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  • 17.07.2014 · IWW-Abrufnummer 142122

    Landgericht Bonn: Urteil vom 12.11.2013 – 10 O 151/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.



    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Das Urteil ist vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

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    Tatbestand
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    Der Kläger begehrt eine Entschädigung aus einer Vollkaskoversicherung von der Beklagten für den Diebstahl seines PKW W. Dem seit 29.06.2012 bestehenden Versicherungsvertrag liegen die AKB 2011 der Beklagten zu Grunde, für die auf Bl. ##ff. d. A. verwiesen wird.
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    Am 21.06.2012 erwarb der Kläger einen W $ H zu einem Kaufpreis von 12.750 € von Herrn L2 (nachfolgend Verkäufer), der ihm jedenfalls offenlegte, dass das Fahrzeug einen Schaden an einem Kotflügel bzw. einem Seitenschweller erlitten hatte.
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    Tatsächlich hatte das streitgegenständliche Fahrzeug im Oktober 2011 einen Unfallschaden erlitten. Es sind Schäden am linken Frontbereich entstanden, welche die folgenden Reparaturen notwendig gemacht haben: Erneuerung der Vorderachse, des Lenkgetriebes, des Frontstoßfängers, der A-Säule, des Fahrer- und Beifahrerairbags, der Schalttafel, der Sicherheitsgurte und des linken Vorderrades. Ein Schadensgutachten (, für das auf Bl. ##ff. d. A. verwiesen wird) gibt die Reparaturkosten mit über 12.000 € brutto, den Restwert des Fahrzeugs mit 4200 € an.
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    Am 29.6.2012 wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen. Der Verkäufer verbrachte das Auto am selben Tag zur Inspektion in die Automietwerkstatt von Herrn L in X. Dort wurde es auf dem Außengelände der Werkstatt abgestellt. Am 02.07.2012 stellte der dort tätige Herr T fest, dass das Fahrzeug nicht mehr am Abstellort war. Er benachrichtigte die Polizei und der Kläger erstattete Strafanzeige wegen Diebstahls. Das Ermittlungsverfahren verlief ergebnislos.
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    Am 12.07.2012 meldete der Kläger der Beklagten den Diebstahl in einem Formularvordruck der Beklagten, für den im Einzelnen auf Anl. K5 verwiesen wird. In das Feld „frühere reparierte Beschädigungen des Fahrzeuges:“ schrieb der Kläger: „Mir nicht bekannt/also nicht auszuschließen“. In das Feld „zum Diebstahlzeitpunkt am Fahrzeug vorhandene Mängel und unreparierte Schäden (auch Kleinschäden):“ setzte der Kläger einen Schrägstrich.
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    Der Kläger behauptet, das Fahrzeug sei vollständig und fachgerecht repariert worden. Ihm falle lediglich Fahrlässigkeit zur Last, da der Vorschaden unerheblich und wertmäßig gering sei. Das Schadensgutachten habe er noch nicht gekannt, als er das Formular ausfüllte. Er ist der Ansicht, die Rechtsfolgenbelehrung auf dem Formular, für die ebenfalls auf Anl. K5 verwiesen wird, sei unbestimmt und daher unwirksam.
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    Der Kläger beantragt,
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    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.750€ nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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    Die Beklagte beantragt,
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    die Klage abzuweisen.
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    Die Beklagte beruft sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung und behauptet hierzu, das Fahrzeug leide an einem erheblichen Vorschaden, der der Beklagten verschwiegen worden sei. Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dass die Vorschäden fachgerecht repariert worden seien. Der Verkäufer habe zwar angegeben, das Fahrzeug selbst repariert zu haben, konnte hierüber aber keine Belege vorweisen. Der Verkäufer habe den Kläger über die Schäden informiert. Die Beklagte bestreitet, dass der Wiederbeschaffungswert 12.750 € brutto sei. Dieser sei nicht ermittelbar. Überdies sei bei der Klagesumme die Selbstbeteiligung von 150 € nicht berücksichtigt.
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    Für den Sach- und Streitstand wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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    Entscheidungsgründe
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    Die zulässige Klage ist unbegründet.
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    Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu, insbesondere nicht aus § 1 VVG i.V.m Ziff. A 2.2.2 AKB 2011.
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    Die Leistungspflicht der Beklagten ist gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG i.V.m Ziff. E.1.3, E.7 VVG 2011 ausgeschlossen, weil er wider besseren Wissens bei der Schadensmeldung angab, ihm seien keine reparierten Vorschäden bekannt.
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    Gem. § 28 Abs. 2 S. 1 VVG ist der Versicherer leistungsfrei, wenn der Versicherungsvertrag bestimmt, dass der Versicherer bei Verletzung einer vom Versicherungsnehmer zu erfüllenden vertraglichen Obliegenheit nicht zur Leistung verpflichtet ist und der Versicherungsnehmer die Obliegenheit vorsätzlich verletzt hat.
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    E.1.3 der AKB 2011 lautet: Sie sind verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadenereignisses dienen kann. Dies bedeutet insbesondere, dass Sie unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses wahrheitsgemäß und vollständig beantworten müssen[…]
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    E 7.1 der AKB 2011 lautet: Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1 bis E.6 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
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    Die Pflicht zur Aufklärung des Schadensereignisses beinhaltet die Offenbarung aller Umstände, die für die Höhe des Schadens von Bedeutung sind. Fragen des Versicherers nach Vorschäden sind von dem Versicherungsnehmer daher vollständig und richtig zu beantworten (zu den AKB 2007 OLG Köln Urt, v. 27.04.2010, Az 9 U 128/08, juris Rn. 19).
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    Selbst wenn man die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 08.10.2013 zu Grunde legt und annimmt, zum Zeitpunkt des Ausfüllens der Schadensmeldung sei der Kläger nur von einem sachgerecht reparierten Vorschaden an Kotflügel oder Seitenschweller ausgegangen, ist die Angabe, ihm sei eine frühere reparierte Beschädigung nicht bekannt, falsch.
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    Der Kläger handelte dabei vorsätzlich und arglistig. Eine arglistige Täuschung setzt eine Vorspiegelung falscher oder ein Verschweigen wahrer Tatsachen gegenüber dem Versicherer zum Zwecke der Erregung oder Aufrechterhaltung eines Irrtums voraus. Der Versicherungsnehmer muss vorsätzlich handeln, indem er bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt. Eine Bereicherungsabsicht des Versicherungsnehmers ist dagegen nicht erforderlich Es reicht aus, dass er einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH, Beschluss vom 04. Mai 2009, Az. IV ZR 62/07, juris Rn. 9). Hinsichtlich der Beeinflussung des Versicherers ist keine Absicht erforderlich; es reicht insoweit bedingter Vorsatz aus, der sich nicht auf die Vermögensinteressen des Versicherers beziehen muss Der Versicherungsnehmer muss es nur für möglich halten, dass das eigene Verhalten die Entscheidung des Versicherers beeinflusst. (OLG Köln Urteil vom 27.04.2010, Az 9 U 128/08, juris Rn. 27; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06..06.2013, Az. 12 U 204/12). Der vom Versicherer zu führende Beweis, dass der Versicherungsnehmer mit der Abgabe einer objektiv falschen Erklärung das Regulierungsverhalten bewusst beeinflussen wollte, kann nur durch einen Indizienbeweis geführt werden. Dabei ist anerkannt, dass für ein arglistiges Verhalten des Versicherungsnehmers indiziell spricht, wenn er in einem Fragebogen falsche Angaben zu erheblichen Vorschäden macht (OLG Naumburg, Urteil vom 16.02.2012, Az. 4 U 32/11, juris Rn. 43).
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    Die Kammer hat keine Zweifel, dass der Kläger die Aufklärung unterließ und dabei zumindest billigend in Kauf nahm, die Regulierung werde so schneller und ohne Einwände der Versicherung von statten gehen. Insbesondere spricht die zeitliche Nähe zum Kauf und der damit verbundenen Aufklärung über Vorschäden gegen die Annahme, die Angabe, das Fahrzeug habe keine reparierten Vorschäden, beruhe auf Fahrlässigkeit. Auch soweit der Kläger behauptet, nicht davon ausgegangen zu sein, dass diese Angabe für die Bearbeitung der Schadensregulierung von solch großer Bedeutung sei, räumt den Vorsatz nach den vorzitierten Grundsätzen der Rechtsprechung nicht aus. Letztlich gab der Kläger in dem Formular an, Vorschäden seien ihm gerade nicht bekannt und könnten nicht ausgeschlossen werden. Er musste aber erkennen, dass die Beklagte in ihrem Formular explizit nach reparierten Schäden gefragt hatte, so dass offensichtlich war, dass es ihr für die Regulierungsentscheidung gerade auch auf diese Information ankam. Es ist daher davon auszugehen, dass sich der Kläger gedanklich mit der Frage beschäftigte, ob er die ihm bekannten Schäden angeben sollte oder nicht und sich dafür entschied, diese nicht anzugeben. Dafür spricht auch, dass er weiter angab, Schäden könnten daher nicht ausgeschlossen werden. Dies erscheint als eine Art Rückversicherung, falls die Schäden doch zu Tage treten. Wäre der Kläger davon überzeugt gewesen, das Fahrzeug leide allenfalls an unerheblichen Mängeln, hätte es dieses Zusatzes nicht bedurft.
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    Auf den Kausalitätsgegenbeweis gem. E 7.2 AKB, § 28 Abs. 3 VVG kommt es nach deren jeweiligen Satz 2 nicht an, da Arglist vorlag.
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    Auch lag eine gemäß § 28 Abs. 4 VVG hinreichende Belehrung über die Obliegenheitsverletzung und deren Folgen vor. Diese erfordert eine gesonderte Mitteilung. Nach herrschender Auffassung kann diese jedoch mit dem Formular zur Schadensmitteilung verbunden sein (Prölss/Martin § 28 VVG, Rn. 154). Nach einer Entscheidung des OLG Köln (OLG Köln r+s 2008, 506) genügt es zwar nicht, wenn über dem Unterschriftenfeld ohne optische Hervorhebung eine Belehrung erfolgt, vorliegend ist in der Schadensmeldung (Anl. K5, Seite 2) jedoch fast die ganze Seite mit der Belehrung gemäß § 28 Abs. 4 VVG ausgefüllt. Dabei sind jeweils Überschriften fett gesetzt, wobei eine dieser Überschriften „Leistungsfreiheit“ lautet. Dies stellt eine hinreichend deutliche Absetzung vom restlichen Text dar, so dass von einer ordnungsgemäßen Belehrung auszugehen ist. Die Erklärung ist auch nicht unbestimmt. Sie enthält die Aufklärung, dass der Versicherungsnehmer die Versicherungsleistung verliert, wenn er falsche Angaben macht. Überdies ist eine Belehrung bei arglistigen Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers ohnehin entbehrlich (vgl. Prölss/Martin § 28 VVG, Rn. 152).
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    Die Beklagte ist auch nicht gem. § 242 BGB daran gehindert, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen, weil der Wert des Gegenstandes, über den getäuscht wurde, gemessen am Gesamtversicherungsfall unerheblich wäre. Die Rechtsprechung nimmt an, das Berufen auf vollständige Leistungsfreiheit durch den Versicherer könne treuwidrig sein, wenn der täuschungsbehaftete Teil der Leistung unverhältnismäßig gering sei. Die Grenze der Geringfügigkeit sei dabei jedenfalls bei 10% am Gesamtschaden überschritten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 24.10.2000, Az. 9 U 82/00, juris Rn. 9). Bei der Bewertung der Unerheblichkeit ist dabei nicht nur auf die Vorschäden abzustellen, von denen der Kläger einräumt, er habe falsche Angaben gemacht. Im Rahmen von § 242 BGB muss das wirtschaftliche Interesse des Versicherers an der Auskunft berücksichtigt werden. Dieses liegt darin, über reparierte Vorschäden informiert zu werden, mögen diese im Einzelnen auch von geringem Wert sein, um Nachforschungen über den Gesamtzustand des Fahrzeuges anstellen zu können. Bei dem tatsächlich ermittelten Unfallschaden steht die Erheblichkeit des merkantilen Minderwerts außer Frage. Es handelt sich um einen Unfallschaden, dessen Reparatur mit Kosten von 12.000 € bei einem Restwert von 4200 € angegeben sind. Auch zu berücksichtigen ist, dass die A-Säule als Teil des Rahmens beschädigt wurde. Unfallschäden, insbesondere Schäden am Rahmen des Fahrzeuges führen am Markt zu einem deutlichen Minderwert von Kraftfahrzeugen, selbst wenn sie repariert wurden. Angesichts der detaillierten Angaben der Beklagten zum Schaden, welche sich in dem Schadensgutachten bestätigt finden, kann sich der Kläger nicht auf die Behauptung zurückziehen, der Schaden sei unerheblich.
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    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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    Streitwert: 12.750€