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  • · Fachbeitrag · Unfallversicherung

    Daumen in der Kreissäge: (un)freiwillige Gesundheitsbeschädigung?

    von RA Marc O. Melzer, FA für Medizin-, Sozial- und Versicherungsrecht, Bad Lippspringe

    Steht ein Unfallereignis fest, muss die „Freiwilligkeit“ vom VR nach den strengen Maßstäben des § 286 ZPO bewiesen werden. Dieser Nachweis kann ungeachtet dessen auch mit Indizien geführt werden, die allerdings vernünftigen Zweifeln Schweigen gebieten müssen (OLG Schleswig-Holstein 23.6.11, 16 U 134/10, Abruf-Nr. 113700).

    Sachverhalt

    Am 9.4.06 sägte sich der Lebensgefährte der Klägerin beim Brennholzmachen in einem abgelegenen Ferienhaus in Polen mit einer Tischkreissäge den rechten Daumen ab. Finger wurden dabei nicht verletzt. Das Amputat blieb unauffindbar. Die Klägerin begehrte Invaliditätsleistungen für den Verlust des Daumens in Höhe von 100.000 EUR aus zwei Unfallversicherungsverträgen, die sie zugunsten ihres Sohnes und ihres Lebensgefährten am 15.3.06 mit Beginn zum 1.4.06 beantragt hatte. Den Versicherungsschein erhielt sie erst nach Eintritt der Gesundheitsbeschädigung. Nach Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens verweigerte der VR die Regulierung. Der Lebensgefährte habe sich die Verletzung freiwillig beigebracht.

     

    Das LG Kiel wies die Klage ab. Gegen eine Unfreiwilligkeit des Geschehens spräche die isolierte Verletzung nur des Daumens ohne Begleitverletzungen am Zeigefinger. Die Einnahme ausgerechnet der für den glatten Abschnitt des Daumens erforderlichen „Exekutionshaltung“ sei unwahrscheinlich. Auch lägen vier untereinander abweichende Darstellungen zu dem angeblichen Unfall vor. Daneben sprächen auch der Abschluss gleich zweier Unfallversicherungen mit erheblichen Versicherungsleistungen bei finanziellen Schwierigkeiten der Familie, zwei Haftanordnungen gegen den Lebensgefährten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung im November 2005 und die Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse am 14.3.06 für einen absichtlich herbeigeführten Versicherungsfall. In die gleiche Richtung deute das angebliche Verschwinden des Amputats, ein häufiger Begleitumstand bei selbst beigebrachten Verletzungen.