Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 17.07.2012 · IWW-Abrufnummer 122170

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 31.05.2012 – V ZB 207/11

    Außerhalb des Versteigerungsverfahrens vereinbarte Zuzahlungen des Meistbietenden an den betreibenden Gläubiger, die diesen dazu veranlassen sollen, einen Einstellungsantrag zurückzunehmen oder nicht zu stellen, verletzen die Rechte des Schuldners und führen zu einer Versagung des Zuschlags.

    Es ist ermessensfehlerhaft, wenn das Vollstreckungsgericht von einer Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin nur deshalb absieht, weil der betreibende Gläubiger Gelegenheit erhalten möchte, mit dem Meistbietenden über eine solche Zuzahlung zu verhandeln.


    Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 31. Mai 2012 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richterin Dr. Stresemann, den Richter Dr. Czub und die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 17. August 2011 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 30. August 2011 wird zurückgewiesen.

    Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 37.500 € für die Gerichtsgebühren und 70.000 € für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1.

    Gründe

    I.

    1

    Die Beteiligte zu 1 betreibt die Zwangsversteigerung in das im Eingang dieses Beschlusses bezeichnete Grundstück der Schuldner; dessen Verkehrswert ist auf 70.000 € festgesetzt worden. In dem Versteigerungstermin vom 30. Mai 2011 blieb die Beteiligte zu 2 Meistbietende mit einem Gebot von 37.500 €. Die Beteiligte zu 1 beantragte darauf hin, den Zuschlag wegen Nichterreichens der 7/10-Grenze des § 74a Abs. 1 ZVG zu versagen und die Entscheidung über den Zuschlag für eine Woche auszusetzen.

    2

    Vor dem für den 7. Juni 2011 anberaumten Termin zur Verkündung einer Entscheidung über den Zuschlag nahm die Beteiligte zu 1 den Einstellungsantrag zurück und teilte mit, dass die Meistbietende beabsichtige, eine außergerichtliche Zuzahlung von 7.000 € zu leisten. Im Verkündungstermin erklärte die Beteiligte zu 2, außerhalb des Gebots 7.000 € an die Beteiligte zu 1 gezahlt zu haben, um von dieser "die Zusage zur Zuschlagserteilung" zu erhalten. Mit Beschluss vom 7. Juni 2011 hat das Vollstreckungsgericht der Beteiligten zu 2 auf ihr Gebot von 37.500 € den Zuschlag erteilt.

    3

    Auf die sofortige Beschwerde der Schuldner hat das Landgericht den Zuschlag aufgehoben und die Unwirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2 festgestellt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt die Beteiligte zu 1 die Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses.

    II.

    4

    Das Beschwerdegericht meint, die Zuzahlung der Meistbietenden außerhalb des Verfahrens stelle ein verstecktes zusätzliches Gebot dar, durch welches die Vorschriften über das Verteilungsverfahren (§§ 105 ff. ZVG) umgangen würden. Denn der faktische Erwerbspreis habe 44.500 € betragen; bei der Bestimmung der Teilungsmasse könnten dagegen nur 37.500 € berücksichtigt werden. Zwar benachteilige die Zahlung hier keine anderen Gläubiger, da die Beteiligte zu 1 vorrangige Rechte in 44.500 € deutlich übersteigender Höhe habe. Verletzt seien aber die Interessen der Schuldner, da nicht sichergestellt sei, dass sich die dinglich gesicherte Forderung, die der Beteiligten zu 1 ihnen gegenüber zustehe, um den außergerichtlich gezahlten Betrag reduziere. Daran ändere auch der Vortrag der Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren nichts, der Zusatzerlös sei den Schuldnern gutgeschrieben worden. Ob etwas anderes gelte, wenn der Ersteher und der Gläubiger zugunsten des Schuldners eine Anrechnung der Zahlung auf die dinglich gesicherte Forderung vereinbarten, könne offen bleiben, da eine solche Vereinbarung hier nicht getroffen worden sei. Die Umgehung der Vorschriften des Verteilungsverfahrens führe zur Unwirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2.

    III.

    5

    1.

    Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht nimmt im Ergebnis zutreffend an, dass ein Zuschlagsversagungsgrund gegeben ist. Zwar berührt die nach dem Schluss der Versteigerung zwischen den Beteiligten zu 1 und 2 getroffene Vereinbarung über eine Zahlung außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht die Wirksamkeit des Gebots der Beteiligten zu 2. Der Zuschlag ist aber gemäß § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen.

    6

    2.

    Das Vollstreckungsgericht hat nach pflichtgemäßem Ermessen darüber zu befinden, ob es die Entscheidung über den Zuschlag in dem Versteigerungstermin oder in einem sofort zu bestimmenden Termin verkündet (§ 87 Abs. 1 ZVG). Ist seine Entschließung ermessensfehlerhaft und beruht der Zuschlag auf diesem Fehler, ist der Zuschlag nach § 83 Nr. 6 ZVG zu versagen (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juli 2011 - V ZB 25/11, WM 2011, 1759). So liegt es hier.

    7

    a)

    Über den von der Beteiligten zu 1 nach dem Schluss der Versteigerung gestellten Einstellungsantrag gemäß § 74a Abs. 1 Satz 1 ZVG hätte das Vollstreckungsgericht sogleich im Versteigerungstermin durch Versagung des Zuschlags (§ 33 ZVG) entscheiden können und müssen. Dass der Einstellungsantrag in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Fragen aufwarf, die einer Klärung außerhalb des Versteigerungstermins bedurften, ist nicht erkennbar. Einzig ersichtlicher Grund für die Anberaumung eines Verkündungstermins ist der Antrag der Beteiligten zu 1, die Entscheidung über den Zuschlag für eine Woche "auszusetzen". Diesem Antrag zu entsprechen war ermessensfehlerhaft, weil er ersichtlich dazu diente, "Nachverhandlungen" zu ermöglichen, bei denen der Meistbietenden die Rücknahme des Einstellungsantrags gegen eine Zuzahlung außerhalb des Bieterverfahrens in Aussicht gestellt werden sollte (vgl. zu einem solchen Vorgehen Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., C 5.4.1., S. 478 ff.; Gerhards/Keller, Die Zwangsversteigerung, 5. Aufl., S. 133 f.). Zu diesem Zweck darf die Verkündung einer ansonsten möglichen Entscheidung über den Zuschlag jedoch nicht aufgeschoben werden. Denn die Vereinbarung einer Zuzahlung außerhalb der Versteigerung, die den Gläubiger zur Rücknahme eines Einstellungsantrags veranlassen oder von der Stellung eines solchen - noch im Verkündungstermins möglichen (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 95/06, WM 2007, 1284) - Antrags abhalten soll, verletzt die Rechte des Schuldners (unzutreffend daher LG Tübingen, Rpfleger 2011, 392, 393). Die Verfahrensführung des Vollstreckungsgerichts muss eine solche Rechtsverletzung zu vermeiden suchen.

    8

    aa)

    Zuzahlungsvereinbarungen außerhalb des Verfahrens widersprechen den grundlegenden Anforderungen, die an die Durchführung einer Zwangsversteigerung zu stellen sind. Die zwangsweise Verwertung eines Grundstücks durch staatliche Stellen bedeutet einen schwerwiegenden Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum des Schuldners, der lediglich im Hinblick auf den legitimen Zweck des Vollstreckungsrechts, nämlich die Durchsetzung titulierter Forderungen des Gläubigers, gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 46, 325, 335; BVerfGK 15, 8, 13). Vor diesem Hintergrund muss das Zwangsversteigerungsverfahren zum einen so ausgestaltet sein, dass das Grundstück bestmöglich verwertet wird (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06, BGHZ 172, 218, 226 Rn. 21; Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 160/09, WM 2010, 2365, 2366 Rn. 7). Zum anderen muss es gewährleisten, dass der Erlös im Rahmen des förmlichen Verteilungsverfahrens als Zahlung des Schuldners an dessen Gläubiger gelangt. Denn der Grundrechtseingriff ist nur gerechtfertigt, wenn und soweit das Vollstreckungsgericht den - gesamten - Erlös aus der Verwertung des Grundstücks in amtlicher Eigenschaft für den Schuldner entgegennimmt und in einem geordneten, die Belange des Schuldners berücksichtigenden Verfahren an die Gläubiger auskehrt.

    9

    Das ist nicht gewährleistet, wenn der Meistbietende außerhalb des Verfahrens eine Zahlung an den betreibenden Gläubiger bewirken kann, um die Erteilung des Zuschlags, den der Gläubiger durch einen Einstellungsantrag zu verhindern in der Lage ist, zu erreichen. Wirtschaftlich gesehen erhöht er hierdurch sein Gebot und damit den Erlös aus der Verwertung des Grundstücks. Dieser gehört ebenso wie der Anspruch auf den im Bietverfahren erzielten "regulären" Versteigerungserlös zunächst zu dem Vermögen des Schuldners, aus dem die Gläubiger im Rahmen des sich an die Versteigerung anschließenden Verteilungsverfahrens (§§ 105 ff. ZVG) befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1977 - VII ZR 336/75, BGHZ 68, 276, 278). Auch wenn der Schuldner über den Erlös nicht frei verfügen kann, hat er einen Anspruch darauf, dass dieser vollständig in die Teilungsmasse gelangt und nach den gesetzlichen Vorschriften an die Gläubiger ausgekehrt wird. Dies ist bei Vereinbarungen über Zuzahlungen außerhalb des Zwangsversteigerungsverfahrens schon deshalb ausgeschlossen, weil nach dem Schluss der Versteigerung (§ 73 Abs. 2 ZVG) keine weiteren Gebote mehr zulässig sind und das Vollstreckungsgericht auch nicht erneut in die Versteigerung eintreten kann (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 73 Anm. 3.3). Eine nachträglich vereinbarte Zuzahlung bleibt daher im Verteilungsverfahren zwangsläufig unberücksichtigt.

    10

    Für den Schuldner besteht deshalb die Gefahr, dass eine Zuzahlung an den Gläubiger nicht bekannt wird und ihm damit nicht der gesamte Verwertungserlös zugute kommt. Auch ist nicht sichergestellt, dass die Zahlung von dem Gläubiger -sofern ihm dieser Teil des Erlöses überhaupt zusteht und nicht auf Kosten anderer Gläubiger erlangt ist - als Leistung auf das verwertete Grundpfandrecht vereinnahmt wird und damit ggf. Erfüllungswirkung hinsichtlich der durch dieses Recht gesicherten persönlichen Forderung gegen den Schuldner hat (vgl. zu dieser Erfüllungswirkung BGH, Urteil vom 24. September 1992 - IX ZR 195/91, NJW 1992, 3228, 3229).

    11

    bb)

    Der Schuldner muss eine zur Erlangung des Zuschlags erbrachte Zahlung außerhalb des Versteigerungsverfahrens aber auch dann nicht hinnehmen, wenn sie - wie hier - gegenüber dem Gericht offengelegt und deren Anrechnung auf die durch das Grundpfandrecht gesicherte Forderung von dem Gläubiger zugesagt wird und wenn ferner nicht zweifelhaft ist, dass der gezahlte Betrag, wäre das Meistgebot entsprechend erhöht worden, im Verteilungsverfahren an diesen Gläubiger ausgekehrt worden wäre. Auch in diesem Fall verliert die Zuzahlung nicht den Charakter einer irregulären, nämlich außerhalb des hierfür vorgesehenen Verfahrens ohne Beteiligung des Vollstreckungsgerichts und des Schuldners stattfindenden Erlöserzielung und -verteilung. Demgemäß erhält der Schuldner keine dem Protokoll des Verteilungstermins entsprechenden Nachweis über die außergerichtlich erfolgte Zahlung an den Gläubiger; er kann daher nicht sicher sein, dass es tatsächlich zu der zugesagten Anrechnung kommt bzw. bei dieser bleibt, sondern muss sich auf die ungeprüften Angaben des Gläubigers hierzu verlassen. Das Beschwerdegericht weist zutreffend darauf hin, dass es dem Schuldner nicht zuzumuten ist, sich nach Abschluss des - gerade der geordneten Gläubigerbefriedigung dienenden - Zwangsversteigerungsverfahrens mit dem Gläubiger über die Anrechnung einer Zahlung streiten zu müssen. Das Vollstreckungsgericht ist angesichts der Formalisierung des Zwangsversteigerungsverfahrens weder berufen, einen Nachweis über die Anrechnung zu verlangen noch diesen zu prüfen. Entsprechendes gilt für eine zugunsten des Schuldners getroffene Anrechnungsvereinbarung.

    12

    cc)

    Auch im Übrigen steht keinesfalls fest, dass eine außerhalb des Verfahrens erfolgte Zuzahlung dem Schuldner nur günstig ist (so aber Storz/Kiderlen, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 11. Aufl., C. 5.4.1, S. 480 f.). Die Alternative zu dieser ist nämlich nicht der Zuschlag zu dem Meistgebot ohne Zuzahlung, sondern die von dem Gläubiger in Aussicht gestellte Einstellungsbewilligung. Diese führt zu einem neuen Versteigerungstermin und damit zu der Chance auf einen insgesamt höheren Erlös. Im Übrigen bietet der Versteigerungstermin dem Gläubiger ausreichende Möglichkeit, den Meistbietenden vor dem Schluss der Versteigerung unter Hinweis auf einen ansonsten beabsichtigten Einstellungsantrag zu einer Erhöhung des Gebots zu veranlassen.

    13

    b)

    Der angefochtene Zuschlagsbeschluss beruht auf der ermessenfehlerhaften Anberaumung eines Verkündungstermins. Wäre die Entscheidung über den Zuschlag im Versteigerungstermin ergangen, hätte der Zuschlag gemäß § 33 ZVG versagt werden müssen. Unabhängig davon hätte das Vollstreckungsgericht den Zuschlag auch im Hinblick auf die ihm bekannt gewordene Zuzahlungsvereinbarung gemäß § 83 Nr. 6 ZVG versagen müssen, da eine hieraus folgende Beeinträchtigung der Rechte der Schuldner nicht eindeutig ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. April 2008 - V ZB 114/07, NJW-RR 2008, 1018 Rn. 16 f.).

    IV.

    14

    Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Dass die Beteiligte zu 1 Schuldner die Gerichtskosten des von ihr erfolglos betriebenen Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen hat, folgt aus dem Gesetz. Ein Ausspruch über die außergerichtlichen Kosten scheidet aus, weil sich die Beteiligten bei der Zuschlagsbeschwerde grundsätzlich nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (vgl. Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 Rn. 7).

    15

    Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist für die Gerichtsgebühren nach dem Wert des Zuschlagsbeschlusses festzusetzen (§ 47 Abs. 1 Satz 1 GKG) und entspricht dem Meistgebot (§ 54 Abs. 2 Satz 1 GKG). Der Wert für die anwaltliche Vertretung der Beteiligten zu 1 richtet sich, weil der Wert des Gegenstands der Zwangsversteigerung geringer ist als der Wert des ihr zustehenden Rechts, nach Ersterem und beträgt 70.000 € (§ 26 Nr. 1 RVG).

    Krüger
    Stresemann
    Czub
    Brückner
    Weinland

    VorschriftenZVG § 83 Nr. 6, § 87 Abs. 1