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  • 07.06.2011 | Vertretungsberechtigung im Verein - Teil 2

    Die Verleihung der Vertretungsberechtigung an andere Organe als den BGB-Vorstand

    von Rechtsanwalt Michael Röcken, Bonn

    Ein Verein kann als juristische Person nicht allein handeln. Die Vertretungsberechtigung übernimmt normalerweise der Vorstand („BGB-Vorstand“). In vielen Fällen ist es aber sinnvoll, dass er sich durch weitere Personen und satzungsmäßig bestellte Organe vertreten lässt.  

    Weitere vertretungsberechtigte Organe und Vertreter

    Im Rahmen seiner Vereinsautonomie kann der Verein weitere Organe schaffen, die den Verein vertreten können. Bei der Bezeichnung solcher Organe und deren Befugnisse ist er frei.  

     

    Beispiel

    § (...) Organe des Vereins  

    Organe des Vereins sind  

    • die Mitgliederversammlung,
    • der Vorstand,
    • der Beirat,
    • .....

     

    1. Der besondere Vertreter

    Durch die Satzung kann bestimmt werden, dass neben dem Vorstand für gewisse Geschäfte besondere Vertreter zu bestellen sind. Dessen Vertretungsmacht erstreckt sich im Zweifel auf alle Rechtsgeschäfte, die der ihm zugewiesene Geschäftskreis gewöhnlich mit sich bringt. Es ist aber nicht möglich, dem besonderen Vertreter eine vollumfängliche Vertretungsberechtigung einzuräumen. Eine Gesamtvollmacht - wie bei der Prokura in Handelsgesellschaften - ist in Vereinen nicht möglich.  

     

    In der Satzung sollte darüber hinaus bestimmt werden, wer für die Bestellung des besonderen Vertreters zuständig ist. Hier kann die Satzung den Umfang der Vertretungsmacht entsprechend beschreiben. Nachfolgend das Beispiel für eine Ernennung des Vereins-Geschäftsführers als besonderer Vertreter.  

     

    Beispiel

    § (...) Geschäftsstelle  

    Der Verein unterhält in Musterstadt eine Geschäftsstelle. Diese wird durch einen Geschäftsführer geleitet, der durch die Mitgliederversammlung zu bestellen ist. Er hat die Stellung eines besonderen Vertreters im Sinne des § 30 BGB. Die Vertretungsmacht ist auf Rechtsgeschäfte bis zu ... Euro beschränkt.  

     

    Das BGB enthält keine Regelung, ob auch der besondere Vertreter im Vereinsregister eingetragen werden muss. Viele Registergerichte bestehen aber darauf.  

     

    Beachten Sie: Es ist nicht zwingend, dass der Geschäftsführer die Stellung eines besonderen Vertreters hat. Nicht vertretungsberechtigt wäre der Geschäftsführer bei folgender Satzungsregelung.  

     

    Geschäftsführer ist kein besonderer Vertreter

    § (...) Geschäftsstelle  

    Der Verein unterhält in Musterstadt eine Geschäftsstelle. Diese wird durch einen Geschäftsführer geleitet, der durch den Vorstand berufen wird.  

     

    2. Erteilung einer Vollmacht für Dritte

    Der Vorstand kann auch einem Dritten eine Vollmacht erteilen, um bestimmte Geschäfte zu erledigen. So kann beispielsweise ein Rechtsanwalt beauftragt werden, einen Prozess zu führen oder ein Vereinsmitglied mit dem Kauf von Vereinsutensilien betraut werden. Eine Vollmachtserteilung kann grundsätzlich formfrei erteilt werden, auch wenn das bevollmächtigte Rechtsgeschäft an sich formbedürftig ist.  

     

    Vollmacht

    Hiermit wird Herr Max Mustermann bevollmächtigt, ... (Bezeichnung der zu erledigenden Aufgabe).  

    ...  

    Ort, Datum, Unterschrift des vertretungsberechtigten Vorstands  

     

    Der Vorstand muss die Vollmachtserteilung in vertretungsberechtigter Zahl unterzeichnen. Ein späterer Vorstandswechsel hat auf den Bestand der Vollmacht keinen Einfluss, die Vollmacht muss nicht neu erteilt werden. Der Vorstand darf jedoch keine „Generalvollmacht“ erteilen, weil auf diesem Weg die Kompetenz der Mitgliederversammlung zur Bestellung des vertretungsberechtigten Organs umgangen würde.  

     

    3. Vertretungsberechtigung im Abwicklungsstadium

    Wenn der Verein aufgelöst werden soll oder ihm die Rechtsfähigkeit entzogen wird, fällt das Vermögen an den in der Satzung benannten Berechtigten. Sofern das Vermögen nicht an den Fiskus fallen soll, muss eine Liquidation stattfinden (§ 47 BGB).  

     

    Werden keine anderen Personen zu Liquidatoren bestellt, erfolgt die Liquidation durch den Vorstand (§ 48 BGB). Die Liquidatoren haben die rechtliche Stellung des Vorstands. Sie vertreten den Verein gerichtlich und außergerichtlich und sind in das Vereinsregister einzutragen. Sind mehrere Liquidatoren vorhanden, sind sie nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt und können Beschlüsse nur einstimmig fassen. Hier kann die Satzung aber auch eine abweichende Regelung treffen, wie das die nachfolgende Satzungsklausel tut.  

     

    Satzungsregelung zur Liquidation

    § (...) Auflösung des Vereins  

    (...)  

    Sofern die Mitgliederversammlung keine andere Regelung trifft, erfolgt die Liquidation durch den Vorstand. Die Liquidatoren sind einzelvertretungsberechtigt.  

     

    4. Vertretungsberechtigung im Insolvenzverfahren

    Wenn über das Vermögen des Vereins das Insolvenzverfahren eröffnet ist, geht über dieses Vermögen das Verwaltungs- und Verfügungsrecht allein auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Insolvenzordnung [InsO]). Seine Rechtsstellung verdrängt insoweit die Vertretungsbefugnis des Vorstands, der grundsätzlich in seinem Amt verbleibt.  

     

    Der Vorstand vertritt den Verein jedoch als Schuldner im Insolvenzverfahren. So nimmt er zum Beispiel an der Gläubigerversammlung teil (§ 74 Absatz 1 Satz 2 InsO). Im „insolvenzfreien“ Bereich bleibt die Vertretungsberechtigung des Vorstands jedoch bestehen. Wird zum Beispiel ein Beschluss einer Mitgliederversammlung angegriffen, vertritt der Vorstand den Verein und nicht der Insolvenzverwalter.  

     

    5. Vertretung in einem Klageverfahren

    Der Verein wird durch den Vorstand gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Das heißt, dass der Vorstand für den Verein die Rechte und Pflichten des Vereins im gerichtlichen Verfahren wahrnimmt. Die entsprechenden Vorstandsmitglieder sind somit in einer Klageschrift und in das Urteil aufzunehmen.  

     

    Das hat zur Folge, dass der derzeit amtierende Vorstand nur als Partei gehört, aber nicht als Zeuge vernommen werden kann. Ehemalige Vorstandsmitglieder können aber als Zeuge über ihre damalige Vorstandstätigkeit vernommen werden.  

     

    Besteht in einem gerichtlichen Verfahren kein Anwaltszwang, kann der Vorstand den Prozess selbst führen. Das gilt für nahezu alle erstinstanzlichen Verfahren, insbesondere Verfahren vor dem Amts-, Arbeits-, Verwaltungs-, Sozial- und Landessozialgericht sowie dem Finanzgericht.  

    Folgen fehlender Bevollmächtigung

    Handelt ein Vorstandsmitglied ohne Vollmacht (Beispiel Amtszeit ist schon abgelaufen oder Vorstand wurde nicht wirksam bestellt), wird der Verein grundsätzlich nicht verpflichtet, weil es sich um einen „Vertreter ohne Vertretungsmacht“ handelt.  

     

    Vorstand war nicht zur Vertretung berechtigt

    Der Vertragspartner kann, wenn er die fehlende Vertretungsmacht nicht erkennen konnte, vom Verein entweder die Erfüllung des Vertrags verlangen oder Schadenersatz fordern.  

     

    Beispiel

    Die Satzung sieht vor, dass zur Mitgliederversammlung mit einer Ladungsfrist von vier Wochen geladen werden muss. Tatsächlich wurde nur eine Ladungsfrist von einer Woche eingehalten und auf dieser Mitgliederversammlung haben dazu auch noch Stimmrechtsübertragungen stattgefunden, obwohl die Satzung das nicht vorsieht. Eine dort stattgefundene Vorstandswahl wird nichtig sein. Wenn der gleichwohl bestellte Vorstand beim örtlichen Sportfachhändler zehn Trikotsätze bestellt, kann der Händler diesen „Vorstand“ persönlich in Anspruch nehmen.  

     

    Das Gleiche gilt auch, wenn das - ordentliche bestellte - Vorstandsmitglied nicht einzelvertretungsberechtigt ist.  

     

    Wichtig: Es besteht somit ein gewisses Haftungsrisiko für den Handelnden, wenn die Frage der Bevollmächtigung nicht im Vorfeld hinreichend geklärt oder der bestehende Rahmen überschritten wird. Handelt ein nicht Vertretungsberechtigter für den Verein, kann der Verein das vorgenommene Geschäft aber genehmigen, sodass es auch für ihn Wirkung entfaltet.  

     

    Vertreter hatte Anscheins- oder Duldungsvollmacht

    Der Verein kann auch in Anspruch genommen werden, wenn ein Vertreter im Rahmen der sogenannten Anscheins- und Duldungsvollmacht gehandelt hat.  

     

    Bei der Anscheinsvollmacht ergibt sich aus dem Verhalten des Vereins der Anschein, dass der nicht Vertretungsberechtigte tatsächlich vertretungsberechtigt wäre.  

     

    Beispiel für Anscheinsvollmacht

    Ein besonderer Vertreter ist nur berechtigt, allein Geschäfte bis zu einer Grenze von jeweils 500 Euro zu tätigen. Über einen längeren Zeitraum kauft er bei einem Händler aber Sportgeräte für jeweils weit über 1.000 Euro, ohne dass der Verein dies beanstandet. Hier besteht der Anschein, dass der Vertreter dazu berechtigt ist. Der Verein muss dafür geradestehen. Es ist nicht erforderlich, dass er von den Handlungen Kenntnis hatte. Es reicht, dass der Verein das hätte erkennen können.  

     

    Bei der Duldungsvollmacht kommt hinzu, dass der Verein das Handeln des Vertreters duldet. Im obigen Beispiel läge eine Duldungsvollmacht vor, wenn der Verein von den Aktivitäten des besonderen Vertreters weiß, nicht einschreitet und ihn weiter - über den Rahmen seiner Berechtigung - handeln lässt.  

     

    Weiterführende Hinweise

    • Vertretungsberechtigung im Verein Teil 1: Möglichkeiten zur Regelung der Vertretungsberechtigung innerhalb des Vorstands - VereinsBrief Ausgabe 5/2011, Seite 4 bis 8.

     

    Quelle: Ausgabe 06 / 2011 | Seite 9 | ID 145760