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  • Mahntaktik

    Erfolgreich und richtig mahnen

    von VRiLG Uwe Gottwald, Koblenz

    Häufig wird die erste Mahnung an den säumigen Schuldner vom Gläubiger ohne Hinzuziehung eines Rechtsberaters ausgesprochen. Spätestens nach der erfolglosen Mahnung wird dieser mit der Angelegenheit betraut. Fehler jedoch, die bei der ersten Mahnung gemacht worden sind, zumindest aber Zinsverluste lassen sich dann oft schon nicht mehr korrigieren. Art und Weise, Inhalt, Formulierung, Zeitpunkt und Art der Übersendung etc. sind für eine erfolgreiche Mahnpraxis ausschlaggebend. Eine erfolgreiche Mahnung erspart oft langes Prozessieren und die spätere Zwangsvollstreckung aus dem erlangten Titel. Hierzu folgende Einzelheiten:

    Zahlungsaufforderung muss bestimmt und eindeutig sein

    Die Mahnung muss bestimmt und eindeutig zur Leistung auffordern, indem zum Beispiel „zur Zahlung eines Betrags von 12.468,46 DM” aufgefordert wird. Eine Fristsetzung oder die Androhung bestimmter Folgen sind üblich und empfehlenswert, jedoch nicht notwendig. Es genügt, dass der Gläubiger eindeutig zum Ausdruck bringt, dass er die geschuldete Leistung verlangt (BGH 10.3.98, NJW 98, 2132). Zu beachten ist:

    • Eine wirksame Mahnung setzt Fälligkeit und Erfüllbarkeit der Leistung voraus. In der Regel darf der Gläubiger nach § 271 BGB die Leistung nach Vertragsschluss sofort verlangen. Ausnahmsweise gelten gesetzliche Sonderregeln: Beim Werkvertrag ist die Vergütung der Leistung erst bei Abnahme des Werkes (§ 641 BGB), beim Dienstvertrag erst nach Leistung der Dienste (§ 614 BGB), beim Mietvertrag erst am Ende der Mietzeit (§ 551 BGB) fällig. Fälligkeiten können auch durch Vertrag anders geregelt werden, zum Beispiel durch die Vereinbarung von Abschlags- oder Mietvorauszahlungen oder als „Kasse gegen Faktura“ (= Fälligkeit des Zahlungsanspruchs gegen Zusendung der Rechnung ohne Rücksicht auf die Lieferung der Ware).
    • Die Zusendung der Rechnung ist noch keine Mahnung, weil dem Schuldner nur die Höhe der Forderung mitgeteilt und üblicherweise erst nach Rechnungserhalt gezahlt wird.
    • Am zweckmäßigsten ist es, eine Mahnung als solche ausdrücklich zu bezeichnen.
    • Mahnungen sollten nicht nummeriert werden. Der taktisch operierende Schuldner erwartet so, dass einer „ersten Mahnung“ auch eine „zweite“ und „dritte und letzte“ folgt und lässt sich mit dem Zahlen Zeit. Dadurch sinkt die Zahlungsmoral weiter.

    Infolge Mahnung kann Verzugsschaden geltend gemacht werden

    Durch die Mahnung wird nicht die Verjährung des Anspruchs unterbrochen, doch der Schuldner gerät in Verzug (§ 284 BGB). Folge ist, dass der Schuldner dem Gläubiger den außer der Erfüllung auch den durch den Verzug entstandenen Schaden zu ersetzen hat (§ 286 BGB). Hierzu gehören folgende Positionen:

    • Mindestschaden: Mindestschaden ist der gesetzliche Verzugszins von 4 Prozent (§ 288 Abs. 1 BGB), bei Kaufleuten von 5 Prozent (§ 352 HGB).
    • Vereinbarte Verzugszinsen: Die vertragliche Vereinbarung von Verzugszinsen enthebt den Gläubiger vom Beweis der Kreditinanspruchnahme oder der zinsgünstigen Anlegung des ausstehenden Betrags bei rechtzeitiger Zahlung.
    • Aufgewandte Kreditzinsen: Aufgewandte Kreditzinsen entstehen bei Inanspruchnahme von Bankkrediten. Hier muss der Gläubiger für den Fall des Bestreitens durch den Schuldner eine Bankbestätigung vorlegen. Daraus muss sich ergeben, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum Kreditzinsen zu zahlen waren, und dass sich das Konto mindestens in Höhe der ausstehenden Forderung im Soll befunden hat. Wird auch die Bankbestätigung bestritten, kann der Gläubiger den Sachbearbeiter des Kreditinstituts als Zeugen nennen.
    • Entgangene Anlagezinsen: Bei entgangenen Anlagezinsen handelt es sich um entgangenen Gewinn (§ 252 BGB). Dazu zählt auch der Gewinn, der aus einem Geschäft entstanden wäre, das der Gläubiger bei rechtzeitiger Zahlung gewinnbringend hätte abschließen können. Der Beweisantritt durch den Gläubiger erfolgt am besten durch Benennung eines Anlageberaters oder Bankangestellten als Zeugen.
    • Aufwendungen für die außergerichtliche Rechtsverfolgung: Die Kosten der den Verzug begründenden Erstmahnung können dem Gläubiger nicht ersetzt werden, weil sie nicht durch Verzug verursacht worden sind und die nicht rechtzeitige Leistung regelmäßig auch keine positive Forderungsverletzung darstellt (BayObLG 22.10.92, NJW-RR 93, 280). Der Gläubiger kann jedoch ab dem zweiten Mahnschreiben die Kosten von Mahnschreiben geltend machen. Mahnpauschalen für Arbeitszeit, Material, Porto von fünf bis zehn DM werden von den Gerichten meist anerkannt. Allerdings sind maximal nur zwei bis drei Mahnungen notwendig. Wer mehr mahnt, verstößt gegen seine Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) und erhält dafür keinen Verzugsschaden ersetzt.

    Hinweis: Der Mahnung gleichgestellt ist die Erhebung der Leistungsklage und die Zustellung eines Mahnbescheids (§ 284 Abs. 1 Satz 2 BGB). Dabei genügt eine Widerklage, ein Eventualantrag (BGH 9.4.81, NJW 81, 1732) oder eine Stufenklage nach § 254 ZPO (BGH 6.5.81, BGHZ 80, 270). Nicht ausreichend ist dagegen die Erhebung einer Feststellungsklage, einer Klage auf künftige Leistung (§§ 257 ff. ZPO) oder die Anmeldung der Forderung im Insolvenzverfahren des Schuldners.

    Zugang der Mahnung sollte unbedingt sichergestellt werden

    Häufig und eine beliebte Praxis ist das Bestreiten des Zugangs einer Mahnung durch den Schuldner. In diesem Fall muss der Gläubiger den Zugang beweisen. Nach nahezu einhelliger Rechtsprechung kann allerdings über den sogenannten Beweis des ersten Anscheins von der (ordnungsgemäßen) Absendung eines Briefes nicht auf dessen Zugang geschlossen werden. Der Zugang einer schriftlichen Mahnung bedarf vielmehr des vollen Beweises (BGH 27.5.57, BGHZ 24, 308).

    • In Betracht kommt zum Beispiel der – aufwendige – Zeugenbeweis eines beauftragten Boten oder die Versendung der Mahnung per Einschreiben mit Rückschein oder als Einwurf-Einschreiben, was zumindest bei höheren Beträgen empfehlenswert ist.
    • Der Beweis einer zugegangenen Telefax-Nachricht ist über den Sendebericht denkbar. Bestreitet aber der Schuldner den Zugang des Faxes, kann der Sendebericht wegen Manipulationsmöglichkeiten nicht den Nachweis erbringen, dass ein Schreiben zu dem im Bericht genannten Datum tatsächlich dem dort mit Telefaxnummer gekennzeichneten Empfänger zugegangen ist. Bereits das Bestreiten durch Nichtwissen genügt (OLG Hamm 22.3.94, NJW 94, 3172). Die weit überwiegende Meinung in der Rechtsprechung verneint deshalb den Beweis des Zugangs durch Vorlage des Sendeberichts (BGH 7.12.94, NJW 95, 665; OLG München 18.9.98, CR 99, 234 L = r + s 99, 308; OLG Köln, Beschluss, 4.1.95, NJW 95,1228; KG Berlin 4.3.94, NJW 94, 3172; OLG Dresden 2.2.93, NJW-RR 94,1485; differenziert: OLG Rostock 18.196, NJW 96, 1831 m.w.N.; a.A. nur: OLG München 26.6.92, NJW 94, 527).

    Fazit: Für den Gläubiger ist nur die Zustellung der Mahnung durch einen Gerichtsvollzieher an den Wohn- oder Firmensitz absolut sicher. Dies verursacht Kosten von etwa 22 DM. Er erhält aber eine amtliche Zustellungsurkunde mit dem Datum der Zustellung. Damit kann er den Zugang der Mahnung – und den Verzugseintritt – beweisen.

    Wann ist eine Mahnung ausnahmsweise entbehrlich?

    Einer Mahnung bedarf es ausnahmsweise nicht, wenn:

    • für die Leistung durch Vertrag oder Gesetz eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist (§ 284 Abs. 2 Satz 1 BGB): Die Leistungszeit muss unmittelbar („spätestens am 10. Dezember 1991“) oder mittelbar („drei Wochen nach Ostern 1992“) festgelegt sein. Aber: Die Berechenbarkeit nach dem Kalender genügt nicht („zehn Tage nach Rechnungsstellung“, „ein Jahr nach Baubeginn“, „zwei Wochen nach Lieferung“);
    • der Leistung eine Kündigung vorauszugehen hat und sich die Leistungszeit von der Kündigung ab nach dem Kalender berechnen lässt (§ 284 Abs. 2 Satz 2 BGB; zum Beispiel: „Rückzahlung eines Darlehens drei Monate nach Kündigung“);
    • der Schuldner die Leistung vor oder nach der Fälligkeit endgültig verweigert (stRspr BGH 9.7.92, NJW-RR 92, 1227). Verzug tritt hier mit der Verweigerung ex nunc ein (BGH 24.10.84, NJW 85, 488);
    • die Mahnung durch Individualvereinbarung unter den Parteien erlassen ist (zum Beispiel: „Der Kaufpreis in Höhe von 1.450 DM ist sofort nach Lieferung der Ware zur Zahlung fällig. Verzug tritt ohne Mahnung ein.“). Vorsicht: Unzulässig ist eine solche Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 11 Nr. 3 AGBG).

    Was passiert bei einer Zuviel- bzw. Zuwenigmahnung?

    Problematisch ist, ob bei fehlerhafter Bezifferung des angemahnten Betrags Verzug eintritt oder ob sich der Schuldner auf die schuldlose Unkenntnis der Forderung (§ 285 BGB) berufen kann. Hier gilt:

    • Bei Zuwenigforderung ist nur in Höhe des geringeren Betrags wirksam gemahnt(BGH 26.5.82, NJW 82, 1985).
    • Bei Zuvielforderung kommt es darauf an, ob der Schuldner bei verständiger Auslegung die Mahnung als Aufforderung zur Bewirkung der tatsächlich geschuldeten Leistung verstehen kann (OLG Bamberg 29.3.90, NJW-RR 90, 903; PfälzOLG Zweibrücken 1.12.94, WM 96, 625).

    Formulierungsvorschläge für Mahnschreiben

    Ein Mahnschreiben sollte grundsätzlich kurz, knapp, klar und ohne Schnörkel sein (siehe Beispiel Nr. 1). Bei Schuldnern, bei denen mit der Verzögerung der Erfüllung zu rechnen ist, kann ausnahmsweise an wirtschaftliche Verhaltensweisen erinnert und das Risiko der Nichterfüllung – auch und gerade im Hinblick auf die Kosten – deutlich aufgezeigt werden (siehe Beispiel Nr. 2). Bei „hartgesottenen” Schuldnern nutzt der Appell an die wirtschaftliche Vernunft wohl nicht. Ein Patentrezept für Mahnschreiben gibt es nicht. Deshalb hier nur zwei beispielhafte Formulierungsvorschläge:


    Quelle: Vollstreckung effektiv - Ausgabe 01/2000, Seite 1

    Quelle: Ausgabe 01 / 2000 | Seite 1 | ID 107387