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  • · Fachbeitrag · Arbeitsrecht

    Arbeitszeiterfassung im Verein und das BAG: Müssen Sie die Stechuhr aus dem Keller holen?

    von Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn

    | Beschäftigen Vereine Arbeitnehmer, werden diesen Arbeitszeiten vorgegeben. Eine Erfassung der Arbeitszeit war bislang nicht zwingend erforderlich. Das ändert sich. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nämlich festgestellt, dass alle Arbeitgeber verpflichtet sind, die Arbeitszeit ihrer Arbeitnehmer zu erfassen. Erfahren Sie nachfolgend, welche Auswirkungen diese Entscheidung auf Ihren Verein hat. |

    Um diesen Fall ging es beim BAG

    In dem Verfahren ging es eigentlich um einen Streit zwischen einem Betriebsrat und dem Arbeitgeber, der eine vollstationäre Wohneinrichtung betrieb. Strittig war die Frage, ob der Betriebsrat die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung verlangen könne.

    Die Entscheidung des BAG

    Den Anspruch des Betriebsrats verneinte das BAG, da ein solches Recht dem Betriebsrat nur zustünde, soweit keine gesetzliche Regelung besteht. Bei unionsrechtskonformer Auslegung gebe es aber eine solche gesetzliche Regelung ‒ und zwar in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Diese verpflichte Arbeitgeber, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen (BAG, Beschluss vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21, Abruf-Nr. 231296).

     

    Nach § 3 ArbSchG gehört es zu den Grundpflichten des Arbeitgebers, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Weiter muss er für eine geeignete Organisation sorgen und die erforderlichen Mittel bereitstellen. Daraus leitet das BAG nun die Verpflichtung des Arbeitgebers her, ein System einzuführen, mit dem die von den Arbeitnehmern geleistete Arbeitszeit erfasst werden kann.

     

    PRAXISTIPP | Bislang liegen die Entscheidungsgründe nicht vor. Es ist aber offensichtlich, dass das BAG hier auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Rs. C-55/18, Abruf-Nr. 215595) Bezug nimmt. Der EuGH hatte mit dieser Entscheidung alle Arbeitgeber verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Angestellten vollständig zu erfassen.

     

    Das BAG begründete das damit, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie im Licht der Charta der Grundrechte auszulegen sei. Daraus lässt sich ableiten, dass die gesamte Arbeitszeit und nicht nur die Überstunden zu erfassen seien. Nach dem derzeitigem Recht sei es für Arbeitnehmer äußerst schwierig oder gar praktisch unmöglich, ihre Rechte durchzusetzen. Eine objektive und verlässliche Bestimmung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit ist für die Feststellung, ob die wöchentliche Höchstarbeitszeit einschließlich der Überstunden sowie der Ruhezeiten eingehalten worden ist, unerlässlich.

     

    PRAXISTIPP | Nach dem derzeitigem deutschen Arbeitszeitrecht müssen Sie nach § 16 Abs. 2 ArbZG nur die Überstunden erfassen. Weiter sieht § 17 Abs. 1 MiLoG vor, dass Sie die Arbeitszeiten von geringfügig Beschäftigten aufzeichnen müssen. Diese Nachweise sind mindestens zwei Jahre aufzubewahren.

     

    Auch im Bereich der ehrenamtlich Tätigen müssen Sie die „Arbeitszeit“ nachhalten, da die Übungsleiter- und Ehrenamtspauschale (§ 3 Nr. 26, 26a EStG) nur gewährt werden kann, wenn es sich um eine „nebenberufliche“ Tätigkeit handelt. Die Finanzverwaltung (OFD Frankfurt/Main, Verfügung vom 02.09.2019, Az. S 2245 A ‒ 002 ‒ St 29) interpretiert dies dahingehend, dass durchschnittlich 14 Stunden/Woche geleistet werden dürfen.

    Die Folgen für die Vereinspraxis

    Bereits nach dem Urteil des EuGH war erwartet worden, dass der deutsche Gesetzgeber das Arbeitszeitgesetz anpasst. Dies ist bislang nicht erfolgt. Spätestens jetzt wird er tätig werden müssen.

     

    Da das BAG aber die Ansicht vertritt, dass der Arbeitgeber gesetzlich verpflichtet ist, die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer zu erfassen, sollten Sie schon jetzt die Arbeitszeiten Ihrer Mitarbeiter erfassen.

     

    Wichtig | Das Arbeitsschutzgesetz sieht keine Ausnahmen für „kleine“ Betriebe vor. Es wird selbst dann angewendet, wenn Sie nur einen Arbeitnehmer haben. Wie und in welcher Form Sie die Arbeitszeit erfassen, steht bislang nicht fest. Sie können dies entweder elektronisch oder händisch tun.

     

    Problematisch kann es werden, wenn Sie mit Ihrem Arbeitnehmer eine Vertrauensarbeitszeitregelung getroffen haben. Danach ist der Arbeitnehmer für die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit zuständig. Hier werden Sie kontrollieren müssen, wie die Zeiten erfasst werden. Auch bei Home-Office-Vereinbarungen werden Sie Regelungen treffen müssen, wie die Arbeitszeit erfasst wird.

     

    FAZIT | Nun ist auch der Gesetzgeber am Zug. Schon der EuGH hatte hier darauf hingewiesen, dass die nationalen Gesetzgeber die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines Arbeitszeiterfassungssystems, insbesondere die Form festlegen können. Dabei können die Besonderheiten oder Eigenheiten des jeweiligen Tätigkeitsbereichs und die Größe von Unternehmen berücksichtigt werden. Ob es hier Bereichsausnahmen geben wird, bleibt abzuwarten. Da solche jedoch im Arbeitsschutzgesetz nicht vorgesehen sind, können Sie sich schon jetzt darauf einstellen, dass die Arbeitszeiten immer nachzuhalten sind.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2022 | Seite 18 | ID 48598331