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  • 04.02.2010 | Unfallversicherung

    Keine Kürzung der Leistung bei Mitursächlichkeit durch normalen Verschleiß

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte

    1. Der VN ist verpflichtet, den Nachweis der Ursächlichkeit eines Unfalls für die dadurch bedingte Gesundheitsschädigung zu führen (§ 1 III AUB 94). Dieser Nachweis kann nach sachverständiger Beratung auch dann geführt sein, wenn der VN bei einem Spaziergang auf die Schulter gestürzt ist und erst bei einer etwa 6 Monate später erfolgten Kernspintomografie eine Rotatorenmanschettenruptur festgestellt wird, soweit feststeht, dass es in der Zwischenzeit nicht zu einem weiteren Trauma gekommen ist.  
    2. Eine Rotatorenmanschettenruptur kann ausnahmsweise auch durch einen Sturz auf die Schulter mitverursacht sein, wenn bereits eine degenerativ verlaufende Verschleißerscheinung vorlag.  
    3. Eine Kürzung des Anspruchs nach § 8 AUB 94 kommt bei einem alterstypischen normalen Verschleißzustand nicht in Betracht. Ein im Unfallzeitpunkt 72-jähriger VN kann daher eine ungekürzte Zahlung aus der Unfallversicherung erhalten, wenn bei ihm der Anteil der degenerativen Vorschäden an den Unfallfolgen 80 Prozent beträgt, es sich nach sachverständiger Einschätzung hierbei aber um eine alterstypische Abnutzung handelt.  
    (OLG Celle 20.8.09, 8 U 10/09, Abruf-Nr. 100305)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe:

    Der VN (AUB 94) war bei Schnee ausgerutscht und auf die rechte Schulter gefallen. Sechs Monate später wurde eine Rotatorenmanschettenruptur kernspintomografisch festgestellt. Bei der unmittelbar nach dem Unfall durchgeführten Computertomografie waren nur degenerative Veränderungen diagnostiziert worden. Der VN führt die verbliebenen Dauerfolgen auf den Unfall zurück. Der VR hat einen bedingungsgemäßen Unfall und die Ursächlichkeit eines etwaigen Unfalls für die Gesundheitsbeschädigung bestritten. Er will ferner wegen erheblicher Vorschädigung der Rotatorenmanschette die Invaliditätsentschädigung kürzen.  

     

    LG und OLG haben der Klage auf Zahlung der Invaliditätsentschädigung in vollem Umfang entsprochen. Das Ausrutschen und Aufschlagen auf den Boden begründe einen Unfall. Dieser sei auch ursächlich für die Ruptur und damit für die eingetretene Invalidität. Dafür genüge Mitursächlichkeit neben einer (sei es auch weit überwiegenden) Mitursächlichkeit durch die vorliegende Vorschädigung. Eine solche sei gerade im Hinblick auf diese Vorschädigung nachgewiesen. Es liege zwar kein schweres Trauma vor, das grundsätzlich für eine Schädigung der Rotatorenmanschette erforderlich sei. Bei schwerer Vorschädigung könne aber schon ein für sich genommen leichter Sturz auf die Schulter ausreichen. Eine unfallunabhängige Schädigung, die bei einer erheblichen Vorschädigung ebenfalls in Betracht zu ziehen sei, könne hier ausgeschlossen werden. Der VN habe erst nach, aber andererseits doch bereits am Unfalltag Schmerzen verspürt. Die fehlende Bestätigung bei der CT könne nach den Erfahrungen des Sachverständigen auch andere Ursachen haben. Entgegen der Auffassung des VR komme auch keine Kürzung der Invaliditätsentschädigung in Betracht. Offen sei schon, ob klinisch stumme Verschleißerscheinungen überhaupt als Gebrechen bezeichnet werden könnten. Jedenfalls fehle es an einem Gebrechen. § 8 AUB 94 (entspr. Nr. 3 AUB 2008) finde daher keine Anwendung, wenn es sich bei den (sei es auch erheblichen) Verschleißerscheinungen um eine altersgerechte Vorschädigung handele. Hiervon sei, wie der Sachverständige ausgeführt habe, bei einer Sehnenschädigung eines 72-jährigen auch auszugehen, wenn der Umfang der Mitursächlichkeit der Vorschädigung an der Invalidität 80 Prozent betrage.  

     

    Praxishinweis

    Das Urteil belegt einmal mehr die Probleme, die regelmäßig entstehen, sobald Vorschädigungen bei einem Unfallereignis eine Rolle spielen.