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  • · Fachbeitrag · Betriebshaftpflichtversicherung

    Betriebshaftpflicht: Notwendige Vorarbeiten sind vom Versicherungsschutz mitumfasst

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    | Der Antragsteller einer Betriebshaftpflichtversicherung will regelmäßig seinen eigenen Betrieb auch dann versichern, wenn die dort anfallenden Arbeiten nicht in vollem Umfang mit einem üblichen Betrieb übereinstimmen. So hat es das OLG Stuttgart entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Der VN hatte für seinen Betrieb eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Dieser lagen die AHB und Besondere Bedingungen (BB) zugrunde, durch die einige Ausschlüsse der AHB mit geringeren Summen abbedungen waren. Im Versicherungsschein waren die versicherten Risiken so angegeben: „Herstellung, Lieferung, Montage von und Handel mit Betonfertigteilen und Betonwaren; Kranarbeiten; Generalunternehmer“.

     

    Der VN hatte es übernommen, eine Fassade einzumessen und entsprechend der Einmessung mit Betonfertigteilen zu versehen. Wegen eines Vermessungsfehlers war die Fassade mangelhaft. Überdies wurde beim Einmessen das Flachdach eines dafür benutzten anderen Gebäudes des Kunden beschädigt. Die spitzen Dorne an den Beinen des Vermessungsgeräts hatten Löcher in die Dachabdichtung gebohrt.

     

    Der VR hat Deckung für die vom Kunden geltend gemachten Ansprüche abgelehnt. Der eine Anspruch betreffe das unversicherte Erfüllungsinteresse. Zudem gehöre die Einmessung des Gebäudes nicht zum versicherten Risiko. Schließlich seien die Schäden am Dach des Nachbarhauses nach Ziff. 7.7. (2) AHB (Prölss/Martin Ziff. 7 AHB Rn. 60 ff.) vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Das LG hat der Klage stattgegeben.

     

    Entscheidungsgründe

    Das OLG Stuttgart hat die Berufung des VR zurückgewiesen (25.4.16, 7 U 215/15, Abruf-Nr. 187872).

     

    • Die schadenursächlichen Vermessungsarbeiten gehören zum versicherten Risiko. Das versicherte Risiko einer Betriebshaftpflichtversicherung bilden zwar grundsätzlich nur die im Versicherungsschein angegebenen Eigenschaften, Rechtsverhältnisse oder Tätigkeiten des VN. In den Schutzbereich fallen damit aber auch alle Tätigkeiten, die in innerem ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Betrieb stehen, wenn das zu deckende Wagnis betriebsbezogen ist (vgl. BGH VersR 87, 1181; OLG München VersR 82, 665; Prölss/Martin, a.a.O., Nr. 3-7.1.1 BetrH AT Rn. 3).
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    • Zu berücksichtigen ist der Wille bzw. die Vorstellung des durchschnittlichen VN, der seine betriebliche Tätigkeit gegen Haftpflichtrisiken versichert will. Er will mit seinem Versicherungsantrag regelmäßig zum Ausdruck bringen, dass nicht ein bestimmtes Berufsbild oder Betriebsmodell unabhängig von seiner tatsächlichen Ausgestaltung versichert werden soll. Er will vielmehr seine gewöhnliche Tätigkeit bzw. seinen realen Betrieb versichern (vgl. OLG Karlsruhe VersR 10, 1589).
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    • Die Risikobeschreibung im Versicherungsschein darf der VN so verstehen, dass auch die fraglichen Vermessungsarbeiten als notwendige Vorarbeiten vom Versicherungsschutz umfasst sind. Es handelt sich nicht um von den Bauarbeiten losgelöste selbstständige Vermessungsleistungen. Diese waren vielmehr zwingend erforderlich, um die vom versicherten Risiko ausdrücklich umfassten Tätigkeiten der Herstellung, Lieferung und Montage der Betonfertigteile erbringen zu können. Die Vermessung steht deshalb nach ihrem Zweck in innerem Zusammenhang mit den beschriebenen Risiken. Daher muss der VN die Beschreibung im Versicherungsschein so verstehen, dass zur Ausführung der ausdrücklich genannten Tätigkeiten zwingend notwendige Vorbereitungsarbeiten ebenfalls vom Versicherungsschutz umfasst sind und zwar auch dann, wenn sie selbstständig im Leistungsverzeichnis enthalten sind und gesondert honoriert werden.

     

     

    • Der Erfüllungseinwand (Ziff. 1.2 AHB) greift nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Schadenersatzanspruch statt der Leistung. Der Ausschluss erfasst nicht Schäden, die über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, etwa weil sie wegen mangelhafter Leistung an anderen Rechtsgütern des Vertragspartners des VN oder eines Dritten entstanden sind (vgl. BGH VersR 65, 325; Prölss/Martin Nr. 1 AHB Rn. 48). Da das angeblich beschädigte Flachdach nicht zu dem vom Auftrag umfassten Gebäude gehörte, liegt eine Beschädigung des sonstigen Eigentums der Auftraggeberin bei der Ausführung des Bauvertrags vor. Deshalb kommt eine Haftung auf Schadenersatz neben der Leistung gem. § 280 Abs. 1, § 278 BGB bzw. aus § 831 Abs. 1 BGB in Betracht.

     

    • Der VR kann sich auch nicht auf den Ausschluss der Ziff. 7.7. (2) AHB berufen. Zwar liegen die Voraussetzungen dieses Ausschlusses vor. Ist bei natürlicher Betrachtungsweise eine instrumentale Verwendung der fremden Sache anzunehmen, so kommt Ziff. 7.7. (2) AHB bei Beschädigung der Sache zum Zug. Wird insbesondere ein Gebäudedach als Arbeitsbühne benutzt und dabei beschädigt, so ist es Ausschlussobjekt (vgl. OLG München VersR 75, 608; Späte/Schimikowski, a.a.O., Rn. 219, 221; Prölss/Martin, a.a.O., Nr. 7 AHB Rn. 76). Letzteres ist hier der Fall. Gleichwohl ist der VR wegen der Schäden am Dach nicht leistungsfrei. Durch die BB ist die Höchstersatzleistung für derartige Tätigkeitsschäden auf 250.000 EUR je Versicherungsfall begrenzt.

     

    Bedeutung für die Praxis

    Zu Recht hat das OLG darauf hingewiesen, dass in der Betriebshaftpflichtversicherung nicht nur das Kerngeschäft des Betriebs versichert ist. Versichert sind vielmehr alle Tätigkeiten, die in dem versicherten Betrieb anfallen. Das gilt auch, wenn diese nicht typisch für einen solchen Betrieb sind.

     

    Betriebliche Leistungen müssen natürlich geplant werden. Planungsfehler, die zu einer mangelhaften Sache führen, sind deshalb versichert, weil diese in einem inneren, ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Betrieb stehen. Dass die Planungen gesondert vergütet werden sollten, schadet nicht. Anderenfalls wäre das Entgelt im Entgelt für das Gewerk enthalten gewesen. Wenn kein Versicherungsschutz bestanden hätte, wäre übrigens auch noch an Ziff. 4 AHB zu denken gewesen.

     

    Die Erfüllungsklausel (Ziff. 1.2 AHB) kam hier von vornherein nicht in Betracht. Der VN wollte nicht die Kosten für die notwendige, dieses Mal richtige Neuplanung ersetzt haben. Es ging vielmehr um Deckung für die vom Kunden geltend gemachten Ansprüche auf Schadenersatz wegen der mangelhaften Fassade und der Löcher im Dach des benachbarten Hauses.

     

    Beachten Sie | Das Ergebnis wäre sogar dasselbe, wenn die Schäden an dem Gebäude eingetreten wären, das mit der neuen Fassade versehen worden ist. Auch dann geht es nicht um einen Erfüllungsschaden. Streitpunkt wäre dann der Ersatz des am Eigentum des Kunden verursachten weiteren Schadens. Für den wäre in gleicher Weise § 280 BGB anwendbar gewesen.

     

    Bei Tätigkeitsschäden i. S. v. Ziff. 7.7 AHB muss immer geprüft werden, ob dieser Ausschluss in der Betriebshaftpflichtversicherung nicht abbedungen ist. Das ist regelmäßig, wenn auch eventuell mit ermäßigter Versicherungssumme, in den BB für den betreffenden Beruf der Fall. Diese müssen deshalb ausnahmslos eingesehen werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kein Versicherungsschutz für Haftung des VN auf Erfüllungsinteresse: OLG Karlsruhe VK 14, 63
    • Grenzen der Erfüllungsklausel: Mehrere verschiedene Aufträge in einem Vertrag: OLG Dresden VK 14, 113
    Quelle: Ausgabe 09 / 2016 | Seite 150 | ID 44217610