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  • 08.10.2013 · IWW-Abrufnummer 143595

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 18.04.2013 – I ZB 77/12

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. April 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof. Dr. Schaffert, Dr. Kirchhoff und Dr. Koch

    beschlossen:

    Tenor:

    Die Sache wird zur Entscheidung über die weiteren Beschwerden der Gläubigerin und des Schuldners gegen den Beschluss der Zivilkammer 82 des Landgerichts Berlin vom 19. März 2012 an das Kammergericht abgegeben.

    Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht erhoben.

    Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 8.424,33 € festgesetzt.

    Gründe

    1

    I. Der Schuldner wurde mit Urteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 26. August 2009 verurteilt, die von ihm angemietete Wohnung, bestehend aus zwei Zimmern, Nebengelassen und einem Kellerraum, zu räumen und an die Gläubigerin herauszugeben. Die Gläubigerin beauftragte den zuständigen Gerichtsvollzieher mit der Vollstreckung des Räumungstitels. Dieser beraumte den Räumungstermin auf den 31. Mai 2010 an. Am 26. Mai 2010 erwirkte der Schuldner beim Amtsgericht Schöneberg Vollstreckungsgericht die einstweilige Einstellung der Räumung bis längstens 1. Juni 2010. Neuer Räumungstermin wurde daraufhin auf den 10. Juni 2010 anberaumt, der auch durchgeführt wurde.

    2

    Der Gerichtsvollzieher berechnete der Gläubigerin für die Durchführung der Zwangsräumung Kosten in Höhe von 11.323,42 €, die von der Gläubigerin beglichen wurden.

    3

    Auf Antrag der Gläubigerin setzte das Amtsgericht Schöneberg die von dem Schuldner an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung (gemäß der Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers) auf 11.323,42 € fest. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Schuldners hatte teilweise Erfolg. Nachdem der Schuldner die Kosten des Gerichtsvollziehers in Höhe von 89,50 €, Räumungskosten in Höhe von 2.738,19 € und Kosten des Schlüsseldienstes in Höhe von 71,40 € (insgesamt 2.899,09 €) anerkannt hatte, hat das Beschwerdegericht wie folgt entschieden:

    In Änderung des angefochtenen Beschlusses werden ... die von dem Schuldner an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung auf 11.192,32 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. September 2010 festgesetzt, wovon ein Teilbetrag in Höhe von 7.603,23 € nur festgesetzt wird Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der Gläubigerin auf Einlegung von Rechtsmitteln gegen den Gerichtskostenansatz des Obergerichtsvollziehers S. zu seiner DR-Nummer 527/10 und auf Rückzahlung etwaiger von der Gläubigerin an diesen Gerichtsvollzieher überzahlter Kosten der Zwangsvollstreckung an den Schuldner.

    Wegen eines weiteren Teilbetrags in Höhe von 3.589,09 € nebst anteiliger Zinsen erfolgt die Festsetzung ohne die vorgenannte Einschränkung Zug um Zug.

    Der weitergehende Kostenfestsetzungsantrag der Gläubigerin vom 9. September 2010 wird zurückgewiesen.

    4

    Hiergegen richten sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden der Gläubigerin und des Schuldners. Die Gläubigerin erstrebt mit ihrem Rechtsmittel die Wiederherstellung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Rechtspflegerin. Der Schuldner will mit seiner Rechtsbeschwerde eine Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Schöneberg erreichen, soweit darin die von ihm an die Gläubigerin zu erstattenden Kosten der Zwangsvollstreckung aus dem Räumungsurteil des Amtsgerichts Schöneberg vom 26. August 2009 auf einen über 2.899,09 € hinausgehenden Betrag festgesetzt worden sind.

    5

    II. Das Beschwerdegericht hat angenommen, gemäß § 103 Abs. 2 ZPO, der auch bei einer Kostenfestsetzung nach § 788 Abs. 2 ZPO zur Anwendung komme, müssten dem Kostenfestsetzungsantrag die Kostenberechnung und die zur Rechtfertigung der einzelnen Ansätze erforderlichen Belege beigefügt werden. Zur Berücksichtigung eines Ansatzes genüge es, dass der Antragsteller ihn glaubhaft gemacht habe. Diesen formellen Anforderungen genüge der Antrag der Gläubigerin. Das Kostenfestsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO sei ein Massenverfahren. Daher reiche bei der Prüfung der Notwendigkeit einer bestimmten Rechtsverfolgungsmaßnahme eine typisierende Betrachtung aus. Dies gelte auch im Zwangsvollstreckungsverfahren.

    6

    Der Schuldner werde durch die im Kostenfestsetzungsverfahren nicht gebotene Prüfung des Anfalls oder der Notwendigkeit der einzelnen Vollstreckungspositionen nicht rechtlos gestellt. Bei einer vom Gerichtsvollzieher durchgeführten Zwangsräumung seien sowohl der Gläubiger (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 GVKostG) als auch der Schuldner (§ 788 Abs. 1 ZPO und § 13 Abs. 1 Nr. 2 GVKostG) Kostenschuldner. Demzufolge könnten beide gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers Erinnerung einlegen und damit auch die Höhe der von dem Gerichtsvollzieher berechneten Auslagen überprüfen lassen (§ 5 Abs. 2 GVKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 bis 8 GKG).

    7

    Im vorliegenden Fall könne allerdings eine Erinnerungsbefugnis des Schuldners zweifelhaft sein, weil der Gerichtsvollzieher aufgrund der vollständigen Zahlung der Kosten durch die Gläubigerin von ihm keine Kosten mehr fordern könne. Daher komme die Festsetzung der Zwangsvollstreckungskosten im Umfang der vom Schuldner erhobenen Einwände nur Zug um Zug gegen Abtretung des Rechts auf Einlegung von Rechtsbehelfen gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers sowie Abtretung des Anspruchs der Gläubigerin gegen den Gerichtsvollzieher auf Rückzahlung möglicherweise überzahlter Beträge in Betracht.

    8

    III. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, sondern allein die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht statthaft. Die Rechtsbeschwerden sind daher in weitere Beschwerden umzudeuten; die Sache ist zur Entscheidung über die weiteren Beschwerden an das Oberlandesgericht (hier: Kammergericht) abzugeben.

    9

    1. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts über den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers ist die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nicht statthaft.

    10

    a) Für die Erinnerung und die Beschwerde gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers gelten nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG die Regelungen in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend. Nach § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht statt. Damit ist auch eine Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof ausgeschlossen (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 IX ZB 271/02, NJW 2003, 70; Beschluss vom 11. September 2008 I ZB 22/07, DGVZ 2008, 187 Rn. 7).

    11

    b) Dieser Ausschluss gilt auch hinsichtlich des Ansatzes von Gerichtsvollzieherkosten, wenn es sich dabei wie im vorliegenden Fall um Vollstreckungskosten handelt. Durch den Verweis in § 5 Abs. 2 Satz 1 GVKostG auf § 766 Abs. 2 ZPO wird allein die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erinnerung geregelt. Der Rechtsmittelweg gegen Entscheidungen über die Erinnerung richtet sich dagegen nach den gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG entsprechend anzuwendenden Regelungen in § 66 Abs. 2 bis 8 GKG (BGH, DGVZ 2008, 187 Rn. 8; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 VII ZB 58/12, [...] Rn. 6).

    12

    aa) Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 Satz 1 GVKostG regelt allein, welches Gericht für die Entscheidung über Erinnerungen gegen den Kostenansatz des Gerichtsvollziehers zuständig ist. Sie weist die Entscheidung über Erinnerungen gegen den Ansatz von Kosten der Zwangsvollstreckung in Übereinstimmung mit § 766 Abs. 2 ZPO aus Gründen des Sachzusammenhangs dem nach § 764 Abs. 1 ZPO für die Anordnung von und für die Mitwirkung bei Vollstreckungshandlungen zuständigen Vollstreckungsgericht zu und belässt es im Übrigen mit Rücksicht auf die Ortsnähe bei der Zuständigkeit des Amtsgerichts, in dessen Bezirk der Gerichtsvollzieher seinen Amtssitz hat.

    13

    bb) Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG sind auf die Erinnerung und die Beschwerde §§ 5a und 66 Abs. 2 bis 8 GKG entsprechend anzuwenden. Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG die (unbefristete) Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 € übersteigt. Gegen eine Entscheidung über die Beschwerde nach einer Erinnerung gegen einen Kostenansatz ist nach § 66 Abs. 4 Satz 1 GKG (nur) die weitere Beschwerde zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und es die weitere Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zugelassen hat. Das beruht auf der Entscheidung des Gesetzgebers, die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung nur im Kostenfestsetzungsverfahren zu ermöglichen, während er zur Klärung von Grundsatzfragen im Kostenansatzverfahren die weitere Beschwerde eingeführt und die Rechtsbeschwerde ausdrücklich (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG) ausgeschlossen hat (BGH, DGVZ 2008, 187 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 VII ZB 58/12, [...] Rn. 7).

    14

    c) Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht ändert daran nichts. Die Bindungswirkung des § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO tritt nur hinsichtlich des Vorliegens eines Zulassungsgrunds nach § 574 Abs. 2 ZPO ein, eröffnet aber nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2003 I ZB 22/02, BGHZ 154, 102, 103 f.; BGH, DGVZ 2008, 187 Rn. 15; BGH, Beschluss vom 7. Februar 2013 VII ZB 58/12, [...] Rn. 8).

    15

    2. Gegen die Entscheidung, die das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht über die Erinnerung gegen den Ansatz von Gerichtsvollzieherkosten der Zwangsvollstreckung getroffen hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 GVKostG i.V.m. § 766 Abs. 2 ZPO), war demnach gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 2 GKG die (unbefristete) Beschwerde zum Landgericht (§ 72 GVG) statthaft. Gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts ist nach § 5 Abs. 2 Satz 2 GVKostG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 GKG die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht (hier: zum Kammergericht) zulässig, da das Landgericht sie in seinem Beschluss wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen zugelassen hat.

    16

    3. Die Rechtsbeschwerden sind mit Rücksicht darauf, dass gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts nicht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof, sondern nur die weitere Beschwerde zum Kammergericht statthaft ist, nicht als unzulässig zurückzuweisen, sondern in weitere Beschwerden umzudeuten. Bei Rechtsmittelerklärungen ist eine Umdeutung unter der Voraussetzung zulässig, dass es sich um vergleichbare Prozesserklärungen handelt, die sich in ihrer Intention und rechtlichen Wirkung entsprechen. So verhält es sich hier. Die weitere Beschwerde zielt ebenso wie die Rechtsbeschwerde auf die Änderung einer Beschwerdeentscheidung des Landgerichts durch ein übergeordnetes Gericht ab. Die weitere Beschwerde setzt ebenso wie die Rechtsbeschwerde voraus, dass das Landgericht die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Fragen in dem Beschluss zugelassen hat. Die Sache ist danach zur Entscheidung über die weiteren Beschwerden an das Kammergericht abzugeben (vgl. BGH, DGVZ 2008, 187 Rn. 17; Beschluss vom 7. Februar 2013 VII ZB 58/12, [...] Rn. 9).

    17

    4. Wegen der im Rechtsbeschwerdeverfahren angefallenen Gerichtskosten macht der Senat von der Möglichkeit des § 21 GKG Gebrauch.

    Bornkamm

    Pokrant

    Schaffert

    Kirchhoff

    Koch

    Vorschriften§ 103 Abs. 2 ZPO, § 788 Abs. 2 ZPO, §§ 103 ff. ZPO, § 788 Abs. 1 ZPO, § 66 Abs. 2 bis 8 GKG, § 66 Abs. 2 bis 8 GKG, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 766 Abs. 2 ZPO, § 66 Abs. 2 bis 8 GKG, § 766 Abs. 2 ZPO