz von mehr als EUR 10.000 jährlich ausübt. Ob die Klägerin eine solche Tätigkeit hier im Hinblick auf ihre Geschäftsführerstellung bei einem anderen Unternehmen ausgeübt hat, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Sollte dies der Fall sein, hätte sich der Versicherungsschutz nach § 25 Absatz 6 ARB in einen solchen nach § 23 ARB umgewandelt. Von der Erfüllung einer insoweit möglicherweise bestehenden Anzeigepflicht ist die Umwandlung nach dem Wortlaut der Bedingungen nicht abhängig. Ob die Beklagte berechtigt gewesen wäre, von der Klägerin im Hinblick auf eine etwaige Umwandlung einen höheren Beitrag zu erheben, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Entscheidung.

    2. Ausgeschlossen wäre der Versicherungsschutz daher nur, wenn die Klägerin Deckungsschutz für die "Wahrnehmung rechtlicher Interesse im Zusammenhang mit einer [...] selbständigen Tätigkeit [...] verlangt hätte (§ 25 Absatz 1 Satz 2 ARB). Das war - wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat - hier nicht der Fall.

    Selbständig tätig ist, wer seinen Beruf wirtschaftlich und organisatorisch in eigener Regie ausübt, wobei es nicht auf die von den Parteien gewählte Bezeichnung, sondern auf die vereinbarungsgemäß und tatsächlich ausgeübte Tätigkeit ankommt (BGH VersR 1982, 343, [...]Rn. 17; zur Selbständigkeit eines Handelsvertreters). Für die Abgrenzung kann entscheidend sein, ob die Tätigkeit im Wesentlich frei gestaltet und die Arbeitszeit bestimmt werden kann. Indizien für eine unselbständige Tätigkeit kann die Entrichtung von Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben sein, ebenso der Umstand, dass die Arbeitsgerichte ihre Zuständigkeit angenommen haben (vgl. im Einzelnen Harbauer/Stahl, ARB-Kommentar, 8. Auflage, § 23, Rn. 19).

    Entgegen der mit der Berufung weiterverfolgten Auffassung der Beklagten lag hier auch unter Gesamtwürdigung aller maßgeblichen Umstände (noch) eine unselbständige Tätigkeit der Klägerin vor:

    a) Allerdings ist richtig, dass das Vorbringen der Klägerin im erstinstanzlichen Arbeitsgerichtsprozess auf den ersten Blick darauf hindeuten könnte, dass diese nicht nur als Arbeitnehmerin beschäftigt, sondern faktisch mit der Leitung der Beklagten des Ausgangsprozesses betraut war. Sie hat dort nämlich im Schriftsatz vom 23. Juli 2013 vorgetragen, dass die dortige Beklagte

    in den vergangenen 25 Jahren allein durch den Ehemann der Klägerin (als Geschäftsführer) und die Klägerin selbst geleitet

    worden sei . Der weitere Vortrag der Klägerin im Ausgangsprozess ließ jedoch erkennen, dass diese zwar im Innenverhältnis weitreichende Vollmachten für sich in Anspruch genommen hat, das Unternehmen aber nach außen weder rechtlich noch tatsächlich geführt hat. Die Klägerin hat nämlich angegeben , dass ihr als Geschäftsführer bestellter Ehemann "die Beklagte operativ auch nach außen geführt" habe, sie aber "sämtliche internen, organisatorischen, finanziellen und administrativen Arbeiten übernommen" habe; diesen Aufgabenbereich habe sie mit dem Einverständnis der Geschäftsführung "eigenverantwortlich" ausgeübt; auch sei sie gegenüber dem Personal weisungsbefugt gewesen. Diese Tätigkeitsbeschreibung lässt erkennen, dass der Klägerin innerhalb der Gesellschaft weitreichende Gestaltungsmöglichkeiten offenstanden. Solche Gestaltungsmöglichkeiten stehen aber nicht selten auch leitenden Angestellten zu, ohne dass dies den Schluss zulassen würde, sie würden die Geschäfte eines Unternehmens faktisch leiten. Hier ist ergänzend zu berücksichtigen, dass der Kern der Tätigkeit der Klägerin nach den Feststellungen des erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Urteils nach dem übereinstimmenden Vortrag der dortigen Parteien "im Bereich der Angestelltentätigkeit für Buchhaltung und Büroarbeiten" gelegen habe, sie aber im Rahmen des Familienunternehmens bei Bedarf auch in anderen Bereichen ausgeholfen habe. Ferner ist in die Abwägung einzustellen, dass der Ehemann der Klägerin nicht Alleingeschäftsführer der GmbH war, sondern sie nach den Feststellungen des arbeitsgerichtlichen Urteils neben den Eltern der Klägerin geführt hat. Ein bestimmender Einfluss der Klägerin auf die Geschäftsführung der Beklagten des Ausgangsprozesses lässt sich auf dieser Grundlage nicht feststellen.

    b) Soweit die Beklagte rügt , die Klägerin habe im vorliegenden Verfahren - anders als im Arbeitsgerichtsprozess - behauptet, die Tätigkeit der Klägerin habe sich auf "maximal drei Stunden beschränkt, und zwar für Geschäftsführertätigkeiten", ist nicht ersichtlich, auf welches Vorbringen der Klägerin die Beklagte hier Bezug nehmen will. Einen geringen Umfang ihrer Tätigkeit hat die Klägerin im Vorprozess (lediglich) behauptet, soweit sie als Geschäftsführerin der H UG bestellt war ; sie hat hingegen auch im Prozess nicht vorgetragen, ihre Tätigkeit für die Beklagte des Vorprozesses habe sich auf "maximal drei Stunden" beschränkt. Auf die Frage, ob die Klägerin im Ausgangsprozess zur Frage der Befugnis zur Heimarbeit oder zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit wechselnde Angaben gemacht hat, kommt es für die Beurteilung der Selbständigkeit ihrer Tätigkeit - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht an. Die Klägerin hat im Vorprozess geltend gemacht, dass sie seit längerem teilweise daheim gearbeitet habe und in der Lage der Arbeitszeit weitgehend frei gewesen sei. Das ist aber - auch im Rahmen einer Gesamtschau - kein hinreichendes Indiz für eine selbständige Tätigkeit; auch bei - vor allem leitenden - Angestellten ist es nicht selten, dass diese über die Lage ihrer Arbeitszeit weitgehend frei bestimmen und ihre Tätigkeit auch zumindest zeitweise außerhalb ihres zugewiesenen Büros ausüben können.

    c) Aus dem Vorbringen der Klägerin im Vorprozess zur Höhe der Vergütung lässt sich deren selbständige Tätigkeit nicht herleiten, insbesondere ergibt sich aus ihr auch nicht, dass die Klägerin eine Tätigkeit ausgeübt hat, die derjenigen eines Geschäftsführers gleichkam. Die Klägerin hatte im Vorprozess vorgetragen , man habe sich im Familienkreis darauf verständigt, dass ihr Bruder für die Leitung eines anderen Unternehmens EUR 5.500 habe erhalten sollen, die Klägerin und ihr Ehemann zusammen EUR 11.000; dies sei im Interesse der Gleichbehandlung geschehen. Nach dem Ausscheiden ihres Ehemanns als Geschäftsführer sei sie davon ausgegangen, dass ihr - statt der ursprünglich vereinbarten EUR 3.400 - EUR 5.500 zustehen würden. Aus diesem Vorbringen im Vorprozess wird man schließen können, dass die Klägerin davon ausgegangen ist, dass das Gehalt der Familienmitglieder in den verschiedenen Unternehmen teilweise nicht an Markt und Leistung orientiert war, sondern auch durch innerfamiliäre Rücksichtnahme bestimmt wurde. Das rechtfertigt aber nicht den Schluss, dass die Klägerin davon ausgegangen ist, dass ihr dieselben Kompetenzen wie einem Geschäftsführer zustehen. Das ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin vorgetragen hat, dass die für die Klägerin und ihren Ehemann zur Verfügung stehenden EUR 11.000 in der Weise verteilt wurden, dass der Ehemann EUR 7.600 und sie EUR 3.400 erhalten habe. Die Klägerin hat im Vorprozess auch nicht vorgetragen, dass sie nach Ausscheiden ihres Ehemanns als Geschäftsführer weitere Kompetenzen übernommen habe; sie hat im Gegenteil geltend gemacht, dass ihr willkürlich Befugnisse entzogen worden seien. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich das Vorbringen der Klägerin auch nicht dahin verstehen, dass die an sie geleistete Gehaltszahlung in Wirklichkeit eine verdeckte Entnahme aus der GmbH war; im Arbeitsgerichtsprozess war vielmehr unstreitig, dass die Klägerin über lange Zeit im Einvernehmen mit den anderen Familienmitgliedern tatsächlich im Unternehmen an maßgeblicher Stelle tätig war.

    d) Aus den im arbeitsgerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsätzen lässt sich folgern, dass zwischen der Klägerin einerseits und ihren Familienangehörigen andererseits auch Streitigkeiten bestanden, die nicht den Arbeitsvertrag der Klägerin, sondern ihre Stellung als Gesellschafterin der GmbH betrafen - erörtert wurde ein Konflikt über die Abberufung ihres Ehemanns als Geschäftsführer, außerdem über die Geltendmachung von Einsichtsrechten -, ferner, dass die Streitigkeiten insgesamt offenbar ihren Hintergrund in einem innerfamiliären Konflikt hatten. Die gesellschaftsrechtlichen Auseinandersetzungen sind aber - mögen sie auch in den Verfahrensschriftsätzen und den vorgelegten Anlagen immer wieder zur Sprache gekommen sein - nicht zum Streitgegenstand geworden. Dass sie Hintergrund der arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung gewesen sein mögen, schließt einen Versicherungsschutz nicht aus. Die Rechtsschutzdeckung würde - ohne dass dies der Versicherungsnehmer den Bedingungen mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen könnte - erheblich entwertet, wenn Deckung schon dann versagt werden könnte, wenn eine in einem versicherten Lebensbereich angesiedelte Streitigkeit anderswo ihren Ausgang genommen hat. Auch der um Verständnis der Bedingungen bemühte Versicherungsnehmer wird davon ausgehen, dass bei einer mehrere Lebensbereiche erfassenden Streitigkeit zwischen mehreren Beteiligten Rechtsschutzdeckung gewährt wird, soweit Rechtsstreite in einem versicherten Lebensbereich geführt werden.

    e) Dass die Klägerin als Geschäftsführerin eines anderen Unternehmens - der H UG - tätig war, ist für die Anwendung des § 25 Absatz 2 Satz 2 ARB - entgegen der von der Berufung vertretenen Auffassung - ebenso wenig von Bedeutung wie der Vortrag der Beklagten, dieses Unternehmen habe im Wettbewerb mit der Beklagten des Ausgangsprozesses gestanden. Ein Zusammenhang zwischen dem Arbeitsgerichtsprozess und der Tätigkeit der Klägerin für ein anderes Unternehmen besteht nur insoweit, als die Beklagte des Ausgangsprozesses dieser vorgehalten hat , sie könne ihre Arbeitsleistung im Hinblick auf ihre anderweitige Tätigkeit nicht mehr erbringen. Insoweit besteht aber kein rechtlicher oder innerer Zusammenhang; für die Entscheidung des Arbeitsgerichtsprozesses wäre es nicht darauf angekommen, aus welchen Gründen die Klägerin etwa an der Erbringung ihrer Arbeitsleistung gehindert war und ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit handelt.

    f) Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt dem Umstand, dass die Arbeitsgerichte im Ausgangsprozess ihre Zuständigkeit bejaht haben, erhebliche indizielle Bedeutung zu. Diese haben insbesondere aus dem von der Beklagten hervorgehobenen Vortrag der Klägerin zu dem Umfang der ihr eingeräumten Befugnisse nicht den Schluss gezogen, dass es der Klägerin an der Arbeitnehmereigenschaft mangelt und eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichtsbarkeit nach § 2 Absatz 1 Nr. 3 a) ArbGG nicht begründet ist.

    g) Soweit die Beklagte geltend macht, im Vorprozess seien etwaige Schlechtleistungen der Klägerin nicht ausschlaggebend für die arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung gewesen, wird dies dem Parteivorbringen im Ausgangsprozess nicht gerecht. Die dortige Beklagte hat unter anderem geltend gemacht, die Klägerin sei ihrem Arbeitsplatz ohne rechtfertigenden Grund ferngeblieben und habe die ihr obliegenden Aufgaben nicht erfüllt; sie habe sich auch schadensersatzpflichtig gemacht, weil die Beklagte die der Klägerin obliegenden Aufgaben durch Dritte habe erfüllen lassen müssen .

    III.

    1. Die Entscheidungen über die Kosten und die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 97 Absatz, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    2. Grundsätzliche oder einer Rechtsfortbildung bedürftige Fragen wirft der Rechtsstreit nicht auf; die Entscheidung war vielmehr von der Beurteilung der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Frage abhängig, ob die Klägerin eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat.

    Eine Zulassung der Revision (§ 543 Absatz 2 Satz 1 ZPO) war daher nicht geboten.

    Verkündet am 3. November 2015

    RechtsgebietARBVorschriftenARB § 23; ARB § 25