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  • 08.06.2010 | Unfallversicherung

    Kürzungsmöglichkeit des VR, wenn Verschleiß mitursächlich für die Unfallfolgen war?

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    1. Der Unfall-VR kann seine Leistung nach § 8 AUB 88 kürzen, wenn degenerative Verschleißerscheinungen zu mindestens 25 Prozent an der durch ein Unfallereignis hervorgerufenen Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, auch wenn diese unfallunabhängige Vorschädigung bis zum Unfallereignis klinisch stumm verlaufen ist und den Versicherten nicht spürbar beeinträchtigt hat.  
    2. Das Anerkenntnis des Unfall-VR steht der Rückforderung materiell zu Unrecht gezahlter Gelder nicht entgegen.  
    (LG Dortmund 28.1.10, 2 O 235/09, Abruf-Nr. 101606)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN (AUB 88) hatte sich bei einem Unfall am Knie verletzt. Der VR zahlte, nachdem er gem. § 11 AUB 88 den Anspruch anerkannt hatte, das geltend gemachte Tagegeld für 130 Tage. Dann kam ein vom VR eingeholtes Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Arbeitsunfähigkeit (AU) nur zu 10 % auf den Unfall und zu 90 % auf unfallunabhängige, beim Unfall bereits vorhandene degenerative Knieschädigungen (Meniskushinterhornriss und ein Knorpelschaden 2. Grades) zurückzuführen sei. Der VN verwies darauf, dass ihn diese Vorschädigungen in keiner Weise beeinträchtigt hätten und machte die weiteren Ansprüche gerichtlich geltend. Der VR verlangte widerklagend 90 % der gezahlten Beträge zurück.  

     

    Das LG hat unter Klageabweisung der Widerklage im Wesentlichen stattgegeben. Mit fortschreitender Dauer der AU habe nach Angaben des Gerichtssachverständigen einerseits der Unfall als Ursachenanteil abgenommen. Andererseits hätten die degenerativen Vorschäden als Ursachenanteil so zugenommen, dass ab ca. 9 Monaten eine Mitursächlichkeit des Unfalls für die AU zu verneinen sei. Dies sei nach § 8 AUB 88 (ab einem Mitwirkungsgrad von 25 %) auch zu berücksichtigen, wenn die Vorerkrankungen bis zum Unfall „still“ gewesen seien, also keinerlei Probleme verursacht hätten. Das OLG Hamm (5.8.09, 20 U 57/09, Abruf-Nr. 100306, s.a. OLG Celle VK 10, 22) sähe das zwar anders. Zu folgen sei aber der überzeugenden Rechtsprechung des BGH (VK 10, 6). Danach liege immer ein Gebrechen i.S.v. § 8 AUB vor, wenn eine früher erlittene Körperverletzung auch ohne zwischenzeitliche Beschwerden die gesundheitlichen Folgen eines späteren Unfalls verstärke. Eine Leistungskürzung durch den Unfall-VR sei immer gerechtfertigt, wenn unfallfremde Ursachen an den Unfallfolgen im bedingungsgemäßen Ausmaß mitgewirkt haben. Unerheblich sei, ob sie die Funktionsfähigkeit des betroffenen Körperteils schon vor dem Unfall spürbar beeinträchtigt hätten.  

     

    Der VR könne die danach zu viel erbrachten Leistungen auch zurückfordern, wenn er das nach § 11 AUB vorgesehene Anerkenntnis abgegeben habe. Dies entspreche h.M. (OLG Oldenburg r+s 08, 524 und VersR 98, 1274; OLG Hamm VersR 06, 1674; OLG Frankfurt a.M. r+s 02, 85; OLG Schleswig VersR 95, 825; Jacob, VersR 10, 39). Das LG schließe sich dem, auch wenn diese Auffassung wegen des Wortlauts der vom VR gestellten Bedingung sehr bedenklich sei, im Interesse der Rechtssicherheit an.