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  • 08.03.2010 | Unfallversicherung

    Weigerung an Neubemessung mitzuwirken muss keine Obliegenheitsverletzung sein

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    1. Der Tatrichter darf bei Vorlage eines Privatgutachtens - wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger - den Streit der Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem von ihnen den Vorzug gibt.  
    2. Aus dem allein vom VN einer Unfallversicherung nach § 11 IV AUB 88 fristgemäß vorbehaltenem Recht, die Neubemessung der Invalidität zu verlangen, erwächst für den VN nicht die Pflicht, eine solche Neubemessung tatsächlich herbeizuführen. Die Weigerung des VN, zum Zweck der Neubemessung einen vom VR benannten Arzt aufzusuchen, steht insoweit einem - zulässigen - Verzicht auf die Neubemessung gleich und verletzt nicht die Obliegenheit aus § 9 IV AUB 88.  
    (BGH 2.12.09, IV ZR 181/07, Abruf-Nr. 100223)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

    Der unter Geltung der AUB 88 unfallversicherte VN hatte nach einem Leitersturz eine Invaliditätsentschädigung geltend gemacht. 15 Monate später zahlte der VR nach Einholung eines Gutachtens die Versicherungsleistung nach einem Invaliditätsgrad von 30 Prozent. Der VN machte mit der Behauptung, er sei zu 80 Prozent invalide, weitere Leistungen geltend. Er rügte die Richtigkeit der Erstfestsetzung und forderte zugleich Neufestsetzung nach 15 Monaten. Nur zu Letzterem erklärte sich der VR bereit. Als der VR später die Neufestsetzung durchführen wollte, weigerte sich der VN, sich bei dem vom VR mit der Begutachtung beauftragten Arzt vorzustellen. Dabei blieb er unter Hinweis auf die angebliche Inkompetenz des Gutachters auch, als ihn der VR schriftlich auf § 9 IV AUB 88 und die darin geregelte Obliegenheit hingewiesen hatte, sich von Ärzten untersuchen zu lassen, die der VR beauftrage. Der VR hielt sich deshalb für leistungsfrei und betrachtete die Angelegenheit damit als endgültig erledigt.  

     

    Mit der Klage machte der VN weitere Invaliditätsleistungen nach einem Invaliditätsgrad von 80 Prozent geltend. Das LG hat die Klage abgewiesen. Das OLG hat nach Einholung eines Gutachtens die Invalidität auf 40 Prozent bemessen. Es hat der Klage unter Zurückweisung des Verteidigungsvorbringens (Leistungsfreiheit wegen Obliegenheitsverletzung) teilweise stattgegeben. Hiergegen richten sich die Revision des VN und die Anschlussrevision des VR. Der BGH hat auf die Revision des VN unter Zurückweisung der Anschlussrevision des VR das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das OLG zurückverwiesen.  

     

    Die Revision sei begründet. Der VN habe eine Vielzahl unterschiedlichster Beschwerden auf die bei dem Unfall erlittenen BWS- und LWS-Frakturen zurückgeführt. Das OLG habe die dazu vorgelegten - vagen - ärztlichen Stellungnahmen übergangen, indem es sie allein unter Hinweis auf Ausführungen des (teilweise fachfremden) gerichtlichen Gutachters zurückgewiesen habe.