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  • · Fachbeitrag · Drittauskünfte

    Einholung von Drittauskünften nach Abnahme der Vermögensauskunft

    | In der Praxis ist mittlerweile ein heftiger Streit darüber entbrannt, ob der Gerichtsvollzieher Drittauskünfte nach § 802l ZPO nur einzuholen darf, wenn Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Vermögensauskunft oder Anhaltspunkte für weitere Vermögenswerte bestehen. |

    1. Stand der Rechtsprechung

    Insbesondere vier Entscheidungen stellen die unvereinbaren Ansichten besonders deutlich dar:

     

    • Rechtsprechungsübersicht
    Gericht
    Stets Einholung von Drittauskünften nach Abgabe VA
    Einholung von Drittauskünften nur bei Anhaltspunkten für weitere Vermögenswerte bzw. Zweifeln an Richtigkeit oder Vollständigkeit der VA

    AG Hagen

     VE 14, 92

    LG Magdeburg

    DGVZ 14, 224

    LG Nürnberg-Fürth

    DGVZ 14, 245

    AG Altöttingen

    DGVZ 14, 268

     

    2. Stärkere Argumente sprechen für stetige Einholung

    § 802l Abs. 1 S. 1 ZPO sieht ausdrücklich vor, dass der Gerichtsvollzieher Auskünfte bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung, dem Bundeszentralamt für Steuern, und dem Kraftfahrt-Bundesamt einholen darf, wenn

    • der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachkommt oder
    • bei der Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist.

     

    Eine Einschränkung dieser Vorschrift dahingehend, dass bei Vorliegen einer Vermögensauskunft des Schuldners für das Einholen der Drittauskünfte Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist, lassen sich weder dem Gesetz noch der Gesetzesbegründung entnehmen. § 802l ZPO wurde mit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung (BGBl. I, S. 2258) eingeführt. Bereits in der Vorbemerkung zur Gesetzbegründung werden als Unzulänglichkeiten der bisherigen - auf den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen des 19. Jahrhunderts fußenden - gesetzlichen Regelungen die begrenzten Möglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger und insbesondere deren Beschränkung auf die Eigenangaben des Schuldners bezeichnet (BT-Drucksache 16/13432, 1). Mit der Möglichkeit, in diesen Fällen Fremdauskünfte durch den Gerichtsvollzieher einholen zu lassen, soll diesem Informationsdefizit bei der Durchsetzung von Forderungen Rechnung getragen und dem Gläubiger im Interesse der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Zwangsvollstreckung der Zugang zu besseren Informationen über mögliche Vollstreckungsobjekte des Schuldners (Sachaufklärung) gewährleistet werden (BT-Drucksache 16/13432, 40).

     

    PRAXISHINWEIS | Diesem Zweck widerspricht es, wenn bei Vorliegen einer Vermögensauskunft der Gläubiger Anhaltspunkte dafür vortragen und glaubhaft machen müsste, dass die vom Schuldner abgegebene Vermögensauskunft unrichtig oder unvollständig ist. Über solche Informationen verfügt der Gläubiger normalerweise nicht. Er wird sie im Gegensatz zu staatlichen Stellen auch nicht ohne Weiteres erlangen können. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist es ferner nicht erwünscht, dass der Gläubiger eigene Nachforschungen zur Richtigkeit oder Vollständigkeit der Vermögensauskunft anstellt. Vielmehr soll durch die Auskunftsmöglichkeiten des Gerichtsvollziehers als staatlicher Stelle und der Einführung eines justizförmigen Verfahrens, das dem Justizgewährleistungsanspruch gerecht wird, eine Selbsthilfe des Gläubigers obsolet werden (BT-Drucksache, a.a.O.).

     

     

    Dem Gesetzgeber war ausweislich der Gesetzesbegründung bewusst, dass er mit § 802l ZPO in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung eingreift. Vor dem Hintergrund bislang fehlender Möglichkeiten zur Überprüfung der Auskünfte des Schuldners auf deren Richtigkeit sieht er in der Einführung derartiger Auskunftsrechte ein legitimes Mittel zur Stärkung der Gläubigerrechte, das vor dem Hintergrund der Möglichkeiten des Schuldners, derartige Auskünfte durch wahrheitsgemäße und vollständige Angaben sowie einer Bereitschaft zur gütlichen Erledigung der Vollstreckungsangelegenheit abzuwehren, auch angemessen sei (BT-Drucksache 16/13432, 41). Diese Einschätzung ist vom Beurteilungsspielraum des Gesetzgebers gedeckt, zumal in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich durch Gesetz eingegriffen werden darf (BVerfG BVerfGE 118, 168) und § 802l ZPO mit der Wertgrenze in Abs. 1 S. 2 und den Löschungs-, Protokollierungs- und Mitteilungspflichten in Abs. 2 und 3 verhältnismäßig ausgestaltet ist.

     

    Die Fremdauskünfte sind auch geeignet, neue Erkenntnisse zu vermitteln, insbesondere die Erkenntnis, ob die Vermögensauskunft tatsächlich richtig und vollständig war. Mit dieser Information ist auch ein Vollstreckungsvorteil des Gläubigers verbunden, weil er mit der externen Prüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Vermögensauskunft eine von den Eigenangaben des Schuldners unabhängige Möglichkeit erlangt, sich über den Vermögensstand des Schuldners Klarheit zu verschaffen. Diese Prüfungsmöglichkeit und die Schaffung eines Ausforschungsverfahrens waren vom Gesetzgeber ausdrücklich beabsichtigt (Musielak/Voit, ZPO, 11. Aufl., § 802l Rn. 7).

     

    PRAXISHINWEIS | Gläubiger sollten bei Weigerung durch den Gerichtsvollzieher auf jeden Fall Vollstreckungserinnerung gemäß § 766 ZPO einlegen, um so im Wege einer möglichen Rechtsbeschwerde eine verbindliche Entscheidung des BGH zu erwirken.

     

     

    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 30 | ID 43139277