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  • 13.03.2013 · IWW-Abrufnummer 130834

    Oberlandesgericht Köln: Urteil vom 21.09.2012 – 20 U 116/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Köln

    20 U 116/12

    Die Berufung des Klägers gegen das am 7. Mai 2012 ver­kün­dete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln ‑ 26 O 366/10 - wird zurückgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

    Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig voll­streckbar.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

    Gründe

    I.
    Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

    II.

    Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

    Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

    Die Beklagte kann sich auf den Ausschlusstatbestand der Ziff. 5.2.4 AUB 2004 berufen. Danach besteht kein Versicherungsschutz für Infektionen. Dass vorlie­gend eine Infektion für die behauptete dauerhafte Funktions­beein­trächtigung des rechten Fußes ursächlich war, steht außer Streit. Dass die Voraus­setzun­gen des Wiedereinschlusses nach Ziff. 5.2.4.2, 2. Spiegelstrich AUB 2004 i.V.m. Ziff. 5.2.4.1, 2. Spiegelstrich AUB 2004 vorliegen, die Infektionserreger also durch einen Unfall, der mehr als nur eine geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzung zur Folge hatte, in den Körper eingedrungen sind, hat der Kläger nicht bewiesen. Die Beweis­last für sämtliche Voraussetzungen des Wiedereinschlusses – auch dafür, dass die Haut- oder Schleimhautverletzung mehr als nur geringfügig war - liegt beim Versicherungs­nehmer (OLG Hamm, RuS 2007, 164; Knappmann in: Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., AUB 2008 Nr. 5, Rn. 63; vgl. allgemein auch BGH, VersR 2009, 492 zum Wiedereinschluss bei Band­schei­benschä­den).

    Zugunsten des Klägers mag unterstellt werden, dass seine Ehefrau am 25. Mai 2009 einen bedingungsgemäßen Unfall erlitten hat, indem sie in eine rostige Schraube getreten ist, die sich in den Fuß gebohrt hat, und dass sich als Folge dieser Verletzung eine Infektion entwickelt hat. Dass durch das Eindringen der Schraube in den Fuß die Haut mehr als nur geringfügig verletzt worden ist, steht indes nicht fest.

    Der in Ziff. 5.2.3.1., 2. Spiegelstrich AUB 2004 verwendete Begriff „geringfügige Haut- oder Schleimhautverletzungen“ bedarf der Auslegung. Allgemeine Versiche­r­ungsbedingungen sind nach dem Verständnis eines durch­schnitt­lichen Versicherungsnehmers bei verständiger Würdigung, aufmerk­samer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammen­hangs auszulegen. In erster Linie ist vom Wortlaut der Klausel auszugehen. Der mit ihr verfolgte Zweck und der erkennbare Sinnzusam­men­hang sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungs­nehmer erkennbar sind (zu allem zuletzt BGH, WM 2012, 1673, Rz. 21) Auf die Entstehungsgeschichte der Klausel kommt es demgegenüber nicht an, weil diese dem Versicherungs­nehmer typischerweise nicht bekannt ist (BGH, VersR 2000, 1090).

    In der unfallversicherungsrechtlichen Literatur wird – zum Teil unter aus­drücklichem Rückgriff auf die Auffassung der Bedingungsgeber – eine gering­fügige Hautverletzung dann angenommen, wenn die Wunde über den Bereich der Haut mit ihren drei Schichten Oberhaut, Leder- und Unterhaut nicht hinausreicht (so insbesondere Grimm, Unfallversicherung 4. Aufl., Ziff. 5 AUB 99, Rn. 87 m.w.N.; ferner Kloth, Private Unfallversicherung, Rn. K 90). Dem steht indes entgegen, dass – wie ausgeführt –die Entstehungs­ge­schichte einer Klausel und damit die Ansicht der Bedingungsgeber für die Auslegung einer Versicherungsbedingung unmaßgeblich ist. Auch können für die Auslegung nicht rein medizinische Wertungen entscheidend sein, weil dem durch­schnitt­lichen Versicherungsnehmer medizinische Kenntnisse in aller Regel fehlen werden. Als geringfügig wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer solche Haut- oder Schleimhautverletzungen ansehen, die keine Veranlassung geben, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie entweder überhaupt keiner Behandlung bedürfen oder mit einfachen Mitteln wie etwa mit einem Pflaster selbst versorgt werden können und bei denen zu erwarten ist, dass sie alsbald folgenlos wieder verheilen (vgl. OLG Köln - 20. Zivilsenat -,r+s 2008, 345; OLG Hamm, VersR 2008, 342; OLG Koblenz, r+s 2004, 298; Knappmann in: Prölss/Martin, aaO, Rn. 62; Bruck/Möller/Leverenz, aaO, Rn. 27; Naumann, ZfS 2010, 482). Dass es insoweit nicht entscheidend auf die Tiefe der Haut­verletzung ankommt, wird dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dadurch verdeutlicht, dass nach den Bedingungen ausdrücklich als Beispiels­fälle für geringfügige Haut­verletzungen Insektenstiche oder Insekten­bisse angeführt sind, obwohl hierdurch regelmäßig alle drei Haut­schichten durch­drungen werden (vgl. OLG Koblenz, aaO). Die Wertung, ob eine Haut­ver­letzung als geringfügig anzusehen ist, beurteilt sich deshalb nicht in erster Linie nach der Tiefe oder der oberflächlichen Ausbreitung der Verletzung, sondern danach, ob ein Verletzungsbild entstanden ist, das – objektiv und nicht lediglich aus der subjektiven Sicht des jeweiligen Versicherungsnehmers gesehen – Veranlassung gibt, sich in ärztliche Behandlung zu begeben.

    Ausgehend von diesen Grundsätzen steht vorliegend nach dem Ergebnis der erstinstanzlich durchgeführten Beweisaufnahme nicht fest, dass durch das Eindringen der Schraube in den rechten Fuß der Ehefrau des Klägers eine mehr als nur geringfügige Hautverletzung entstanden ist. Der Zeuge M hat bekundet, die Schraube sei mit einem Durchmesser von geschätzt 2-3 mm in den Fuß eingedrungen. Dazu, wie tief der Einstich war, haben beide Zeugen keine konkreten Angaben machen können. Die Schraube musste auch nicht aus dem Fuß herausgezogen werden, wie die Zeugin M bekundet hat. Dass Blut ausge­treten ist und sich ein blauer Fleck gebildet hat (dies allerdings erst nach 2 Tagen und zudem an der Außenseite des Fußes, wie die Zeugin M bekundet hat), ist nicht von maßge­bender Bedeutung. Wesentlich ist, dass nach den Bekundungen der Zeugin M die Wunde nicht nachgeblutet hat, nur desinfiziert werden musste und lediglich mit einem Pflaster versorgt wurde. Bei dieser Sachlage bestand objektiv keine Veranlassung, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anlass, einen Arzt aufzusuchen, hat die Zeugin M denn auch erst gesehen, nachdem am Abend des übernächsten Tages nach dem Vorfall eine Erwär­mung und Rötung des Fußes sowie Fieber aufgetreten sind.

    Darauf, wie tief die Schraube tatsächlich in den Fuß eingedrungen ist, kommt es - wie schon ausgeführt - nicht entscheidend an. Im Übrigen steht nicht einmal fest, dass die Schraube alle drei Hautschichten durchdrungen hat. Es kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass die Schraube – wie mit der Berufung vorgetragen – 1 cm aus dem Schuh herausgeragt hat und auch dementsprechend tief in den Fuß eingedrungen sein muss, denn die Bekun­dungen der Zeugen gehen nur dahin, dass die Schraube „ca. 1 cm“ (Zeuge M) bzw. „ca. 0,5 bis 1 cm“ (Zeugin M) aus der Lauffläche des Schuhs ragte. Zu Lasten des beweispflichtigen Klägers ist angesichts dieser Angaben eine Eindringtiefe von nicht mehr als 0,5 cm zugrunde zu legen. Dann waren aber nach dem eigenen Vortrag des Klägers nicht zwingend alle 3 Haut­schichten durchdrungen. Unabhängig davon ist die Dicke der einzelnen Hautschichten bei jedem Menschen verschieden; die Unterhaut kann eine Dicke von 2 bis 9 mm erreichen, die Oberhaut und Lederhaut zusammen eine Dicke zwischen 0,3 bis 6 mm (vgl. die Angaben bei Grimm, aaO). Darlegungen dazu, wie dick die einzelnen Hautschichten am rechten Fuß der Ehefrau des Klägers tatsächlich zum Unfallzeitpunkt waren, sind seinem Vortrag nicht zu entnehmen. Auch deshalb kommt die vom Kläger beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in Betracht.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

    Berufungsstreitwert: 8.400,- €