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  • · Fachbeitrag · Versicherungsforderung

    In diesen Fällen ist die Mahnung der Folgeprämie bei mehreren Versicherungsnehmern unwirksam

    Die Fristsetzung wegen Zahlungsverzugs mit einer Folgeprämie gemäß § 39 Abs. 1 VVG a.F. (jetzt § 38 Abs. 1 VVG) muss bei einer Mehrheit von VN, auch wenn diese unter derselben Anschrift wohnhaft sind, durch gesonderte schriftliche Mitteilung gegenüber jedem VN erfolgen (BGH 8.1.14, IV ZR 206/13, Abruf-Nr. 140298).

     

    Sachverhalt

    Der Schuldner schloss gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin eine Risikolebensversicherung für verbundene Leben ab. Beide waren VN. Der VR wies mit einem an beide VN unter deren gemeinsamer Anschrift gerichteten Schreiben auf einen Beitragsrückstand in Höhe von 318,42 EUR hin. Er forderte den Ausgleich binnen zwei Wochen. Dabei wies er auf sein teilweises Leistungsverweigerungsrecht im Verzugsfall hin. Nach fruchtlosem Fristablauf kündigte der VR die Versicherung. Nachfolgend verstarb die Lebensgefährtin des Schuldners. Der VR lehnte Leistungen ab. Nachdem der Schuldner dann in Insolvenz geriet, macht der Insolvenzverwalter nunmehr die Versicherungsleistung geltend. Während das LG den VR antragsgemäß verurteilte, hat das OLG die Klage abgewiesen. Der BGH widerspricht dem OLG und stellt das Urteil des LG wieder her.

     

    Entscheidungsgründe

    Der beklagte VR ist nicht wegen Nichtzahlung der Folgeprämie gemäß § 39 Abs. 2 VVG a.F. leistungsfrei. Auf den Rechtsstreit findet noch das VVG in der bis zum 31.12.07 geltenden Fassung Anwendung, da der Versicherungsfall - der Tod der Lebensgefährtin des Schuldners - im Jahr 2008 eingetreten ist (Art. 1 Abs. 2 EGVVG).

     

    Merke | Die Rechtslage stellt sich nach dem neuen VVG nicht anders da. Die früher in § 39 VVG a.F. enthaltene Regelung findet sich nunmehr in § 38 VVG n.F.

     

    Der BGH zieht den wirksamen Zugang des qualifizierten Mahnschreibens und damit den Verzug nicht in Zweifel. Das Schreiben sei in den gemeinsamen Briefkasten gelangt, sodass die Möglichkeit der Kenntnisnahme bestanden habe. Die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft seien - wie Familienmitglieder - wechselseitig als Empfangsboten anzusehen. Das Mahnschreiben habe sich auch an beide VN gerichtet, woran auch die pauschale Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“, nichts ändere.

     

    Merke | Fehlt es an der ordnungsgemäßen Adressierung der Mahnung oder am Zugang, können aus § 38 VVG keine Rechtsfolgen hergeleitet werden. Der VR wird von der Leistungspflicht also nicht frei. Hierauf muss einerseits der VR vor der Versendung achten, andererseits der Bevollmächtigte des Anspruchstellers bei der Prüfung der Erfolgsaussichten.

     

    Der BGH sieht die Mahnung des VR gleichwohl als unwirksam an, weil ein an mehrere VN gerichtetes qualifiziertes Mahnschreiben gemäß § 39 VVG a.F. - Entsprechendes gilt für § 38 VVG n.F. - nicht in einem Schreiben zusammengefasst werden darf. Vielmehr muss der VR, selbst wenn die VN unter derselben Anschrift wohnen, an jeden von ihnen eine gesonderte qualifizierte Mahnung richten. Die notwendige Trennung hat der BGH schon früh im Zusammenhang mit § 12 Abs. 3 VVG a.F. gefordert, um die Klagefrist in Gang zu setzen (BGH VersR 61, 651). Wegen der schwerwiegenden Rechtsfolgen und der Selbstständigkeit der Ansprüche müsse jeder VN eine gesonderte Mitteilung erhalten (BGH VersR 88, 484). Bei einem einheitlichen Schreiben an beide VN bestehe die begründete Gefahr, dass es nur von einem VN tatsächlich zur Kenntnis genommen werde. Nachlässigkeit oder das Bestreben, die eigene Säumnis bei der Zuständigkeit für die Prämienzahlung verschweigen zu wollen, könnten hierfür Gründe sein.

     

    Dem steht auch nicht die Wertung des § 130 BGB entgegen. Zwar ist eine Willenserklärung bereits dann zugegangen, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt, dass dieser unter normalen Umständen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Gerade weil eine tatsächliche Kenntnisnahme für den Zugang gemäß § 130 BGB nicht erforderlich ist, muss aber als Ausgleich zumindest das qualifizierte Mahnschreiben gemäß § 39 VVG a.F. (§ 38 VVG n.F.) gesondert an jeden einzelnen VN übersandt werden, um diesem eine möglichst weitgehende Gelegenheit der eigenen Kenntnisnahme zu eröffnen. Mit der entgegenstehenden Auffassung des OLG setzt sich der BGH breit auseinander und weist alle Einwände gegen seine Sicht der Dinge zurück.

     

    Praxishinweis

    Der BGH macht noch einmal deutlich, dass es für den Zugang eines Schreibens nach § 130 BGB zwar genügt, dass es in den Machtbereich des Adressaten gelangt. Dies setzt aber bei einer Mehrheit von Adressaten auch voraus, dass ein an jeden Einzelnen gerichtetes Schreiben existiert. Anderenfalls steht zwischen dem Eingang im Machtbereich und der tatsächlichen Kenntnisnahme noch der Empfangsbote als Hindernis. Jedenfalls dann, wenn dessen Versagen bei der Weitergabe sehr weitreichende rechtliche Nachteile hat, genügt das Sammelschreiben nicht.

     

    Auf diese Rechtslage wird sich die Versicherungswirtschaft einzustellen haben. Der Bevollmächtigte der VN muss dagegen genau prüfen, ob tatsächlich Einzelschreiben oder Sammelschreiben versandt wurden. Im letzteren Fall kann er die abgeleitete Rechtsfolge zurückweisen. Insoweit wird auch für bereits vermeintlich abgeschlossene Fälle aus unverjährter Zeit zu prüfen sein, ob der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungsleistung trotz eingetretenen Verzugs nochmals, diesmal mit Aussicht auf Erfolg geltend gemacht werden kann. Der Mandant wird den Einsatz danken.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Fehlerhafte Belehrung über die Frist zur Zahlung der Erstprämie nach § 37 Abs. 2 S. 1 VVG: LG Dortmund VK 11, 213
    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 39 | ID 42538176