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  • · Fachbeitrag · Pfändungsfreigrenzen

    Auswirkungen der Erhöhung der Pfändungsfreibeträge zum 1.7.23

    | Zum 1.7.23 wurden durch die Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung (BGBl. I Nr. 79 v. 20.3.23) die Pfändungsfreigrenzen erneut deutlich angehoben. Die Erhöhung wirkt sich wie folgt aus: |

    1. Freibeträge auf einen Blick

    • Monatliche Pfändungsfreibeträge bei Lohnpfändung
    Familienstand Schuldner
    Freibeträge bis 30.6.23 
    Freibeträge ab 1.7.23 bis 30.6.24

    ledig

    1.330,16 EUR

    1.402,28 EUR

    verheiratet

    1.830,78 EUR = + 500,62 EUR für 1. Person

    1.930,04 EUR = + 527,76 EUR für 1. Person

    verheiratet und 1 Kind

    2.109,68 EUR = 1.330,16 EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2. Person

    2.224,06 EUR = 1.402,28 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2. Person

    verheiratet und 2 Kinder

    2.388,58 EUR = 1.330,16 EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2. + 3. Person

    2.518,08 EUR = 1.402,28 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2. + 3. Person

    verheiratet und 3 Kinder

    2.667,48 EUR = 1.330,16 EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2., 3. + 4. Person

    2.812,10 EUR = 1.402,28 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2., 3. + 4. Person

    verheiratet und 4 Kinder

    2.946,38 EUR = 1.330,16 EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2., 3., 4. + 5. Person

    3.106,12 EUR = 1.402,28 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2., 3., 4. + 5. Person

     
    • Monatliche Pfändungsfreibeträge beim P-Konto
    Familienstand Schuldner
    Freibeträge bis 30.6.23 
    Freibeträge seit 1.7.23 bis 30.6.24 

    ledig

    1.340 EUR nach § 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 1, 4 ZPO aufgerundet

    1.410 EUR nach § 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 1, 4 ZPO aufgerundet

    verheiratet

    1.840,62 EUR = 1.340 EUR + 500,62 EUR für 1. Person (§§ 899 Abs. 1 S 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO)

    1.937,76 EUR = 1.410 EUR + 527,76 EUR für 1. Person (§§ 899 Abs. 1 S 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO)

    verheiratet und 1 Kind

    2.119,52 EUR = 1.340 EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO) 

    2.231,78 EUR = 1.410 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO) 

    verheiratet und 2 Kinder

    2.398,42 EUR = 1.340, EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2. + 3. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO)

    2.525,80 EUR = 1.410 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2. + 3. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO) 

    verheiratet und 3 Kinder

    2.677,32 EUR = 1.340, EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2., 3. + 4. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO)

    2.819,82 EUR = 1.410 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2., 3. + 4. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO) 

    verheiratet und 4 Kinder

    2.956,22 EUR = 1.340, EUR + 500,62 EUR für 1. Person + 278,90 EUR für 2., 3., 4. + 5. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 2 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO)

    3.113,84 EUR = 1.410 EUR + 527,76 EUR für 1. Person + 294,02 EUR für 2., 3., 4. + 5. Person (§§ 899 Abs. 1 S. 1, 850c Abs. 2 S. 1 Nr. 1, 902 S. 1 Nr. 1a ZPO) 

     

    2. Erhöhung Weihnachtsgeld

    Nach § 850a Nr. 4 ZPO sind Weihnachtsvergütungen bis zu der Hälfte des Betrags unpfändbar, dessen Höhe sich nach Aufrundung des monatlichen Freibetrags nach § 850c Abs. 1 ZPO i. V. m. § 850c Abs. 4 ZPO auf den nächsten vollen 10-EUR-Betrag ergibt. Im Klartext: Dem Schuldner müssen vom Weihnachtsgeld 705 EUR verbleiben. Betreibt der Gläubiger die Vollstreckung wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche, muss dem Schuldner ein Betrag von 352,50 EUR bleiben (§ 850d Abs. 1 S. 2 i. V. m. § 850a Nr. 4 ZPO).

    3. Erhöhung i. d. R. vorteilhaft für bevorrechtigte Gläubiger

    Im Rahmen einer beantragten Bevorrechtigung nach den §§ 850d, 850f Abs. 2 ZPO werden Unterhalts- und Deliktsgläubiger in der Regel von der Erhöhung profitieren. Dies gilt insbesondere, wenn bevorrechtigte Gläubiger und „Normalgläubiger“ aufeinandertreffen und der Vorrechtsgläubiger nachrangig ist.

     

    • Beispiel ‒ Normalgläubiger vs. Vorrechtsgläubiger

    S. verdient monatlich 2.500 EUR netto und ist ledig. G. 1 pfändet wegen eines Darlehensanspruchs in Lohnansprüche beim ArbG D. Der PfÜB wird D. am 9.2. zugestellt. G. 2 pfändet wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche ebenfalls in Lohn. Das Gericht setzt auf Antrag von G. 2 den notwendigen Selbstbehalt des S. auf 1.100 EUR monatlich fest. Dieser PfÜB wird D. am 15.3. zugestellt. Welche Beträge muss D. an wen abführen?

     

    Der ArbG muss die zuerst zugestellte Pfändung von G. 1 nach § 850c Abs. 5 ZPO beachten.

     

    G. 1 erhält folgende Beträge:

    1. Rechtslage bis 30.6.23

    pfändbarer Betrag gemäß Lohnpfändungstabelle Spalte 0 bei monatlich 2.500 EUR

     

    818,89 EUR

    unpfändbarer Betrag (2.500 EUR ./. 818,89 EUR)

    1.681,11 EUR

    G. 2 erhält als nachrangiger Gläubiger die Differenz zwischen dem unpfändbaren Betrag nach § 850c Abs. 5 ZPO und

     

    1.681,11 EUR

    dem notwendigen Selbstbehalt gemäß § 850d Abs. 1 ZPO

    - 1.100,00 EUR

    pfändbar somit

    581,11 EUR

    2. Rechtslage seit 1.7.23

    pfändbarer Betrag gemäß Lohnpfändungstabelle Spalte 0 bei monatlich 2.500 EUR

    768,40 EUR

    unpfändbarer Betrag (2.500 EUR ./. 768,40 EUR)

    1.731,16 EUR

    G. 2 erhält als nachrangiger Gläubiger die Differenz zwischen dem unpfändbaren Betrag nach § 850c Abs. 5 ZPO und

     

    1.731,16 EUR

    dem notwendigen Selbstbehalt gemäß § 850d Abs. 1 ZPO

    - 1.100,00 EUR

    pfändbar somit

    631,60 EUR

     

    Lösung: G. 2 erhält somit ab dem 1.7.23 monatlich 50,49 EUR mehr.

     

    4. Keine Übergangsregelung

    Weil es an einer Übergangsregelung fehlt, greifen die neuen Freigrenzen ab dem 1.7.23 für alle Beschlüsse, in denen auf die Tabelle nach § 850c ZPO verwiesen wird (sog. Blankettbeschlüsse).

     

    Bei der Pfändung mittels Modul E (Forderungen gegenüber Arbeitgebern) bzw. Modul F (Forderungen gegenüber Agentur für Arbeit, Versicherungs‒träger, Versorgungseinrichtung) gelten die Neuerungen für alle nach dem 1.7.23 ausgezahlten Arbeitseinkommen bzw. pfändbaren Sozialleistungen (§ 850c Nr. 2a ZPO).

     

    Beachten Sie | Die Neuregelungen sind hingegen nicht bei Beschlüssen anzuwenden, in denen das Vollstreckungsgericht die Pfändungsbeträge ohne die Tabelle festlegt, wie bei

    • Pfändungen wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche nach § 850d ZPO,
    • Pfändungen wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung nach § 850f Abs. 2 ZPO,
    • teilweisem Wegfall unterhaltsberechtigter Mitverdiener nach § 850c Abs. 6 ZPO,
    • P-Kontopfändungen nach § 906 Abs. 2 ZPO.

     

    MERKE | Wurde das Arbeitseinkommen dem Konto des Schuldners gutgeschrieben, gilt vor allem bei Kontopfändungen, dass der gegen den Arbeitgeber gerichtete Zahlungsanspruch des Schuldners erfüllt ist. Gegenüber der kontoführenden Bank besteht also zunächst ein Auszahlungsanspruch.

     

    Dieser ist aber nicht, wie das Arbeitseinkommen, automatisch geschützt. Der Schuldner muss daher sein Zahlungskonto in ein P-Konto umwandeln (§ 850k Abs. 2 S. 1 ZPO), wenn er Schutz erlangen will.

     

    Ist dies der Fall, gelten andere Freigrenzen als nach der Tabelle der Pfändungsfreigrenzenbekanntmachung gemäß § 850c ZPO. Solange also der Schuldner sein gepfändetes Konto nicht in ein P-Konto umwandelt, muss die Bank als Drittschuldner verbindlich aufgrund des ursprünglichen Pfändungsbeschlusses so lange leisten, bis der Schuldner ein P-Konto eingerichtet hat.

     

    5. Irrtümliche Zuvielzahlung nach altem Recht: Rückzahlung

    Falls der Arbeitgeber als Drittschuldner ab dem 1.7.23 versehentlich noch die alte Tabelle anwendet, kann der Schuldner verlangen, dass zu viel geleistete Beträge ausgezahlt werden. Der Drittschuldner kann dann seinerseits zu viel gezahlte Gelder vom Gläubiger wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 BGB zurückverlangen.

     

    Beachten Sie | Die neuerliche Erhöhung der Pfändungsfreigrenzen bedeutet für Gläubiger weiterhin eine Verschlechterung. Sie müssen sich daher ‒ allein schon aus Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten ‒ noch intensiver mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschäftigen.

     

    In den Fokus der möglichen Vollstreckungsmaßnahmen treten hier vor allem die folgenden Anträge:

     

    • auf (teilweisen) Wegfall unterhaltsberechtigter Personen gemäß § 850c Abs. 6 ZPO (Modul P und R) und
    • auf Zusammenrechnung mehrerer Arbeitseinkommen, von Arbeits‒einkommen und Sozialleistungen und mehrerer Sozialleistungen gemäß § 850e Nr. 2, 2a ZPO (Modul N).

     

    Im Fall einer positiven Entscheidung über derartige Anträge führt dies für Gläubiger zu einer wesentlichen Verbesserung ihrer Position dadurch, dass sich die pfändbaren Beträge erhöhen.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 118 | ID 49499842