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  • 04.02.2010 | Hausratversicherung

    Gewalt beim Raub aus einem Fahrzeug in Sizilien

    von RiOLG Dr. Dirk Halbach, Köln

    Zwingt ein Mopedfahrer mit einem Sozius nach gemeinsamem Plan den VN zum Anhalten seines Fahrzeugs in einer engen Gasse und reißt der Sozius die hintere Fahrzeugtür auf und nimmt dort Taschen weg, kann Raub vorliegen (LG Ulm 4.11.09, 1 S 129/09, Abruf-Nr. 100287).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN befand sich Ende September 2008 mit seiner Ehefrau im Urlaub auf Sizilien. Mit einem Mietwagen fuhren sie von Corona nach Catania. Hierbei verfuhr er sich und gelangte in eine enge Seitengasse. Dort fuhr ein Moped mit Fahrer und Soziusfahrer vor dem Fahrzeug des VN. Das Moped hielt an und zwang den VN, ebenfalls sein Fahrzeug anzuhalten. Der Soziusfahrer sprang ab, riss die hintere Fahrzeugtür auf, entnahm zwei unter einer Lederjacke liegende Taschen, sprang auf das gewendete Moped auf und beide flohen durch eine Seitenstraße. Der VN meldete den Vorfall der Polizei. Der VR lehnte eine Entschädigungszahlung ab. Das AG hat die Klage abgewiesen, weil von einem Trickdiebstahl auszugehen sei. Die Berufung des VN hatte überwiegend Erfolg.  

     

    Dem VN steht gegen den VR ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung zu, da ein in der Hausratversicherung gemäß § 5 Nr. 2 AL-VHB 2003 versicherter Raub vorliegt. Der zugrunde liegende Sachverhalt ist rechtlich als Raub zu qualifizieren, sodass ein Versicherungsfall vorliegt.  

     

    • Das Ausüben von „Gewalt“ liegt im Versperren des Wegs bzw. im Erzwingen des Anhaltens. Aufgrund der glaubhaften und nachvollziehbaren Angaben des VN sowie dessen Ehefrau in der mündlichen Verhandlung ist die Kammer davon überzeugt, dass es sich bei dem Halt des Mopeds nicht um einen „normalen Verkehrsvorgang“ gehandelt hat. Gewalt ist der physisch vermittelte Zwang zur Überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann auch ein psychisch wirkender Zwang als „Gewalt“ gewertet werden. Dies setzt aber eine gewisse körperliche Kraftentfaltung durch den Täter voraus. Mit Gewalt genötigt sind danach diejenigen Kraftfahrer, die - wie vorliegend - durch vor ihnen anhaltende Kfz an der Weiterfahrt gehindert werden, denn diese stellen für sie ein unüberwindliches physisches Hindernis dar.

     

    • Weitere Voraussetzung ist die Verknüpfung von Nötigung und Wegnahme. Die Gewalt muss Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Im Regelfall des Raubs besteht die Wirkung des Nötigungsmittels darin, dass körperlicher Widerstand überwunden oder aufgrund der Zwangswirkung unterlassen und dass hierdurch dem Täter ermöglicht wird, den Gewahrsam an der Sache zu brechen. Die Erzwingung der Duldung der Wegnahme muss dabei nicht alleiniger und nicht der zunächst bestimmte Zweck der Nötigungshandlung sein. Vorliegend war der VN durch das Versperren der Straße an der Weiterfahrt bzw. an der Flucht gehindert. Durch die Zwangswirkung wurde ein körperlicher Widerstand unterlassen und somit letztlich die Wegnahme ermöglicht. Es geht daher nicht um die in Literatur und Rechtsprechung umstrittene Konstellation, in der das Ausnutzen einer (abgeschlossenen mit vis absoluta) geschaffenen Zwangslage nach Beendigung der aktiven Gewalthandlung noch als Einsatz von Gewalt bzw. Drohung zum Zweck der Wegnahme angesehen werden kann, da die Gewaltanwendung - das Versperren des Wegs und somit die Möglichkeit der Weiterfahrt bzw. Flucht für den VN - zum Zeitpunkt der Wegnahme noch andauerte.