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  • 27.06.2023 · IWW-Abrufnummer 236003

    Landgericht Lübeck: Beschluss vom 16.12.2022 – 7 T 436/22

    Die nach § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO dem Vollstreckungsantrag beizufügende Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellbescheinigung als elektronisches Dokument muss nicht mit einer qualifizierten Signatur versehen werden.


    7 T 436/22
    84 M 1168/22 AG Eutin

    Landgericht Lübeck

    Beschluss

    In dem Zwangsvollstreckungsverfahren


    - Gläubigerin und Beschwerdeführerin -

    Verfahrensbevollmächtigte:
    Rechtsanwälte ..

    gegen


    - Schuldnerin und Beschwerdegegnerin -

    hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Lübeck durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx, die Richterin am Landgericht xxx und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. xxx am 16.12.2022 beschlossen:

    Auf die sofortige Beschwerde der Gläubigerin vom 02.11.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts Eutin vom 21.10.2022 aufgehoben und das Amtsgericht Eutin angewiesen, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts neu über den auf den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses gerichteten Antrag der Gläubigerin vom 22.09.2022 zu entscheiden.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

    Gründe

    I.

    Die Gläubigerin begehrt den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses.

    Die Gläubigerin hat gegen die Schuldnerin einen Vollstreckungsbescheid erwirkt (Az. AG Coburg …). Im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs hat die Gläubigerin am 23.09.2022 bei dem Amtsgericht Eutin einen Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses eingereicht (…) und in diesem Rahmen versichert, dass ihr eine Ausfertigung des Vollstreckungsbescheids nebst Zustellungsbescheinigung vorliege und die titulierte Forderung noch bestehe. Mit dem Antrag wurde eine pdf.-Datei eingereicht, die den gegenständlichen Vollstreckungsbescheid zeigt. Auf den Transfervermerk, dort das Verzeichnis der Anhänge (…), und den Ausdruck des Dokuments (…) wird Bezug genommen.

    Das Amtsgericht hat die Gläubigerin unter dem 27.09.2022 darauf hingewiesen (…), dass der elektronisch eingereichte Antrag nicht den Vorgaben des § 130a Abs. 3 und 4 ZPO entspreche. Der Titel sei i. S. d. § 829a Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ZPO als elektronisches Dokument beizufügen und dieses gemäß § 130a Abs. 3 ZPO mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, woran es vorliegend fehle. Hiergegen hat sich die Gläubigerin unter dem 11.10.2022 (…) mit der Begründung gewandt, dass nach § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO Anlagen nicht signiert eingereicht werden müssten.

    Mit Beschluss vom 21.10.2022 (…) hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Gläubigerin vom 02.11.2022 (…). Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht vorgelegt. Der Einzelrichter hat das Beschwerdeverfahren auf das vollbesetzte Kollegium der Beschwerdekammer übertragen.

    II.

    Die nach §§ 793, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Amtsgericht den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen, weil die Gläubigerin im Rahmen der Antragstellung den Vollstreckungsbescheid nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen habe. Die Übermittlung einer Kopie des Vollstreckungsbescheids nebst Zustellungsbescheinigung in Form einer pdf.-Datei als Anhang zum Vollstreckungsantrag durch die Gläubigerin hat genügt.

    Die Pfändung einer Geldforderung (§ 829 ZPO) setzt einen Antrag des Gläubigers unter Vorlage des Vollstreckungstitels voraus (vgl. nur Herget, in: Zöller, ZPO, 34. A. 2022, § 829 Rn. 3). § 829a Abs. 1 ZPO sieht vor, dass im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid im Wege der Pfändung und Überweisung von Geldforderungen die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides unter anderem dann entbehrlich ist, wenn der Gläubiger die Abschrift des Vollstreckungsbescheides nebst Zustellungsbescheinigung als elektronisches Dokument dem Antrag beifügt.

    In der Gesetzesbegründung zu § 829a ZPO (BT-Drucksache 16/10069, S. 34) ist ausgeführt, dass im Falle eines elektronischen Antrags zur Zwangsvollstreckung im Wege der Pfändung und Überweisung von Geldforderungen auf der Grundlage von Vollstreckungsbescheiden die Beifügung einer Ausfertigung oder Ablichtung des Vollstreckungsbescheides in elektronischer Form dem Schutz des Schuldners dient und dem Gläubiger ohne Weiteres möglich und zumutbar ist, der ‒ wie sich an der elektronischen Übermittlung des Vollstreckungsauftrags zeigt ‒ über elektronische Kommunikationsmittel verfügt. Die Gesetzesbegründung formuliert dahingehend ausdrücklich, dass der Gläubiger problemlos eine Kopie des Vollstreckungsbescheides und der zugehörigen Zustellungsbescheinigung mittels Einscannen in elektronischer Form herstellen könne. Hiernach soll der Anforderung einer Übermittlung des Vollstreckungsbescheids als elektronisches Dokument bereits Genüge getan sein, wenn mittels Einscannens des Vollstreckungsbescheids nebst Zustellungsbescheinigung eine Kopie hergestellt wird (Smid, in: MüKo-ZPO, 6. A. 2020, § 829a Rn. 2; vgl. auch Heßler, in: MüKo-ZPO, 6. A. 2020, § 754a Rn. 4; Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. A. 2022, § 754a Rn. 4); mithin eine elektronische Kopie in Form einer Datei generiert wird (vgl. Lackmann, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. A. 2022, § 754a Rn. 6).

    Nach dem Vorstehenden reicht es aus, wenn die entsprechende Datei dem elektronisch gestellten Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses beigefügt wird, ohne dass diese Datei einer eigenen qualifizierten Signatur bedarf. Zwar regelt § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO unter anderem, dass ein elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein muss. Dies gilt jedoch gemäß § 130a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht für Anlagen, die vorbereitenden Schriftsätzen beigefügt sind. Die Vorschriften über vorbereitende Schriftsätze gelten im Allgemeinen auch für bestimmende Schriftsätze (vgl. nur Fritsche, in: MüKo-ZPO, 6. A. 2020, § 130 Rn. 1; ders. a. a. O, § 130a Rn. 3; Greger, in: Zöller, ZPO, 34. A. 2022, § 130 Rn. 1; ders. a. a. O., § 130a Rn. 2 m. w. N.; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. A. 2022, § 130 Rn. 2 m. w. N.; ders. a. a. O., § 130a Rn. 2 m. w. N.) wie vorliegend für einen Antrag im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens. Die dem Antrag gemäß § 829a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 ZPO beizufügende Abschrift des Vollstreckungsbescheides stellt ohne Weiteres eine Anlage im Sinne dieser Vorschrift dar.

    Die Kostenentscheidung folgt aus § 788 Abs. 1 ZPO.

    RechtsgebietVollstreckungsanträgeVorschriften§ 829a ZPO