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  • · Fachbeitrag · Gebührenbemessung

    GOÄ-Faktoren steigern: Etwas Mühe lohnt sich

    von Dr. med. Bernhard Kleinken, Pulheim

    | Niedergelassene Ärzte rechnen weit seltener Leistungen mit höheren (über 2,3- bzw. 1,8-fach) Faktoren ab als Krankenhausärzte. Dabei ist besonders die Zurückhaltung von Haus- und Kinderärzten auffällig. Verständlich ist das, denn die Berechnung höherer Faktoren erfordert etwas Mühe, um nicht mit Einwänden von Patienten konfrontiert zu werden, deren Kostenträger den (höheren) Faktor monieren oder die wegen ihrer Selbstbeteiligung in der Versicherung erklärt haben möchten, warum „das nun teurer geworden“ wäre ... |

    Bislang ungenutztes Honorarpotenzial heben

    Als niedergelassener Arzt, der von höheren GOÄ-Faktoren Abstand nimmt, sollte man sich vor Augen halten, dass man durch solche Zurückhaltung erhebliches Honorarpotenzial ungenutzt lässt ‒ und das angesichts eines seit 1996 unveränderten Honorars der jeweiligen Leistung. Hinzu kommt, dass Ärzte, die sich mit den „Spielregelnc“ der Steigerung auskennen, nur selten von nennenswerten Problemen berichten. Um aufzuklären und zu motivieren, erfolgt die Darstellung recht ausführlich ‒ fast wie in einem GOÄ-Kommentar.

    Der „Regelsatz“

    Der Einfachheit halber stellen wir in den folgenden Ausführungen auf den 2,3-fachen Faktor ab. Gleiches gilt aber auch für den 1,8-fachen Faktor bei den sogenannten „technischen“ Leistungen. Die GOÄ sagt im § 5 Abs. 1 S. 1, dass die Gebühr zwischen dem einfachen (Faktor 1) und 3,5-fachen Faktor bemessen wird. In Abs. 2 S. 4 GOÄ heißt es, dass die Gebühr „in der Regel“ zwischen 1,0- und 2,3-fach bemessen wird. Ein Überschreiten sei nur zulässig, wenn zuvor genannte Besonderheiten (dazu später) dies rechtfertigen.

     

    In der Mitte zwischen 1,0 und 2,3 liegt (rechnerisch) der 1,7-fache Faktor. Warum aber stattdessen der 2,3-fache Faktor zum „Regelsatz“ geworden ist, erklärt sich aus der Historie der GOÄ. Der Streit über die Höhe des „Regelsatzes“ wurde im Jahr 2011 in der GOZ (Zahnärzte) entschieden.

     

    • § 5 GOZ Abs. 2 S. 3 (voll übertragbar auf die GOÄ)

    Der 2,3-fache Gebührensatz bildet die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen.

     

    Als unmittelbare Folgerung daraus ergibt sich, dass bei überdurchschnittlicher Leistung ein höherer Faktor angemessen ist ‒ bei „unterdurchschnittlicher“ Leistung aber auch ein Faktor von unter 2,3.

    Die Bemessungskriterien

    Als Bemessungskriterien des Faktors nennt die GOÄ (§ 5 Abs. 2 S. 1) ‒ wie auch die GOZ ‒ in erster Linie

    • Schwierigkeit und Zeitaufwand der einzelnen Leistung sowie
    • Umstände bei der Ausführung.

     

    Wichtig ist der Hinweis auf die „einzelne Leistung“. Das heißt: Die Besonderheit muss für jede einzelne, mit einem höheren Faktor bemessene Leistung gegeben sein. Der Grund für den höheren Faktor kann zwar auch für mehrere Leistungen zutreffen, er färbt jedoch nicht ab.

     

    MERKE | Es ist unzulässig, eine Leistung mit höherem Faktor anzusetzen, weil eine andere Leistung nicht berechnet werden kann. Z. B. darf Nr. 7 GOÄ nicht deswegen erhöht werden, weil die Beratung (Nr. 1) nicht berechnungsfähig ist. Nr. 7 selber muss aufwendiger gewesen sein.

     

    „Schwierigkeit und Zeitaufwand“ sind (nahezu) selbsterklärend. Der „Umstand bei der Ausführung“ bezieht sich auf äußere Umstände, z. B. eine Leistungserbringung außerhalb der Praxis oder zur „Unzeit“. Dabei muss jedoch beachtet werden, dass der „Umstand bei der Ausführung“ nicht herangezogen werden kann, wenn schon die Leistung selber das berücksichtigt. In der GOÄ (§ 5 Abs. S. 2) heißt das: „Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben.“ Z. B. darf

    • ein Hausbesuch nicht wegen „Leistung außerhalb der Praxis“ oder
    • eine Ziffer nicht wegen der „Unzeit“ gesteigert werden, wenn für sie ein „Unzeitzuschlag“ berechnet werden kann.

     

    MERKE | Das schließt aber nicht aus, dass die Leistung wegen anderer „Umstände“ gesteigert werden darf. Dies wäre z. B. denkbar, wenn

    • der Hausbesuch unter äußeren Umständen erfolgt, die das gewöhnliche Maß übersteigen („erschwerte Versorgung auf der Landstraße“) oder
    • die Untersuchung nach Nr. 7 ‒ trotz Zuschlag D ‒ schwieriger und/oder zeitaufwendiger war als durchschnittlich.
     

    Schließlich sagt die GOÄ im § 5 Abs. 2 S. 2 noch, dass (nur) bei Leistungen, die bis 3,5-fach bemessen werden können, die Schwierigkeit der Leistung „auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalls begründet“ sein kann. Ein „schwieriger Krankheitsfall“ ist nicht gleichbedeutend (wenn dann auch zutreffend) mit einer „schweren Erkrankung“. Ein Krankheitsfall kann z. B. auch dann „schwierig“ sein, wenn mehrere, für sich genommen nicht gravierende Erkrankungen zusammenkommen oder eine „Standardtherapie“ nicht anschlägt und ein Therapiewechsel erläutert werden muss.

     

    MERKE | Zu beachten ist wieder, dass die Leistung, wie auch bei den zuvor genannten Kriterien, selber tatsächlich erschwert sein muss. Beispielsweise macht ein Malignom ggf. Beratungs- und Untersuchungsleistungen schwieriger, nicht aber unbedingt die Sonografie.

     

    Nach billigem Ermessen

    „Irgendwer“ muss zudem ermessen, ob die Leistung schwieriger und/oder zeitaufwendiger war oder die äußeren Umstände besonderer Art waren. In der GOÄ (§ 5 Abs. 2 S. 1) „... sind die Gebühren … nach billigem Ermessen zu bestimmen.“ „Billig“ ist zu verstehen als „unter Beachtung der vorgegebenen Kriterien und angemessen“. Und wer kann beurteilen, ob die Leistung aufwendiger war und in welcher Höhe der Faktor angemessen ist? Sie ‒ und nicht eine Versicherung oder Beihilfe.

     

    „Billig“ im Sinne von „angemessen“ heißt aber auch, dass Besonderheiten bei einer Leistungserbringung nicht immer direkt zum 3,5-fachen Faktor führen. GOÄ-systematisch und sachlogisch muss es auch Leistungen geben, die z. B. mit dem 3,0- oder 3,3-fachen Faktor „billigu“ bemessen sind.

     

    PRAXISTIPP | Wer den Faktor „reflexhaft“ immer nur 2,3- und 3,5-fach bemisst, ist beim ersten Augenschein unglaubwürdiger als jemand, der auch Zwischenschritte anwendet. Die Bemessung auch anderer Faktoren zeigt, dass Sie die Angemessenheit des Faktors peinlich genau abgewogen haben. Dazu kann auch gehören, dann, wenn eine Leistung mal „besonders flott von der Hand ging“, einen niedrigeren Faktor zu bemessen. I. d. R. sind das ohnehin gering bewertete Leistungen und bei einem kleinen Verband auf der Rechnung z. B. die Nr. 200 nur mit Faktor 1,8 zu bemessen, macht in Hinsicht auf die Angemessenheit der höheren Faktoren nahezu unangreifbar.

     

    Erläuterungen zu den Anforderungen an die in der Rechnung zu gebende Begründung (mit Beispielen) sowie den Umgang mit Einwänden von Kostenträgern oder Patienten thematisieren wir in einer der nächsten Ausgaben von AAA.

     

    FAZIT | Wer auf Faktorerhöhungen verzichtet oder sich unangemessen zurückhält, verzichtet auf ihm zustehendes Honorar. Die folgenden Fakten und Regelungen sind mit Blick auf die Wahl der Faktoren zu berücksichtigen.

     

    • Der 2,3- (bzw. 1,8-fache) Faktor ist dann angemessen, wenn der Aufwand für die Leistung durchschnittlich war.

     

    • Für aufwendigere oder unter besonderen Umständen stattfindende Leistungen fordert die GOÄ die Bemessung eines höheren Faktors (es heißt „… sind die Gebühren zu bestimmen“, nicht „darf“).

     

    • Die Kriterien für besonderen Aufwand/Umstände sind im Beitrag erläutert. Diese Kriterien müssen für die jeweilige Leistung erfüllt sein, die mit höherem Faktor bemessen wird.

     

    • Der Faktor muss differenziert angewendet werden, nicht schematisch nur 2,3- (1,8-)fach und 3,5- (2,5-)fach.

     

    • Das „Ermessen“ des richtigen Faktors können nur Sie ausüben, nicht eine Versicherung oder Beihilfe.
     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2020 | Seite 9 | ID 46323165