Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 04.01.2012 · IWW-Abrufnummer 114281

    Landgericht Bielefeld: Urteil vom 31.03.2011 – 7 O 329/10

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    7 O 329/10

    Tenor:
    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 1.100,00 - abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

    Tatbestand
    Die Parteien schlossen am 25.01.1999/21.12.1999 einen Vertrag über eine fondsgebundene Lebensversicherung. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Vertragsunterlagen ausgehändigt wurden.

    Während der Vertragsdauer zahlte die Klägerin Zinsen in Höhe von 5.470,91 - ein. Die Klägerin kündigte den Vertrag mit sofortiger Wirkung mit Schreiben vom 01.12.2008. Daraufhin erstattete die Beklagte der Klägerin den Rückkaufswert in Höhe von 2.949,44 -.

    Mit Schreiben vom 02.02.2010 meldet sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten und bat um Überprüfung des Rückkaufswertes. Unter dem 17.12.2010 ließ die Beklagte der Klägerin eine Aufstellung der Beiträge zukommen.

    Mit Schreiben vom 15.03.2010 widersprach der Prozessbevollmächtigte der Klägerin dem Vertragsschluss.

    Die Klägerin ist der Auffassung, der zugrunde liegende Vertrag sei unwirksam, so dass die Beklagte verpflichtet sei, die Prämien und gezogenen Zinsvorteile aus Bereicherungsrecht gemäß §§ 812 I 1, 818 I BGB zu erstatten. Ein wirksamer Vertrag liege nicht vor, da die allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht wirksam gemäß § 305 II Nr. 2 BGB Vertragsbestandteil geworden seien. § 305 BGB werde auch nicht durch § 5a VVG verdrängt. Eine entsprechende Auslegung widerspreche Gemeinschaftsrecht. Darüber hinaus habe die Klägerin dem Vertrag wirksam widersprochen. Da der Klägerin die Verbraucherinformationen nicht bei Vertragsschluss vorgelegt worden seien, stehe ihr ein 30-jähriges Widerspruchsrecht zu. § 5 a II S. 4 VVG, der das Widerspruchsrecht auf einen Zeitraum von einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie beschränke, verstoße gegen Europäisches Recht. Das Fehlen der notwendigen Vertragsunterlagen könne nicht durch nachträgliche Übersendung geheilt werden. Widerruf und Kündigung würden sich auch nicht ausschließen, so dass trotz Kündigung der Klägerin der Widerruf gemäß § 5a VVG möglich sei.

    Zudem seien die Vertragsbedingungen, die AVB, in ihrem wesentlichsten Teil intransparent, so dass der Lauf der Frist nicht in Gang gesetzt werde. In den AVB sei die Berechnung des Rückkaufswertes nicht erkennbar, auch seien die Bestimmungen zur Abschlusskostenverrechnung und Überschussbeteiligung unwirksam, da für den Verbraucher nicht erkennbar und verständlich.

    Des Weiteren habe die Beklagte vorvertragliche Nebenpflichten verletzt und die Klägerin falsch beraten. Die Klägerin sei durch den Versicherungsagenten unzureichend aufgeklärt worden. Schließlich folge ein Recht zum Widerruf aus §§ 499 II, 501, 495 I, 355 I, 357 I 1, 346 I BGB. Der Versicherungsvertrag stelle aufgrund des vereinbarten Ratenzuschlages gleichzeitig ein Teilzahlungsgeschäft dar, auf das die verbraucherrechtlichen Widerrufsvorschriften Anwendung finden würden. Ferner sei der Vertrag auch unter dem Gesichtspunkt der nicht vom Agenten offengelegten Prämien von der Anlagegesellschaft zur Beklagten unwirksam. Die Verwendung der an die Beklagte zurückgeflossenen Provisionen sei nicht mitgeteilt worden, so dass die Grundsätze der Kick-Back-Rechtsprechung Anwendung finden würden.

    Die Beklagte sei ferner zur Erstattung der ihr entstandenen außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 788,02 - verpflichtet.

    Die Klägerin beantragt,

    die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.470,91 - nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 788,02 - zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

    Die Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Sie behauptet, die Vertragsunterlagen, Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformation der Klägerin am 21.12.1999 überreicht zu haben. Jedenfalls so trägt sie vor, sei die Widerspruchsfrist nach § 5a II S. 4 VVG ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erloschen. § 5a II S. 4 VVG verstoße auch nicht gegen Europäisches Recht, wie dies in der Rechtsprechung in verschiedensten Entscheidungen festgestellt worden sei. Auch seien die Versicherungsbedingungen der Beklagten wie in verschiedensten Entscheidungen ausgeurteilt, nicht wegen Intransparenz unwirksam. Zudem habe die Klägerin durch Kündigung des Vertrages diesen erlöschen lassen, so dass ein Widerruf nicht mehr möglich sei. Auch ein Widerrufsrecht gemäß § 495 I, 355 BGB sei nicht gegeben, da kein Teilzahlungsgeschäft vorliege. Tarifzuschläge und unterjährige Zahlungen würden keinen Zahlungsaufschub darstellen. Die Rechtsprechung zu den Kick-Back Zahlungen sei nicht anwendbar, da die Vermittlung von Bankprodukten mit dem Abschluss von Versicherungsverträgen nicht vergleichbar sei.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Parteivorbringen nebst beigefügter Anlagen Bezug genommen.

    Entscheidungsgründe
    Die Klage ist unbegründet.

    Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung von 5470,91 - aus § 812 I S. 1 1 Alt. BGB.

    1.

    Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist wirksam zustande gekommen. Selbst wenn die AVB ( Allgemeine Versicherungsbedingungen) nicht übergeben wurden und die AVB nicht nach § 305 II BGB wirksam in den Vertrag einbezogen worden sein sollten, führt dies nicht zur Unwirksamkeit des gesamten Vertrages, da die gesetzliche Regelung des § 5 a VVG a.F. als Spezialregelung den Regeln zur Einbeziehung allgemeiner Geschäftsbedingungen nach §§ 305 f. BGB vorgeht ( Reiff VersR 1997, 267; LG Bielefeld 5 O 173/10).

    Die Vorschrift des § 5a VVG a.F. ist auch wirksam. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt die Regelung nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Die Kammer schließt sich insoweit den hierzu ergangenen Entscheidungen im Anschluss an die derzeitige obergerichtliche Rechtsprechung an ( vgl. des OLG Köln VersR 2011, 245 [OLG Köln 05.02.2010 - 20 U 150/09] mwN ; auch LG Köln 26 O 609/09 und LG Bielefeld 5 O 173/10 mit eingehender Begründung).

    Der Vertrag ist auch nicht durch den mit anwaltlichem Schreiben vom 15.03.2010 erklärten Widerspruch unwirksam geworden, da zum einen die Widerrufsfristen des § 5 a I, II S. 1 bzw. § 5 a II S. 2 VVG a.F. abgelaufen sind, unabhängig davon, ob der Klägerin die AVB ausgehändigt wurden oder sie über ihr Widerrufsrecht aufgeklärt wurde. Denn nach § 5 a II S. 4 VVG a.F. wird der schwebend unwirksame Vertrag spätestens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie wirksam. Ab diesem Zeitpunkt war das Widerrufsrecht der Klägerin ausgeschlossen. Auch insoweit sieht das Gericht im Hinblick auf die bislang ergangene obergerichtliche Rechtsprechung keine Beanstandung vor dem Hintergrund des Europäischen Rechtes.

    Zum anderen ist ein Widerrufsrecht ausgeschlossen, da der Vertrag bereits wirksam gekündigt worden ist und ein gekündigter Vertrag nicht mehr widerrufen werden kann. Die Kündigung hat zur Vertragsbeendigung geführt. Ein gekündigter Vertrag war im Zeitpunkt des Widerrufes somit nicht mehr existent ( so auch LG Bielefeld aaO).

    2.

    Der Vertrag ist auch nicht wegen intransparenter AVB nach § 306 III, 305 c BGB nichtig. Die AVB der Beklagten halten einer Inhaltskontrolle stand. Ausreichend ist, dass der Versicherungsnehmer erkennt, dass seine Überschussbeteiligung oder der Rückkaufswert schwanken kann, es ist nicht erforderlich, dass er diese im Voraus berechnen kann (BGH IV ZR 121/00). Wie sich aus dem Wesen der fondsgebundenen Lebensversicherung ergibt, können Rückkaufswerte und beitragsfreie Leistungen, die aus Investmentanlagen entstehen und von der Kapitalmarktentwicklung abhängen, nicht garantiert werden. Dass exakte Zahlen nicht genannt werden können, ergibt sich aus der Rückkaufswerttabelle, die über die Rückkaufswerte bei Kündigung und Beitragsfreistellung informiert. Dabei wird ausdrücklich auf die mit der Kündigung verbundenen Nachteile hingewiesen.

    Ob eine hinreichende Aufklärung über die Abschlusskosten erfolgt ist, kann offen bleiben. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, und die Abrechungsklausel intransparent wäre, würde die infolge einer intransparenten Abschlussverrechnungsklausel sich ergebende Vertragslücke durch ergänzende Vertragsauslegung geschlossen, die Intransparenz hätte nicht die Nichtigkeit des Vertrages zur Folge ( BGH ZR 162/03; LG Bielefeld aaO).

    3.

    Der Kläger hat auch kein Widerrufsrecht nach §§ 495 I, 501 BGB aF, da es sich bei einem Lebensversicherungsvertrag mangels Finanzierungs- bzw. Kreditierungszweckes nicht um ein Teilzahlungsgeschäft gemäß § 501 BGB aF handelt (OLG Köln I -20 U 51/10).

    4.

    Die Klägerin hat auch keinen Anspruch aus §§ 311 II, 280 I BGB (culpa in contrahendo) wegen vorvertraglicher Pflichtverletzungen gegen die Beklagte. Die Ansprüche werden insoweit durch die speziellen Vorschriften der § 5a VVG aF verdrängt (vgl. OLG Hamm 20 U 105/05). Ansprüche der Klägerin sind auch nicht gemäß §§ 311 II, 280 I BGB gegeben unter dem Gesichtspunkt der sogenannten Kick back Rechtsprechung. Diese ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Voraussetzung für eine Anwendbarkeit dieser Rechtsprechung wäre, dass der Beratene ein gesteigertes Vertrauen in die Neutralität und Unabhängigkeit des Beraters hat. Soweit die Klägerin vorträgt, sie sei nicht hinreichend über Innenprovisionen aufgeklärt worden, ist ihr Vorbringen schon unsubstantiiert. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, in wieweit die Beklagte ein gesteigerte Vertrauen in die Klägerin gesetzt haben soll. Vielmehr hat sie mit der Klägerin nur einen Versicherungsvertrag geschlossen, die Fonds hat dagegen die Beklagte selbst erworben (vgl. LG Bielefeld 5 O 173/10).

    Da der Hauptanspruch nicht begründet ist, steht der Klägerin auch kein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu.

    Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

    RechtsgebieteVVG, BGBVorschriften§ 5a Abs. 2 S. 4 VVG a.F. § 305c BGB § 306 Abs. 3 BGB