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  • · Fachbeitrag · Kfz-Haftpflichtversicherung

    Haftpflichtprozess muss für Deckungsklage gegen den Haftpflicht-VR nicht abgewartet werden

    von RA Sascha Conradi LL.M., FA Versicherungs- und Verkehrsrecht, Bochum

    • 1. Hat der Kfz-Haftpflicht-VR im Verkehrsunfallprozess gegen den mitversicherten und mitverklagten Fahrer (nachfolgend: Kläger) den Vorwurf eines versuchten Versicherungsbetrugs (Unfallmanipulation) erhoben, so muss er den Kläger im Rahmen seiner Rechtsschutzverpflichtung von den Kosten für die Vertretung durch einen eigenen Rechtsanwalt freihalten, obwohl er ihm als Streithelfer beigetreten ist und sein Prozessbevollmächtigter auf diesem Wege für beide Klageabweisung beantragt hat.
    • 2. Erhebt der Kläger bereits vor Abschluss des Haftpflichtprozesses Klage auf Feststellung, dass der Kfz-Haftpflicht-VR Kostendeckung zu gewähren hat, so ist diese Klage zulässig und insbesondere besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Feststellungsklage.

    (LG Bochum, Hinweisbeschluss 1.10.14, I-9 S 108/14, Abruf-Nr. 143194)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Die VN hatte als Fahrerin eines beim beklagten VR haftpflichtversicherten Fahrzeugs einen Verkehrsunfall verursacht.

     

    Nachdem der Haftpflicht-VR der VN vorgerichtlich die Regulierung des Schadens verweigerte, verklagte der Geschädigte vor dem LG Bochum sowohl die VN als auch den Haftpflicht-VR gesamtschuldnerisch auf Schadenersatz. Der VR war der Auffassung, der Unfall sei gestellt worden. Er beantragte für sich Klageabweisung und trat darüber hinaus dem Rechtsstreit aufseiten der VN als Nebenintervenient bei. Auch hier beantragte er insoweit Klageabweisung.

     

    Nachdem der VR den Vorwurf einer Unfallmanipulation erhoben hatte, mandatierte die VN ihren Prozessbevollmächtigten. Dieser bestellte sich zunächst im Haftpflichtprozess für die VN. Gleichzeitig forderte er den VR auf, Kostendeckung zu bestätigen. Dieses Ansinnen wurde vom VR abgelehnt. Begründet wurde dies mit dem Hinweis darauf, dass er alle notwendigen Erklärungen für alle Beklagten bereits abgegeben habe und ein weiterer Prozessbevollmächtigter nicht notwendig sei.

     

    Sodann, also noch während des laufenden Haftpflichtprozesses (dies ist die Besonderheit), erhob die VN Klage gegen den VR auf Feststellung, dass die Beklagte aus dem Kfz-Haftpflichtvertrag Rechtsschutzdeckung für den vor dem LG Bochum anhängigen Haftpflichtprozess gewähren müsse.

     

    Der VR meint insbesondere, dass es an dem notwendigen Rechtsschutzbedürfnis wegen der Bindungswirkung fehle. Würde nämlich im Haftpflichtprozess festgestellt werden, dass die VN und der Geschädigte kollusiv zusammengewirkt haben, so bestünde per se kein Anspruch auf Rechtsschutzdeckung. Dann sei der Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt worden. Kurzum: Die VN sei verpflichtet, den Haftpflichtprozess abzuwarten, bevor über die Verpflichtung zur Kostenübernahme zu entscheiden sei.

     

    Hiergegen wandte sich die VN und trug insbesondere vor, dass sie sich gerade wegen der Bindungswirkung bereits effektiv im Rahmen des Haftpflichtprozesses mit einem eigenen Prozessbevollmächtigten verteidigen müsse. Hierfür sei es notwendig, dass die Frage der Kostendeckung bereits während des laufenden Haftpflichtprozesses geklärt sei.

     

    In der ersten Instanz gab das Amtsgericht Bochum der Feststellungsklage der VN statt. Die hiergegen vom VR eingelegte Berufung blieb ohne Erfolg, denn aufgrund eines Hinweisbeschlusses des LG Bochum nahm der VR die Berufung zurück.

     

    Das LG Bochum führte in dem Hinweisbeschluss aus, dass die vom VR eingelegte Berufung offensichtlich keine Erfolgsaussicht habe.

     

    Zur Begründung insbesondere zum Rechtsschutzbedürfnis führte das LG aus, dass die VN nicht ausreichend dadurch geschützt sei, dass der Haftpflichtprozess Bindungswirkung für einen späteren Deckungsprozess entfalte. Vielmehr müsse sie sich gerade aufgrund dieser Bindungswirkung bereits im vorausgegangenen Haftpflichtprozess bestmöglich verteidigen können. Demzufolge dürfe das Verfahren auch nicht bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Haftpflichtprozess ausgesetzt bzw. eine dortige Entscheidung abgewartet werden.

     

    Praxishinweis

    Der BGH hat bereits grundsätzlich geklärt, dass der Kfz-Haftpflichtversicherer nicht nur für die Befriedigung berechtigter Haftpflichtansprüche aufkommen muss, sondern gleichrangig auch eine Rechtsschutzverpflichtung hat (15.9.10, IV ZR 107/09, Abruf-Nr. 103599, VK 11, 24).

     

    In dem vom BGH entschiedenen Fall war es aber so, dass die Deckungsklage erst nach Abschluss des Haftpflichtprozesses erhoben wurde. Hier war die VN aber nicht bereit, den Ausgang des Haftpflichtprozesses abzuwarten und sie erhob unverzüglich Deckungsklage gegen den Haftpflicht-VR. Zu Recht, wie das LG Bochum nunmehr entschied.

     

    Die Entscheidung ist für den Anwalt in prozessualer Hinsicht sehr hilfreich. Sie sorgt nicht nur für eine Beschleunigung des Verfahrens, sondern gibt zusätzliche Sicherheit auch in der das Mandat möglicherweise belastenden Honorarfrage.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zum Umfang der Rechtsschutzverpflichtung bei vermutetem Versicherungsbetrug: BGH VK 11, 24.
    Quelle: Ausgabe 12 / 2014 | Seite 210 | ID 43022648