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  • · Fachbeitrag · Private Unfallversicherung

    Die Kriegsklausel in der privaten Unfallversicherung:Leistungsfälle von Soldaten auf Auslandseinsätzen

    von Manuel Steinmetz, Spartenverantwortlicher Unfallversicherung, Janitos Versicherung AG, Heidelberg

    | Aufgrund der international veränderten Sicherheitslage wird die Bundeswehr auch außerhalb der Landesgrenzen regelmäßig zu friedenserhaltenden und friedenssichernden Maßnahmen eingesetzt. Derzeit sind nach Angaben der Bundeswehr etwa 6.200 Soldaten im Auslandseinsatz. In der Praxis stellt sich daher regelmäßig die Frage, wann Versicherungsschutz für Soldaten im Rahmen dieser Einsätze besteht und wann nicht. Um eine Einzelfallbeurteilung zu erleichtern, werden im Folgenden die Anspruchs- und Ausschlussvoraussetzungen erläutert. |

    1. Regelung in den AUB 2010

    Nach Ziffer 5.1.3. der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) 2010 sind Unfälle, die unmittelbar oder mittelbar durch Kriegs- oder Bürgerkriegsereignisse verursacht sind, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

     

    Die Beweislast, dass ein Unfallereignis mittelbar oder unmittelbar durch einen Krieg oder einen Bürgerkrieg entstanden ist, trägt der VR. Beweismaßstab ist § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO. Das strenge Beweismaß des § 286 ZPO erfordert nach ständiger Rechtsprechung des BGH einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Sinn und Zweck der Klausel ist es, die sich aus dem Krieg ergebenden unverhältnismäßig hohen und in ihrem Umfang nicht absehbaren Schäden vom Versicherungsschutz auszuschließen.

    2. Kriegs- oder Bürgerkriegszustand

    Der Ausschluss findet jedoch ausschließlich Anwendung, wenn ein Kriegs- oder Bürgerkriegszustand vorliegt und ein adäquater mittelbarer oder unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kriegsereignis und dem Unfall vorhanden ist.

     

    a) Begriffsbestimmung

    Eine nähere Definition der Kriegs- oder Bürgerkriegsereignisse sehen die AUB nicht vor. Insofern stellt sich zunächst die Frage, wie ein durchschnittlicher VN den Kriegsbegriff interpretiert. Nach herrschender Meinung ist aufgrund des Zwecks der Ausschlussbestimmung von einem Kriegsbegriff im versicherungsrechtlichen Sinne auszugehen. Die Grenzen sind, im Vergleich zum Kriegsbegriff im völkerrechtlichen Sinne, weiter zu ziehen. Krieg stellt jede organisierte militärische Gewaltanwendung zwischen zwei oder mehr Parteien dar, die über militärische Einzelaktionen oder Anschläge hinausgehen. Bei den Kriegsparteien ist es nicht maßgebend, dass diese als Völkerrechtssubjekte anerkannt sind.

     

    Bürgerkriege im Sinne der Klausel sind Aufstände und Widerstandsbewegungen gegen die herrschende Staatsgewalt, mit dem Ziel, diese zu beseitigen. Auch in diesen Fällen ist individuell zu prüfen, inwieweit durch die Widerstandsbewegungen die Sicherheitslage der Region so beeinträchtigt ist, dass sich typische Kriegsgefahren verwirklichen.

     

    Bei terroristischen Attentaten handelt es sich in der Regel um einzelne Anschläge. Die Kriegsklausel findet keine Anwendung, sofern ein Krieg nicht in Zusammenhang mit einem Terrorattentat steht. Eine genaue Prüfung wird erst erforderlich, wenn eine höhere Wahrscheinlichkeit in einer Region besteht, Opfer eines Anschlags zu werden oder eine Kriegspartei Terroraktionen belegbar billigt.

     

    b) Zeitliche und räumliche Begrenzung

    Ein Krieg im Sinne der AUB ist nicht zeitlich begrenzt. Eine typische Kriegsgefahr kann sich nämlich bereits vor einer Kriegserklärung, etwa durch eine Verminung von Straßen ergeben. Auch nach Kriegsende können sich typische Kriegsgefahren verwirklichen. Eine typische Kriegsgefahr nach unmittelbarem Kriegsende ergibt sich durch Minen, Blindgänger sowie der Einsturzgefahr von beschädigten Gebäuden. Diese Gefahren werden ebenfalls nicht vom Versicherungsschutz erfasst. Sobald sich die Zustände wieder konsolidiert haben, ist der Ausschluss aber nicht mehr anwendbar. Bei Unfällen durch Blindgänger aus lange zurückliegenden Kriegen besteht daher Versicherungsschutz.

     

    In räumlicher Hinsicht ist der Ausschlusstatbestand nicht ausschließlich auf das Gebiet der Kampftruppen oder der kriegsbeteiligten Parteien beschränkt. Oftmals sind die Territorien kriegerischer Auseinandersetzungen fließend. Maßgebend ist, ob sich ein Krieg auch auf die allgemeine Sicherheitslage der betreffenden Region auswirkt.

     

    c) Afghanistaneinsatz

    Die inhaltliche Bedeutung des Kriegs und des Bürgerkriegs ist wertungsbedürftig. Dies kann in der Praxis Probleme bei der Interpretation bereiten. Wie schwierig eine individuelle Einschätzung werden kann, hatte der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. in Zusammenhang mit dem Afghanistaneinsatz der Bundeswehr thematisiert. Ob die Situation in Afghanistan als „Krieg“ im Sinne der AUB zu bezeichnen ist, sei nämlich nicht unproblematisch, da hierzu auch in der Öffentlichkeit unterschiedliche Auffassungen und Terminologien benutzt werden. Oftmals wird eher von einem Friedens- oder Stabilisierungseinsatz gesprochen. Aufgrund der Wertungsbedürftigkeit des Begriffs besteht das Risiko, dass die Kriegsklausel als unklar eingestuft wird. Damit könnte sie als unwirksam angesehen werden. Die aktuellen Verhältnisse in Afghanistan dürften als Krieg zu qualifizieren sein.

     

    d) Praxishinweis

    Bei Unklarheiten für die versicherungsrechtliche Einschätzung bieten die Einschätzungen des Auswärtigen Amts eine gute Hilfestellung. Die Sicherheitshinweise für alle Regionen sind auf der Homepage des Auswärtigen Amtes unter www.auswaertiges-amt.de abrufbar.

    4. Ursächlicher Zusammenhang

    Die Klausel umfasst keine Unfälle, die sich in gleicher Weise auch im Frieden ereignet hätten.

     

    Beispiel | Beim Sturz eines Soldaten im Feldlager während eines Auslandseinsatzes spielt es somit keine Rolle, ob ein Kriegszustand vorliegt. In diesem Fall besteht weiterhin voller Versicherungsschutz.

     

    Der Ausschluss findet nur Anwendung, wenn ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Krieg nachgewiesen werden kann. Das Schadenereignis muss in diesem Zusammenhang für den Krieg typisch sein.

     

    Beispiel | Dies ist beispielsweise bei einem Unfall durch einen Schusswechsel der Fall. Es kommen insbesondere Unfälle in Betracht, die durch Kampfhandlungen entstanden sind.

     

    Schwieriger ist die Frage des ursächlichen Zusammenhangs aber in Zusammenhang mit den „nur“ mittelbar durch Kriegsereignisse verursachten Schäden zu beantworten. Für den Ausschluss muss auch bei einer mittelbaren Verursachung immer ein adäquater Zusammenhang vorliegen, der sich aus dem Wesen des Kriegs ergibt und das Schadenereignis muss deutlich als Kriegsfolge erkennbar sein.

     

    Beispiel | Solch ein mittelbarer adäquater Zusammenhang liegt beispielsweise bei Unfällen durch Kriminelle oder plündernde Kampftruppen während des Zusammenbruchs der staatlichen Ordnung vor. Er entfällt aber, sofern Sicherheitskräfte die öffentliche Ordnung unter Kontrolle haben oder diese wiederhergestellt wurde.

    5. Fazit

    Ob die Kriegsklausel auf Auslandseinsätzen greift, ist zusammenfassend davon abhängig, in welcher Region sich der Soldat befindet. In der betreffenden Region muss ein Kriegs- oder Bürgerkriegszustand vorliegen. In Afghanistan dürfte dies aktuell zu bejahen sein. Bei einer Stationierung in Bosnien oder im Kosovo ergibt sich jedoch eine andere versicherungsrechtliche Bewertung. Hier besteht kein Krieg mehr und es liegt ein konsolidierter Zustand der Sicherheitslage vor. Für den Ausschluss muss zudem ein unmittelbarer oder mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Kriegsereignis und dem Unfall vorliegen. Die alltäglichen Gefahren des Alltags, die sich beispielsweise durch unwegsames Gelände ergeben, werden von dem Ausschlusstatbestand auch nicht in Krisengebieten erfasst.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Ausschlussklausel: Gefahren einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung, BGH VK 12, 29
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 160 | ID 42245616