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  • 01.12.2007 | Haftpflichtversicherung

    Bindungswirkung eines Haftpflichturteils für den nachfolgenden Deckungsprozess?

    von VRiOLG a.D. Werner Lücke, Telgte
    1. Der Notar hat vor Beurkundung eines auf den wirtschaftlichen Erwerb von Immobilien gerichteten Vertrags darüber zu belehren, dass vor Eintragung einer Auflassungsvormerkung kein gesicherter Anspruch auf spätere Übertragung des Grundeigentums besteht und der Erwerber bis zu deren Eintragung Gefahr läuft, trotz Zahlung die in Aussicht genommene Immobilie nicht erwerben zu können. Unterlässt der Notar eine derartige Belehrung, begründet dies den Anscheinsbeweis für eine wissentliche Pflichtverletzung.  
    2. Das Haftpflichturteil entfaltet für den nachfolgenden Deckungsprozess nur insoweit eine Bindungswirkung, als Voraussetzungsidentität besteht. Dies ist der Fall, wenn sich eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage auch im Deckungsprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Würdigung als entscheidungserheblich erweist.  
    (LG Berlin 14.3.06, 7 O 81/05; Hinweisbeschluss KG 13.6.06, 6 U 67/06 Abruf-Nr. 073565)  

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Der VN (Notar) beurkundete den Beitritt des D. zu einem geschlossenen Immobilienfonds. Dabei unterließ er eine erforderliche Belehrung. Als das Fondsprojekt später scheiterte, nahm D. den VN wegen Pflichtverletzung erfolgreich in Anspruch. Nach Pfändung des Deckungsanspruchs verklagte er den Berufshaftpflicht-VR des Notars auf Zahlung des ausgeurteilten Betrags. Dieser berief sich auf Leistungsfreiheit wegen wissentlicher Pflichtverletzung (§ 4 Abs. 3 AVB, § 4 Nr. 5 AVB Vermögen).  

     

    Das LG hat die Klage abgewiesen. Der VN habe zudem seine Amtspflichten verletzt, weil er das Grundbuch nicht eingesehen habe. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass der VN als langjährig erfahrener Notar die Vertragsrisiken nicht erkannt und nicht gewusst habe, dass er den D. darüber wenigstens habe aufklären müssen. Das KG ist dem mit der Bemerkung beigetreten, dass eindeutige Verstöße gegen Notarpflichten den Anscheinsbeweis für ein bewusst pflichtwidriges Verhalten begründen.  

     

    Praxishinweis

    Im Haftpflichturteil war ausgeführt, der Notar habe schuldhaft, d.h. fahrlässig gehandelt. Nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung entfaltet diese Feststellung, falls man das überhaupt als Feststellung von Fahrlässigkeit werten kann, keine Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess. Eine solche kommt für Ausschlüsse (darum handelt es sich hier, BGH VersR 01, 1103 = r+s 01, 408) allenfalls in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Tatsachen für beide Prozesse entscheidend sind und dazu Feststellungen getroffen worden sind, die auch den Ausschlusstatbestand erfüllen oder ausschließen. Für die Entscheidung des Haftpflichtstreits kam es auf Wissentlichkeit nicht an, weil dafür Fahrlässigkeit ausreichte. Der Ausschluss war deshalb im Deckungsrechtsstreit zu prüfen.