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  • · Fachbeitrag · Einstweilige Verfügung

    Kosten der Vollstreckung oder Kosten des Beweisverfahrens? BGH spricht Klartext!

    | Zwischen dem Gegenstand einer Duldungsverfügung einerseits und den Maßnahmen der Zwangsvollstreckung andererseits ist sauber zu unterscheiden. Dies hat der BGH jetzt lehrbuchartig klargestellt. |

     

    Sachverhalt

    Gläubigerin G. erwirkte gegen Schuldnerin S. eine einstweilige Verfügung. Darin wurde S. unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben, die Beweisanordnung in einem anhängigen selbstständigen Beweisverfahren zu ermöglichen, die Untersuchung ihres IT-Systems durch einen Sachverständigen zu dulden sowie die Anwesenheit von vier namentlich genannten anwaltlichen Vertretern der G. zu dulden. Nachdem S. die einstweilige Verfügung zugestellt wurde, fand ein Termin zur Begutachtung in Anwesenheit des Gerichtsvollziehers und zweier Anwälte der G. in den Räumen von S. statt. G. beantragt, die Gerichtsvollzieherkosten (92 EUR ‒ Beseitigung von Widerstand und Zeitzuschlag nach Nr. 250 und 500 KV GvKostG), Zustellungs- und Anwaltskosten als Zwangsvollstreckungskosten nach § 788 ZPO festzusetzen.

     

    Die Kosten für die Anwesenheit der beiden Anwälte berechnete G. mit 2.481,14 EUR (eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG nach einem Gegenstandswert von 50.000 EUR nebst Auslagenpauschale sowie Reisekosten und Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7003 bis 7006 VV RVG). Den Kostenvorschuss für die Zustellung des KFB berechnete sie mit 7 EUR (§ 17 Abs. 3 GKG i. V. m. Nr. 9002 VV GKG). Diese Kosten waren für die Durchsetzung der einstweiligen Verfügung angefallen, die auf Begutachtung des IT-Systems der S. gerichtet war. Das LG ‒ Beschwerdegericht ‒ wies den Antrag zurück, weil es sich nicht um Kosten der Zwangsvollstreckung der einstweiligen Verfügung handele. Die Rechtsbeschwerde der G. hatte teilweise Erfolg.

     

    • a) Eine einstweilige Verfügung, mit der dem Schuldner eines Besichtigungsanspruchs im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens aufgegeben wird, die Inaugenscheinnahme durch einen Sachverständigen und Eingriffe in die Substanz der untersuchten Sache zu dulden und zudem dem Sachverständigen sowie anderen Personen Zutritt zu seinen Geschäftsräumen zu gewähren, stellt ihrem Schwerpunkt nach eine Duldungsverfügung dar, die nach § 890 ZPO zu vollstrecken ist.
    • b) Die Kosten der Hinzuziehung eines Gerichtsvollziehers zum Begutachtungstermin sind regelmäßig notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung (§ 788 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ZPO ) einer solchen Duldungsverfügung.
    • c) Kosten, die durch die Teilnahme von anwaltlichen Vertretern des Gläubigers am Begutachtungstermin entstehen, sind keine Kosten der Vollstreckung einer solchen Duldungsverfügung. Sie sind als Kosten des Beweisverfahrens im Wege eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs oder im Rahmen der Kostenerstattung des nachfolgenden Hauptsacheprozesses geltend zu machen.

    (Abruf-Nr. 217854)

     

    Entscheidungsgründe

    Zu Recht sind nach Auffassung des BGH die aufgewendeten Gerichtsvollzieher- und Zustellungskosten notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO. Grund: Die Hinzuziehung des Gerichtsvollziehers zum Begutachtungstermin war für die Anspruchsdurchsetzung erforderlich. Denn der Erfolg der Begutachtung wäre gefährdet gewesen, wenn G. bei einem ohne Gerichtsvollzieher unternommenen Begutachtungsversuch auf Widerstand der S. gestoßen wäre. Ein solcher Widerstand hätte nur unter Zuhilfenahme des Gerichtsvollziehers nach § 892 ZPO überwunden werden können.

     

    Nur der Gerichtsvollzieher war zudem durch die einstweilige Verfügung für den Fall der Weigerung der S. zur Wegnahme der zu sequestrierenden Sache ermächtigt. G. musste somit nicht das Risiko eingehen, dass in der bis zu einem zweiten, nun in Anwesenheit des Gerichtsvollziehers durchzuführenden Begutachtungstermin verstreichenden Zeit den Untersuchungszweck gefährdende Veränderungen am zu begutachtenden Computerprogramm vorgenommen würden, sondern durfte zur Sicherstellung der Begutachtung den Gerichtsvollzieher sogleich beim ersten Begutachtungstermin hinzuziehen.

     

    Die geltend gemachten Anwaltskosten waren hingegen nicht notwendig i. S. d. § 788 ZPO. Denn selbst, wenn eine zwangsweise Durchsetzung nötig gewesen wäre, war die Anwesenheit der Rechtsanwälte selbst kein Akt der Zwangsvollstreckung, sondern lediglich Gegenstand der Duldungspflicht. Nur die Sicherstellung der Anwesenheit der Anwälte durch Zwangsmaßnahmen des Gerichtsvollziehers sei dann ein Akt der Zwangsvollstreckung.

     

    Relevanz für die Praxis

    Zu Recht hat der BGH bei seiner Entscheidung unterschieden zwischen dem Gegenstand der Duldungsverfügung und den Maßnahmen der Zwangsvollstreckung. Obwohl vorliegend die Anwesenheit des Gerichtsvollziehers mangels Widerstand der S. letztlich nicht notwendig war, kommt es hinsichtlich der Kostenerstattung dieser Vollstreckungsmaßnahme nur darauf an, den Erfolg der Vollstreckung zu sichern. Daher weist der BGH zu Recht darauf hin, dass bei der Vollstreckung der einstweiligen Duldungsverfügung ein erhebliches Risiko der Vereitelung der Zwangsvollstreckung besteht, wenn ein Schuldner nach erfolglosem ersten Versuch ‒ ohne Anwesenheit des Gerichtsvollziehers ‒ den zu begutachtenden Gegenstand manipuliert.

     

    PRAXISTIPP | Gläubigern ist daher zu raten, bei der Durchsetzung von Besichtigungsansprüchen aus einstweiliger Verfügung stets einen Gerichtsvollzieher zu beauftragen. Dessen Kosten können problemlos als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 Abs. 1, § 104 ZPO festgesetzt werden.

     

    Die Kosten für die Anwesenheit von Anwälten beim Begutachtungstermin sind hingegen (nur) Kosten des Beweisverfahrens. Dies bedeutet: Sie sind entweder im Wege eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs (vgl. BGH RVG prof. 18, 102) oder im Rahmen der Kostenerstattung des nachfolgenden Hauptsacheprozesses geltend zu machen.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2021 | Seite 7 | ID 46992637