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  • 24.08.2011 · IWW-Abrufnummer 112759

    Verwaltungsgericht Aachen: Urteil vom 14.04.2011 – 1 K 1203/09

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Verwaltungsgericht Aachen

    1 K 1203/09

    Tenor:
    Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der P. S. vom 00.00.0000 sowie deren Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 verpflichtet, die Erkrankung der Klägerin an einer Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm als Berufskrankheit im Sinne der Nr. 2101 der Berufskrankheitenliste anzuerkennen.
    Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
    Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
    T a t b e s t a n d :

    Die am 24. Januar 1972 geborene Klägerin steht als Steueramtfrau bei dem Finanzamt E. im Dienst des Beklagten. Nach Eintritt in die Finanzverwaltung im August 1991 erfolgte ein Ersteinsatz in der Veranlagungsstelle. Vom 4. Dezember 1994 bis zum 31. August 2003 war sie im Arbeitsgebiet "Vollstreckung/Erhebungsstelle" tätig. Seit 1. September 2003 wird sie als Sachbearbeiterin in der Stelle für Informationstechnik (ITST) eingesetzt. Von Mai 2002 bis September 2003 war sie zu 80 % und seit dem 1. März 2005 zu 90 % teilzeitbeschäftigt.

    Am 14. August 2007 erstattete der Arzt für Chirurgie (plastische Chirurgie - Handchirurgie) Dr. med. X. C. aus F. im Fall der Klägerin eine "Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" an die Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen, die der Klägerin mit Schreiben vom 10. September 2007 einen Fragebogen bezüglich der bei ihr diagnostizierten Sehnenscheidenentzündung zukommen ließ. Nach Zusendung des ausgefüllten Fragebogens leitete die Landesunfallkasse Nordrhein-Westfalen die Anzeige mit Schreiben vom 8. Oktober 2007 an das Finanzamt E. weiter und wies darauf hin, dass die Klägerin als Beamtin von der Unfallversicherung befreit sei und zu dem Personenkreis gehöre, dem Unfallfürsorge im Rahmen des Beamtenversorgungsgesetzes zu gewähren sei. Dies veranlasste das Finanzamt E. , unter dem 6. November 2007 eine "Ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" an die Oberfinanzdirektion S. (OFD) zu erstatten. Auf Wunsch der P. schilderte die Klägerin unter dem 28. November 2007 ihre Erkrankung und die Art ihrer Tätigkeit. Sie führte aus, sie verrichte zu ca. 90 % sieben Stunden täglich Arbeiten am PC. Durch die ständig wiederkehrenden, gleichförmigen Bewegungen durch Bedienen der PC-Maus und -Tastatur seien bei ihr diverse gesundheitliche Beschwerden zunächst im rechten, später auch im linken Arm entstanden. Schmerzen bestünden sowohl an beiden Ellbogen, Unterarmen als auch in den Händen. Wegen der genauen Diagnosen fügte sie ein Attest des Dr. med. C. vom 27. November 2007 bei.

    Unter dem 19. November 2007 erteilte der Facharzt für Arbeitsmedizin, N. P1. , von der N1. S1. -S2. GmbH & Co. KG nach einer ergonomischen Beratung am Arbeitsplatz die Empfehlung, der Klägerin ein Gel-Mousepad und eine ergonomische Maus zur Verfügung zu stellen, die eine vertikale Handhaltung ermöglichten. Auf der Grundlage einer Untersuchung des Chefarztes der Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie und Brandverletzte an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik E1. , Dr. med. K. , gelangte das Gesundheitsamt des Kreises E. , das von der P. S. um eine amtsärztliche Stellungnahme gebeten worden war, zu dem Ergebnis, dass eine Berufserkrankung der Klägerin an beiden Armen (Epicondylitis humeri radialis beidseits, Tendovaginitis stenosans de Quervain rechts) im Sinne der Nr. 2101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (Berufskrankeitenliste) weder unter medizinischen noch unter arbeitstechnischen Voraussetzungen vorliege.

    Mit Bescheid vom 4. September 2008 lehnte die P. S. die Anerkennung der Sehnenscheidenentzündung der Klägerin als Berufserkrankung nach Nr. 2101 der Berufskrankeitenliste unter Hinweis auf das amtsärztliche Gutachten ab.

    Auf den Widerspruch der Klägerin vom 24. September 2008 holte die P. S. eine ergänzende Stellungnahme des Gesundheitsamtes des Kreises E. ein, das unter Hinweis auf eine ergänzende Äußerung des Dr. med. K. mit Bericht vom 14. April 2009 bei seiner bisherigen Einschätzung verblieb.

    Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2009 verwies die P. S. auf diese Einschätzung und wies den Widerspruch unter Wiederholung der Ausführungen aus dem Erstbescheid zurück.

    Die Klägerin hat am 2. Juli 2009 Klage erhoben. Sie verfolgt ihr Begehren auf Anerkennung der Sehnenscheidenentzündung als Berufserkrankung weiter und führt aus, seit den Monaten Juni/Juli 2000 habe sie überwiegend am PC gearbeitet, was zuvor nur in geringerem Umfang der Fall gewesen sei. Bereits kurze Zeit danach habe sie erste Schmerzen verspürt und sich in ärztliche Behandlung begeben müssen. Seit dieser Zeit leide sie an der Sehnenscheidenentzündung. Diese sei entgegen der Annahme des Dr. med. K. auch durch ein MRT belegt. Eine andere Ursache als die seit dem Jahr 2000 extrem gesteigerte PC-Arbeit sei nicht erkennbar. Nachdem ihr zwischenzeitlich ein leidensgerechter Arbeitsplatz eingerichtet worden sei und sie mit Sprachsteuerung und ohne Bedienung einer PC-Maus arbeiten könne, hätten sich die Beschwerden gebessert.

    Die Klägerin beantragt,

    den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der OFD S. vom 00.00.0000 sowie deren Widerspruchsbescheides vom 00.00.0000 zu verpflichten, ihre Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm als Berufserkrankung nach Nr. 2101 der Berufskrankheitenliste anzuerkennen.

    Der Beklagte beantragt,
    die Klage abzuweisen.
    Die Klägerin erfülle weder die verfahrensrechtlichen noch die materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung nach § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG. In formeller Hinsicht sei der Antrag verspätet gestellt worden. Gemäß der auch auf die Anerkennung einer Berufserkrankung anwendbaren Vorschrift des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG seien Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen könnten, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden. Dabei beginne der Lauf der gesetzlichen Melde- und Ausschlussfrist mit dem objektiven Auftreten der Krankheit, ohne dass es darauf ankomme, ob der Beamte erkannt habe, dass er sich eine Berufserkrankung zugezogen habe. Die Meldefrist habe für die Klägerin im Jahr 2000 begonnen, als die Erkrankung der Sehnenscheide erstmals aufgetreten sei. Eine Dienstunfallmeldung habe sie aber erst im Januar 2007 abgegeben. Sie könne sich nicht auf die Fristerleichterung des § 45 Abs. 2 BeamtVG berufen, weil sie auch die dreimonatige Meldefrist nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht eingehalten habe. Aus Abrechnungsunterlagen des Dr. med. C. gehe hervor, dass die Erkrankung bereits im Juni 2004 bekannt gewesen sei. Schon damals hätten sich somit Anhaltspunkte ergeben können, die eine Berufserkrankung möglich erscheinen ließen. Außerdem sei die Anerkennung einer Berufserkrankung zwischen dem behandelnden Arzt und der Berufsgenossenschaft offenbar bereits im Februar 2007 besprochen und abgerechnet worden. Damit hätten sich spätestens zu diesem Zeitpunkt ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die eine Berufserkrankung möglich erscheinen ließen. Die Unfallanzeige vom 5. November 2007 sei demgemäß verfristet erfolgt. Die Klägerin leide auch nicht an einer Berufskrankheit. Sie sei nämlich nicht einer Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen. Ein Erfahrungssatz des Inhalts, dass Bediensteten, die eine Tastatur und eine Computer-Maus in der von der Klägerin praktizierten Intensität nutzten, eine Erkrankung im Sinne der Nr. 2101 der Berufskrankeitenliste mit erheblich erhöhter Wahrscheinlichkeit drohe, lasse sich nicht feststellen. Zwar seien bundesweit im Jahr 2009 insgesamt 743 Verdachtsfälle einer Berufskrankheit nach Nr. 2101 der Anlage zur BKV angezeigt worden, es seien aber nur 19 Fälle anerkannt worden. Die Anerkennung einer Berufskrankheit setze den Nachweis einer Vielzahl von Referenzfällen entsprechender Erkrankungen aufgrund der jeweils schädigenden beruflichen Tätigkeit voraus, die nicht erbracht worden sei. Die Klägerin sei auch nicht gezwungen worden, alle Tätigkeiten zu unterlassen, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten, da sie weiterhin ihre bisherige Beschäftigung verrichte; hieran ändere auch nichts, dass sie seit dem 21. Januar 2011 wieder ununterbrochen dienstunfähig erkrankt sei.
    Die Kammer hat durch Einholung eines schriftlichen arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens des Direktors des Instituts für Arbeitsmedizin und Sozialmedizin des V. B. , Universitätsprofessor Dr. med. U. L. , Beweis über die Frage erhoben, ob es sich bei den Beschwerden der Klägerin um Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze handele, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein könnten (Berufskrankheitenliste Nr. 2101), bejahendenfalls, ob diese Erkrankungen allein oder mitursächlich durch die Erhöhung der PC-Arbeitszeiten der Klägerin ab Juli 2000 entstanden seien; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das arbeitsmedizinische Gutachten vom 13. Dezember 2010 verwiesen.
    Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Personalakten und Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
    Entscheidungsgründe:
    Die zulässige Klage ist begründet.
    Die Klägerin hat Anspruch auf Anerkennung ihrer Sehnenscheidenentzündung im rechten Arm als Berufskrankheit. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen sie in ihren Rechen, § 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

    Rechtsgrundlage für ihren Anspruch ist § 31 Abs. 3 Satz 1 des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG). Erkrankt ein Beamter, der nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung an bestimmten Krankheiten besonders ausgesetzt ist, an einer solchen Krankheit, so gilt dies als Dienstunfall, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Dienstes zugezogen hat. Nach Satz 3 bestimmt die Bundesregierung durch Rechtsverordnung die in Betracht kommenden Krankheiten. Die Klägerin leidet an einer solchen Erkrankung (1.), gehört zu einem besonders gefährdeten Personenkreis (2.) und hat die Anerkennung als Berufskrankheit rechtzeitig geltend gemacht (3.).

    1. Die Erkrankung der Klägerin ist in der seit dem 1. Dezember 1997 als Anlage zu der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 erlassenen Berufskrankheitenliste (BGBl. I 2623, 2625) aufgeführt. Deren Nr. 2101 erfasst Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können. Sowohl nach den Feststellungen ihres behandelnden Arztes Dr. med. C. als auch nach dem vom Gericht eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. U. L. leidet die Klägerin seit dem Jahr 2001 an einer Tendovaginitis de Quervain, an einer Epicondylitis humeroradialis beidseits mit Zustand nach operativer Versorgung rechts sowie an einem Zustand nach Sulcus-ulnaris-Syndrom rechts mit operativer Versorgung im Juli 2004. Diese Erkrankung wird von Nr. 2101 der Berufskrankheitenliste erfasst.
    2. Die Klägerin war der Art ihrer dienstlichen Verrichtung nach der Gefahr der Erkrankung an einer Sehnenscheidenentzündung auch besonders ausgesetzt. Bei der Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals kommt es nicht auf den allgemeinen Inhalt der Dienstaufgaben der Klägerin an. Entscheidend ist vielmehr die von ihr konkret ausgeübte dienstliche Verrichtung,
    vgl. Bauer in: Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Lose-Blatt-Sammlung Stand: Oktober 2010, Erläuterung 16 Nr. 4.1.1 zu § 31.
    Die besondere Gefahr der Erkrankung muss für gerade diese dienstliche Tätigkeit typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestehen, d. h., die konkrete dienstliche Tätigkeit muss ihrer Art nach erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit gerade dieser Erkrankung in sich bergen,

    vgl. Plog/Wiedow, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz mit Beamtenversorgungsgesetz, § 31 Rn. 187 m. w. N.; Brockhaus in: Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Lose-Blatt-Sammlung Stand: August 2008, § 31 BeamtVG Rn. 169 m. w. N.
    Maßgebend ist damit, ob die konkret ausgeübte dienstliche Verrichtung ihrer Art nach und im Besonderen nach den zur fraglichen Zeit tatsächlich bestehenden Verhältnissen und Begleitumständen die besondere Gefährdung mit sich gebracht hat,

    vgl. Wilhelm in: GKÖD, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Lose-Blatt-Sammlung Lieferung 1/11, O § 31 Rn. 117.

    Dabei kommt es für die Prüfung, ob eine besondere Gefährdung in diesem Sinne vorgelegen hat, nicht auf die individuelle Veranlagung des einzelnen Beamten an, sondern darauf, ob die Tätigkeit selbst nach der - aus einer Vielzahl von Fällen gewonnenen - Erfahrung (generell) mit hoher Wahrscheinlichkeit unter den gegebenen Verhältnissen zu der infrage stehenden Erkrankung führt,

    vgl. Brockhaus, a. a. O., Rn. 170 m. w. N.

    So liegt der Fall hier. a) Die Annahme, dass die Klägerin zu einem Personenkreis zählt, der nach der konkreten Art der ausgeübten Tätigkeit besonders gefährdet ist, an einer Sehnenscheidenentzündung zu erkranken, findet ihre Stütze zunächst in zahlreichen Publikationen, nach denen die Sehnenscheidenentzündung als typisches Krankheitsbild bei solchen Personen festzustellen ist, die in einem hohen Maße für ihre berufliche Tätigkeit auf die Arbeit an einem Computer angewiesen sind. So findet sich in der online-Ausgabe der Apotheken-Umschau unter der Rubrik "Krankheiten A-Z" die Feststellung: "Zweite Hauptursache: Computerarbeit. Wer den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt und immer mit der gleichen Hand bzw. denselben Fingern Maus und Tastatur bedient, kann diese Körperteile chronisch überlasten." (www.apotheken-umschau.de). In dem Internetauftritt "ak-medizin" findet sich unter dem Stichwort "Sehnenscheidenentzündung, Krankheit unserer Zeit" die Bemerkung, dass die Belastung der Sehnen am Arbeitsplatz oft durch Schreibarbeiten, vor allem an Tastaturen, erfolgt (www.ak-medizin.de/sehnen). Der Internetdienst "Onmeda: Medizin und Gesundheit" weist darauf hin, dass die falsche Computer-Maus oder eine falsch eingestellte Tastatur häufig Faktoren seien, die eine übermäßige Reibung und eine nachfolgende Sehnenscheidenentzündung begünstigen, was dazu geführt habe, dass diese Erkrankung in der Zwischenzeit als Berufskrankheit anerkannt worden sei. Zu den betroffenen Berufsgruppen zählten unter anderem Menschen, die überwiegend am Computer arbeiteten, was die entsprechenden Entzündungen am Handgelenk begünstige (www.onmeda.de/krankheiten/sehnenscheidenentzündung.html). In dem Internetauftritt von Wikipedia heißt es hierzu, dass Fehlhaltungen oder eine unergonomische Ausstattung an Computerarbeitsplätzen zu einem manchmal umgangssprachlich als "Mausarm" bezeichneten Repetitive-Strain-Injury-Syndrom führen können. Häufig betroffene Berufsgruppen seien Schreibkräfte und Software-Entwickler (http://de.wikipedia.org/wiki/sehenscheidenentz%C3%BCndung).

    Dass eine langjährige dienstliche Tätigkeit an PC-Standard-Tastaturen und -Mäusen für die Entzündungen der Sehnenscheiden der Finger, wenn nicht die einzig denkbare, so doch die wesentliche mitwirkende Ursache sein kann, ist auch in der Rechtsprechung inzwischen anerkannt,

    vgl. VG Göttingen, Urteil vom 22.08.2006 - 3 A 38/05 -, juris.

    Dieser Entscheidung lag - in gleicher Weise wie hier - der Fall einer Beamtin zugrunde, die gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, Arbeiten mit Standard-Tastaturen und -Mäusen durchzuführen.

    Vor diesem Hintergrund erweist sich das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. med. U. L. vom 13. Dezember 2010 als nachvollziehbar und überzeugend. Die ihm durch Beweisbeschluss vom 8. Juli 2010 gestellte, an den Wortlaut der Nr. 2101 der Berufskrankheitenliste angelehnte Beweisfrage, ob es sich bei den Beschwerden der Klägerin um Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze handele, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben ursächlich waren oder sein können, hat er uneingeschränkt bejaht. Er führt aus, dass in Anbetracht der aktenkundigen Diagnosen, der ausführlich dargestellten Tätigkeitsbeschreibung und dem Beschwerdeverlauf ein Zusammenhang zwischen der beruflichen PC-Tätigkeit und der Schädigung der Klägerin im Bereich der oberen Extremitäten hinreichend wahrscheinlich sei. Des Weiteren legt er dar, dass sie durch die konkret von ihr durchgeführten dienstlichen Verrichtungen in einem höheren Maße als die übrige Bevölkerung einer besonderen Gefährdung durch die ab Mitte 2000 durchgeführten PC-Tätigkeiten ausgesetzt war. Die Kammer hat keine Veranlassung, an diesen sachverständigen Äußerungen zu zweifeln.

    b) Die Annahme, dass die Klägerin mit ihrer konkreten Tätigkeit der Gefahr einer Erkrankung der in Rede stehenden Art besonders ausgesetzt gewesen ist, wird nicht dadurch ernsthaft in Frage gestellt, dass den Angaben des Beklagten zufolge eine große Zahl von Bediensteten im Bereich der Finanzverwaltung in gleicher Weise wie die Klägerin Computer-Tastaturen und -Mäuse benutzt, ohne an einer Sehnenscheidenentzündung zu erkranken. Überprüfbare Zahlen und Belege hierfür hat der Beklagte nicht vorgelegt. Allein der Umstand, dass nach einem "Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheitengeschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2009" (BT-Drucksache 17/4300 vom 16.12.2010) von 743 im Jahr 2009 angezeigten Verdachtsfällen nach Nr. 2101 nur 19 Fälle als Berufskrankheit anerkannt worden sind, sagt nichts über die deutlich gesteigerte Gefährdung der mit PC-Tastaturen und -Mäusen arbeitenden Beschäftigten im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aus. Denn zum Einen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) nur solche Krankheiten in die Berufskrankheitenliste aufzunehmen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Allein die Aufnahme der Sehnenscheidenentzündung in die Berufskrankheitenliste spricht somit dafür, dass der Verordnungsgeber angenommen hat, dass es einem Personenkreis gibt oder geben kann, der für diese Erkrankung besonders anfällig ist. Dass es bisher nur wenige Bedienstete gibt, die sich unmittelbar auf die Bedienung der PC-Maus und der P'C-Tastatur als Ursache für ihre Erkrankung berufen, dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass der mögliche Ursachenzusammenhang noch nicht allgemein bekannt ist und die Anerkennung zahlenmäßig deshalb erst am Anfang steht. Immerhin liegt die Sehnenscheidenentzündung in dem genannten Bericht mit einer Anerkennungsquote von 1,2 vom Hundert der gemeldeten Verdachtsfälle aber an sechster Stelle der gesamten Anerkennungen, ohne dass erkennbar ist, wie viele Fälle aus dem Bereich der Finanzverwaltung stammen.

    c) Der Beklagte hat nicht dargelegt, dass sich die Klägerin die Erkrankung außerhalb des Dienstes zugezogen hat. So wie der Beamte im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG und auch für das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Abs. 3 dieser Vorschrift entsprechend den allgemeinen Beweisgrundsätzen den vollen Beweis für das Vorliegen der Erkrankung erbringen muss, ist der Beklagte gehalten, den Beweis dafür zu erbringen, dass die Erkrankung außerhalb des Dienstes verursacht worden ist,

    vgl. Wilhelm a.a.O., O § 31, Rdnr. 121; Bauer a.a.O., Rdnr. 16; Plog/Wiedow a.a.O., Rdnr. 192.

    Hierzu findet sich in den angefochtenen Bescheiden lediglich die Behauptung, dass die Erkrankung auf die bei der Klägerin vorliegende Fibromyalgie und auf anlage- bzw. konstitutionell bedingte Faktoren zurückzuführen sei, ohne dass dies hinreichend belegt wird. Soweit der Beklagte sich hierfür auf das Gutachten des Dr. med. K. vom 26. März 2008 und dessen Befund einer Fibromyalgie stützt, hat dieses dem gerichtlich bestellten Sachverständigen vorgelegen. Abgesehen davon, dass eine Sehnenscheidenentzündung nicht als Beschwerdebild dieser Krankheit genannt wird,

    vgl. beispielsweise Prof. Dr. med. Johann Bauer, www.fms-bauer.com/bauer/fragen/statistik/body_statistik.html,

    hat Prof. Dr. med. U. L. in seinem Gutachten ausdrücklich festgestellt, dass sich klinisch für das Vorliegen einer Fibromyalgie kein Anhalt ergeben habe. Begründete Zweifel an dieser Feststellung sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
    3. Die Anerkennung der Sehnenscheidenentzündung der Klägerin als Berufskrankheit im Sinne des § 31 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG scheitert nicht an einer verspäteten Meldung der Erkrankung. Allerdings greifen die Bestimmungen des § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG, wonach Unfälle, aus denen Unfallfürsorgeansprüche entstehen können, innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Jahren nach dem Eintritt des Unfalls bei dem Dienstvorgesetzten des Verletzten zu melden sind bzw. Unfallfürsorge nach Ablauf der Ausschlussfrist nur gewährt wird, wenn seit dem Unfall noch nicht zehn Jahre vergangen sind und gleichzeitig glaubhaft gemacht wird, dass mit der Möglichkeit einer den Anspruch auf Unfallfürsorge begründenden Folge des Unfalls nicht habe gerechnet werden können oder dass der Berechtigte durch außerhalb seines Willens liegende Umstände gehindert worden ist, den Unfall zu melden, nach ihrem Sinn und Zweck auch für Krankheiten, die unter den Voraussetzungen des § 31 Abs. 3 BeamtVG als Dienstunfall gelten,

    vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.08.1985 - 2 B 34.84 -, Buchholz 232.5 § 45 BeamtVG Nr. 1 und juris.
    Dabei beginnt der Lauf der in § 45 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 1 BeamtVG geforderten Meldefrist von zehn Jahren in dem Zeitpunkt, in dem der Beamte eine Krankheit feststellt, von welcher er annehmen kann, dass sie auf dienstliche Vorgänge zurückzuführen ist. Er muss in der rechtlichen Wertung, dass tatsächlich eine Berufskrankheit vorliegt, keine absolute Sicherheit haben. Diese Wertung ist vielmehr dem Dienstherrn vorbehalten. Die in § 45 Abs. 1 und 2 BeamtVG geregelten Fristen sind anzuwenden auf Unfälle (und Krankheiten), aus denen Unfallfürsorgeansprüche nach dem BeamtVG entstehen können. Dies spricht dafür, dass die Ausschlussfrist in dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, in dem der Beamte die Symptome der Erkrankung feststellt, von denen er annehmen konnte, dass sie auf dienstliche Vorgänge zurückzuführen waren,
    vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.09.1995 - 2 B 46/95 -, Buchholz 239.1 § 45 BeamtVG Nr. 3; juris Rn. 4.
    Hiernach ist bereits fraglich, ob die Klägerin die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG versäumt hat. Allerdings hat sie ihren eigenen Angaben zufolge die Symptome der Sehnenscheidenentzündung bereits seit Januar 2001 bemerkt, wie in dem Erhebungsbogen zu ihrer Unfallanzeige mitgeteilt. Aus den beigefügten ärztlichen Abrechnungen des Dr. med. C. lässt sich ein Beginn der Behandlung im Juli 2003 ersehen. Eine erste Operation erfolgte am 25. Juli 2003. Danach wäre im Zeitpunkt der Unfallmeldung durch das Finanzamt E. am 6. November 2007 die Zwei-Jahres-Frist verstrichen.
    Allein das Bemerken der Symptome einer Sehnenscheidenentzündung löst indes weder den Beginn der zweijährigen noch der zehnjährigen Meldefrist des § 45 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG aus. Vielmehr musste der Klägerin bewusst sein, dass diese Erkrankung eine Berufskrankheit sein konnte. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass - wie auch in ihrem Fall - die vermehrte Arbeit mit PC-Tastaturen und -Mäusen in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen hat. Zuvor fielen diese Tätigkeiten gar nicht oder jedenfalls in geringerem Umfang an. Ein Zusammenhang zwischen diesen Verrichtungen und dem Auftreten von Sehnenscheidenentzündungen wurde seinerzeit eher nicht hergestellt. Wie die vorgenannten Veröffentlichungen belegen, änderte sich dies mit der Zunahme der Computertätigkeit, die dazu führte, dass heute zahlreiche Beschäftigte in Büros den absolut größten Teil ihrer Tätigkeit am PC verrichten. Einen entsprechenden Zusammenhang hat Dr. med. C. erstmals in seiner "Ärztlichen Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit" vom 14. August 2007 gegenüber der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft dargelegt. Mit Eingang dieser Anzeige (über die Landesunfallkasse) bei dem Finanzamt E. am 11. Oktober 2007 lag eine förmliche Unfallanzeige vor, mit der die Drei-Monats-Frist des § 45 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG gewahrt wurde.
    Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO iVm §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.