Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Mietmängel

    Kein Verlust der Gewährleistungsrechte bei vorbehaltloser Ausübung der Verlängerungsoption

    von RiOLG Günther Geldmacher, Düsseldorf

    • 1. Die vorbehaltlose Ausübung einer Verlängerungsoption durch den Mieter führt nicht gemäß oder entsprechend § 536b BGB dazu, dass der Mieter für die Zukunft mit seinen Rechten aus §§ 536, 536a BGB ausgeschlossen ist.
    • 2. Nachträgliche Änderungen der Miethöhe (hier: einvernehmliche Erhöhung der Betriebskostenvorauszahlung) können für sich genommen die entsprechende Anwendung des § 536b BGB ebenfalls nicht rechtfertigen; das schließt die Anwendung der Grundsätze des § 242 BGB im Einzelfall nicht aus.

    (BGH 5.11.14, XII ZR 15/12, Abruf-Nr. 173265)

     

    Sachverhalt

    Vor Mietbeginn waren in den Mieträumen absprachegemäß abgehängte Decken eingebaut und außerdem mit Wissen und Einverständnis des Mieters die bereits in den Räumen befindliche raumlufttechnische Anlage teilweise umgestaltet worden. Ende 96 traten die Kläger in das befristete Mietverhältnis ein. Die Mieter übten die ihnen zustehende Option zur Verlängerung des Mietvertrags zweimal aus, ohne einen Vorbehalt wegen Mietmängeln zu erklären. In 05 einigten sich die Vertragsparteien auf eine Erhöhung der monatlichen Betriebskostenvorauszahlungen.

     

    Spätestens seit 6/06 rügten die Kläger Mängel im Zusammenhang mit den raumklimatischen Bedingungen der Mieträume. Sie zahlten die Miete ab 8/06 nur noch unter Vorbehalt. Gestützt auf ein selbstständiges Beweisverfahren rügten sie, in den Räumen komme es zu Zuglufterscheinungen wegen undichter Fenster und im Bereich der abgehängten Decken. Die RLT-Anlage sei nur unzureichend leistungsfähig, aus hygienischer Sicht wegen starker Verschmutzung nicht mehr vertretbar und weise keine Revisionsöffnungen und Reinigungsmöglichkeiten auf. Am 3.3.08 wurde die dritte Verlängerungsoption ausgeübt. Die Klage auf Rückzahlung überzahlter Miete, Zahlung eines Vorschusses (395.463 EUR) für die Beseitigung der Mietmängel, einer Minderungsquote von 45 Prozent und auf Schadenersatz wird in zweiter Instanz abgewiesen. Die Revision ist begründet.

    Entscheidungsgründe

    Gemäß § 536b BGB stehen dem Mieter die Rechte aus den §§ 536 und 536a BGB nicht zu, wenn er den Mangel der Mietsache bei Vertragsschluss kennt oder - ohne dass der Vermieter den Mangel arglistig verschwiegen hätte - infolge grober Fahrlässigkeit nicht kennt oder wenn er die mangelhafte Sache trotz Mangelkenntnis annimmt, ohne sich seine Rechte bei der Annahme vorzubehalten. Kernpunkt der Entscheidung ist die vom BGH verneinte Frage, ob § 536b BGB auch auf die vorbehaltlose Verlängerungsoption anzuwenden ist.

     

    Keine unmittelbare Anwendung

    § 536b BGB findet auf die Ausübung einer Verlängerungsoption keine unmittelbare Anwendung. Grund: Es handelt sich dabei nicht um einen Vertragsschluss im Sinn dieser Vorschrift. Eine Option, die einer oder beiden Parteien das Recht einräumt, das bestehende Mietverhältnis durch einseitige Erklärung um eine bestimmte Zeit zu verlängern, ist ein schon im Ausgangsvertrag eingeräumtes Gestaltungsrecht.

     

    Merke | Durch ihre Ausübung kommt kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirkt sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändert und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufügt.

     

    Im Übrigen wird der Mietvertrag aber mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt und die Identität des Vertrags bleibt erhalten. Das heißt: Die Ausübung einer Verlängerungsoption bewirkt keine Änderung der vertraglichen Beziehungen, die einen Neuabschluss des Mietvertrags darstellt.

     

    Keine entsprechende Anwendung

    Zur alten Rechtslage entsprach es höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Ausübung einer Verlängerungsoption eine entsprechende Anwendung von § 539 BGB a.F. rechtfertigt (NJW 70, 1740). Aufgrund der seit dem Inkrafttreten der §§ 536b, 536c BGB bestehenden neuen Rechtslage ist diesem Erst-Recht-Schluss aber die Grundlage entzogen. Es fehlt nämlich seit der Neuregelung durch das am 1.9.01 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.01 (BGBl I, 1149) an einer für eine Analogie erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Im Übrigen wäre eine entsprechende Anwendung des § 536b BGB auf die vorbehaltlose Ausübung der Verlängerungsoption durch den Mieter auch nicht in Ansehung des Gesetzeszwecks geboten sein.

     

    Einvernehmliche Anhebung der Betriebskostenvorauszahlung

    Insoweit gilt gleichermaßen, dass der Gesetzgeber mit § 536b BGB und § 536c BGB eindeutig zwischen den Situationen bei Vertragsschluss bzw. Vertragsbeginn einerseits und während eines laufenden Mietverhältnisses andererseits unterschieden, die weitreichende Rechtsfolge eines in die Zukunft wirkenden Rechtsverlustes des Mieters nur für erstere angeordnet hat und eine planwidrige Regelungslücke nicht besteht. Zudem gebietet weder der Gesetzeszweck eine Analogie, noch ist die einvernehmliche Mieterhöhung dem Vertragsschluss i.S. des § 536b S. 1 BGB vergleichbar. Wie die Vertragsverlängerung durch Optionsausübung bewirkt sie eine Änderung nur hinsichtlich einer einzelnen Vertragsbestimmung, lässt die rechtlichen Beziehungen der Vertragsparteien im Übrigen aber unberührt.

    Praxishinweis

    Der BGH hat bereits entschieden, dass es dem erklärten Willen des Reformgesetzgebers entspricht, bei nachträglich eintretenden oder bekannt werdenden Mängeln den für die Zukunft wirkenden Rechtsverlust des § 536b BGB nicht eintreten zu lassen und es sich bei § 536c BGB um die abschließende Regelung für nachträglich sich zeigende Mängel handeln soll (MK 07, 14, Abruf-Nr. 063513; ZMR 05, 770; MK 03, 136, Abruf-Nr. 031736). Der XII. Senat bestätigt diese Rechtsprechung unter Aufgabe von BGH NJW 70, 1740 entgegen der h. M. im Schrifttum und einer Vielzahl konträrer OLG-Urteile (zuletzt OLG Koblenz, ZMR 14, 883) nunmehr auch für den Fall der vorbehaltlosen Ausübung einer Verlängerungsoption und - wie aus Leitsatz 2 ersichtlich - für den Fall einer einvernehmlichen Anhebung der Betriebskostenvorauszahlung. Für sonstige Mieterhöhungen kann nichts anderes gelten.

     

    Das heißt: § 536b BGB ordnet nur für bei Vertragsschluss bzw. Annahme der Mietsache vorliegende und dem Mieter bekannte (bzw. unter den Voraussetzungen des Satz 2 unbekannte) Mängel die für ihn einschneidende Folge des Ausschlusses der Rechte aus den §§ 536 und 536a BGB an. Für alle anderen Mängel trifft § 536c BGB eine andere Regelung. Folge: Der Mieter behält bei mangelhafter Mietsache und vorbehaltloser Ausübung einer Verlängerungsoption vor allem sein Minderungsrecht für zukünftige Zeiträume.

     

    Hat der Mieter aber über einen längeren Zeitraum und - anders als hier - ohne jeden Vorbehalt die Miete ungekürzt weiter gezahlt, wird eine rückwirkende Minderung durch Geltendmachung des Bereicherungsanspruchs gemäß §§ 812, 818 Abs. 2 BGB regelmäßig an § 814 BGB scheitern. Der BGH (MK 03, 136) nimmt an, dass dem Mieter beim heutigen Kenntnisstand der beteiligten Kreise sein Recht zur Herabsetzung der Miete bekannt ist, er also eine „Überzahlung” für die Vergangenheit nicht zurückfordern kann.

     

    Korrekturen sind im Einzelfall über § 242 BGB (Verwirkung) möglich. Die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben ermöglicht es, dem jeweiligen Verhalten des Mieters im Zusammenhang mit einer Vertragsverlängerung oder Mieterhöhung unter Berücksichtigung etwaiger vermieterseitiger Vertrauenstatbestände im Einzelfall rechtlich angemessen auch für die Zukunft Rechnung zu tragen.

     

    Merke | Der Tatbestand der Verwirkung setzt neben dem Zeitablauf das Vorliegen besonderer, ein Vertrauen des Verpflichteten begründender Umstände voraus. Zwischen diesen Umständen und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind, und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist; ein Wechsel auf Seiten des Berechtigten oder Verpflichteten ist für das Zeitmoment grundsätzlich ohne Bedeutung (BGH MK 06, 32, Abruf-Nr. 053634).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Zum Schadenersatzanspruch des Vermieters wegen Verletzung der Mängelanzeige durch den Mieter, BGH MK, 13, 61, Abruf-Nr. 130303 
    • Zum Irrtum des Mieters über die Höhe der Mietminderung, Wetekamp, MK 12, 176
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 3 | ID 43117335