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  • · Fachbeitrag · Kindererziehungszeiten

    Die verbesserte „Mütterrente“

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    | Mit dem „Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung“ vom 23.6.14 (BGBl. I S. 787) hat der Bundestag mit Wirkung zum 1.7.14 u.a. eine Verbesserung der sog. Mütterrente beschlossen. |

    1. Begriff „Mütterrente“

    Mit „Mütterrente“ ist die Bewertung von Erziehungszeiten für Kinder gemeint, die vor 1992 geboren wurden. Für sie wurde seit Einführung der Kindererziehungszeiten (KEZ) 1986 nur ein Jahr KEZ entsprechend 1 Entgeltpunkt auf dem Versicherungskonto berücksichtigt. Ab dem 1.7.14 wird für diese Kinder ein zusätzliches Jahr der KEZ angerechnet, was zur Gutschrift von 2 Entgeltpunkten je Kind führt. Dies gilt auch für Väter, soweit die Eltern ihm durch gemeinsame Erklärung gegenüber dem Rentenversicherungsträger (RVT) die KEZ zugeordnet haben. Für nach 1991 geborene Kinder werden schon seit 1992 drei Jahre KEZ angerechnet und 3 Entgeltpunkte gutgeschrieben.

     

    Die Gutschrift von 1 Entgeltpunkt entspricht ab 1.7.14 einem Rentenwert von monatlich 28,61 EUR in den alten und 26,39 EUR in den neuen Bundesländern. Um diese (Brutto-)Beträge erhöhen sich ggf. auch laufende Renten, ohne dass dies beantragt werden muss und unabhängig von der zum 1.7.14 vorzunehmenden allgemeinen Rentenanpassung (um 1,67 Prozent in den alten und 2,53 Prozent in den neuen Bundesländern). Auch bei Versicherten, die noch keine Rente beziehen, wird der zusätzliche Entgeltpunkt je Kind von Amts wegen beachtet, wenn die KEZ bereits im Rentenkonto gespeichert ist. Ist bisher noch keine KEZ darin gespeichert, muss ihre Anrechnung beim zuständigen RVT ausdrücklich geltend gemacht werden.

    2. Berücksichtigung in laufenden VA-Verfahren

    In laufenden Versorgungsausgleichs- (VA-)Verfahren ist eine Neuberechnung der ehezeitlichen Rentenanwartschaft (RAW) erforderlich, wenn bei der Ehefrau (bzw. beim Ehemann) eine KEZ für ein vor 1992 geborenes Kind berücksichtigt worden ist. Es kann sogar aufgrund der Verbesserung der Mütterrente erstmals eine auszugleichende RAW entstehen. Das ist der Fall, wenn in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) keine Beitragszeiten zurückgelegt und bisher auch keine KEZ geltend gemacht wurden, weil diese allein zur Erfüllung der Wartezeit von 60 Monaten für eine Altersrente nicht ausreichten. Aufgrund der verbesserten Bewertung der KEZ genügen nun drei vor 1992 geborene Kinder zur Erfüllung der Wartezeit. Kommt dies in Betracht, ist erstmals eine Auskunft zum VA vom zuständigen Versicherungsträger (wenn noch kein Konto besteht: die RV Bund in Berlin) einzuholen. Ausgeschlossen ist die Anrechnung einer KEZ in der RV jedoch für Personen, bei denen die Kindererziehung „annähernd gleichwertige“ in einem anderen Versorgungssystem berücksichtigt wird (z.B. in der Beamtenversorgung).“

    • Beispiel 1

    F und M haben drei vor 1992 geborene Kinder. Für diese hat bisher keiner die Anrechnung von KEZ in der gesetzlichen RV beantragt. F hat nur Anrechte in einer berufsständischen Versicherung erworben. Dort werden keine KEZ angerechnet. Bisher erfüllte F allein mit den KEZ nicht die Wartezeit für eine Rente aus der gesetzlichen RV. Wenn sie die KEZ jetzt in der gesetzlichen RV geltend macht, erreicht sie eine Wartezeit von (24 Monate x 3 Kinder =) 72 Monaten. Im VA ist daher vom Bestand (auch) einer gesetzlichen RAW auszugehen.

     

    Im VA sind die ehezeitlichen Anrechte hälftig zu teilen, § 1 VersAusglG. Dies gilt auch für die Entgeltpunkte aufgrund von KEZ (BGH FamRZ 07, 1966). Soweit diese in die Ehezeit fallen, steht dem Ausgleichsberechtigten (i.d.R. dem Ehemann) bei der Scheidung ein Anspruch auf die Hälfte der dafür angerechneten Entgeltpunkte zu. Dies macht seit dem 1.7.14 für jedes vor 1992 geborene Kind einen vollen statt einen halben Entgeltpunkt aus.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Anwälte der Ehemänner müssen darauf achten, dass neue Auskünfte der Versorgungsträger eingeholt werden, die die höheren Entgeltpunkte aufgrund der „Mütterrente“ enthalten. Dies gilt umso mehr, wenn eine spätere Korrektur im Abänderungsverfahren wahrscheinlich nicht zu erreichen ist.

     

    Hat das Gericht bei seiner Entscheidung die verbesserte Mütterrente noch nicht berücksichtigt, sollte der Ausgleichsberechtigte Beschwerde einlegen. Eine Höherbewertung der KEZ für ein vor 1992 geborenes Kind kann auch noch in einem aus anderem Grund bereits in der Beschwerdeinstanz befindlichen VA-Verfahren verfolgt werden. Hat er unbeschränkt Beschwerde eingelegt, genügt es, wenn er auf die zum 1.7.14 eingetretene Rechtsänderung verweist. Hatte er seine Beschwerde auf den Ausgleich eines anderen Anrechts beschränkt, ist eine (ausdrückliche) Beschwerdeerweiterung erforderlich, die bis zum Abschluss des Verfahrens zulässig ist. Hat ein anderer Beteiligter Beschwerde eingelegt und bezieht sich diese nicht (auch) auf die gesetzliche RV, muss der Ehemann Anschlussbeschwerde einlegen und diese auf die Rechtsänderung in der gesetzlichen RV stützen. Die Anschlussbeschwerde ist unbefristet zulässig und kann sich auch auf ein anderes Anrecht beziehen als die Beschwerde.

     

    Ist die VA-Entscheidung rechtskräftig, kann ein nachträglicher Ausgleich zugunsten des Ehemanns für die aufseiten der Ehefrau eingetretene Erhöhung ihrer RAW mit dem Abänderungsverfahren erreicht werden. Die Voraussetzungen richten sich bei Entscheidungen, die nach dem vor dem 1.9.09 geltenden Recht getroffen worden sind, nach den §§ 51, 52 VersAusglG, bei nach neuem VA-Recht ergangenen Entscheidungen nach §§ 225, 226 FamFG. Es ist stets ein Antrag an das Familiengericht erforderlich, der jedoch frühestens 6 Monate vor Eintritt eines Versorgungsfalls zulässig ist, § 52 Abs. 1 VersAusglG, § 226 Abs. 2 FamFG.

     

     

    Ist die Entscheidung nach früherem VA-Recht ergangen, kann sie abgeändert werden, wenn sich der Wert (mindestens) eines in den Ausgleich einbezogenen Anrechts um mindestens 5 Prozent des bisherigen Ausgleichswerts geändert hat (relative Wesentlichkeitsgrenze). Außerdem muss die Wertänderung einen absoluten Grenzwert übersteigen. Er beträgt bei Rentenwerten, wie sie Entscheidungen nach früherem Recht immer zugrunde lagen, 1 Prozent der am Ende der Ehezeit maßgeblichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV (absolute Wesentlichkeitsgrenze). Der Wert einer gesetzlichen RAW kann sich seit der Entscheidung über den VA verändert haben. Allein in Bezug auf die Bewertung der KEZ sind folgende (jeweils mit Rückwirkung eingeführte) Änderungen bedeutsam:

     

    • Einführung der KEZ zum 1.1.86;
    • Erweiterung der KEZ für ab 1992 geborene Kinder von 12 auf 36 Monate;
    • verbesserte Bewertung aller KEZ ab 1.7.98;
    • Erweiterung der KEZ für vor 1992 geborene Kinder von 12 auf 24 Monate ab 1.7.14.

     

    MERKE | Je mehr Kinder in der Ehezeit (i.S. des § 3 Abs. 1 VersAusglG) erzogen worden sind und je länger der VA zurückliegt, umso mehr lohnt sich i.d.R. für einen Ehemann ein Abänderungsantrag wegen der verbesserten Mütterrente.

     

    • Beispiel 2

    F und M wurden 1985 geschieden. Ehezeitende war der 31.10.84. Im VA wurden bei F noch keine KEZ berücksichtigt. Es wurde eine gesetzliche RAW der F von (umgerechnet) monatlich 50 EUR einbezogen (Ausgleichswert monatlich 25 EUR). Im Abänderungsverfahren erhöht sich die ehezeitliche RAW - bezogen auf das Ehezeitende - um monatlich 33,64 EUR (2 Entgeltpunkte x 16,82 EUR [aktueller Rentenwert im 2. Halbjahr 84 von 32,89 DM, umgerechnet in EUR]) auf monatlich 83,64 EUR. Der hälftige Ausgleichswert beträgt nun 41,82 EUR. Die Änderung des Ausgleichswerts um (41,82 EUR ./. 25 EUR =) 16,82 EUR beträgt rund 67 Prozent des früheren Ausgleichswerts von 25 EUR. Damit ist die relative Wesentlichkeitsgrenze überschritten. Die Änderung um 16,82 EUR übersteigt auch die absolute Wesentlichkeitsgrenze, die bezogen auf das Ehezeitende 13,96 EUR beträgt (2.730 DM [monatliche Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV] x 1 Prozent = 27,30 DM, umgerechnet in EUR). Hier reicht schon ein Kind aus, um die Abänderung zu erreichen.

     

     

    • Beispiel 3

    F und M wurden 2003 geschieden. Ehezeitende war der 31.10.02. In den VA wurde eine RAW der F von monatlich 300 EUR einbezogen (Ausgleichswert monatlich 150 EUR). Dabei wurde eine KEZ von 12 Monaten für ein vor 1992 geborenes Kind (mit 1 Entgeltpunkt) berücksichtigt. Im Abänderungsverfahren erhöht sich die ehezeitliche RAW - bezogen auf das Ehezeitende - um monatlich 25,86 EUR (1 Entgeltpunkt x 25,86 [aktueller Rentenwert im 2. Halbjahr 02]) auf monatlich 325,86 EUR. Der hälftige Ausgleichswert beträgt jetzt 162,93 EUR. Die Änderung des Ausgleichswerts um (162,93 EUR ./. 150 EUR =) 12,93 EUR beträgt rund 8,6 Prozent des früheren Ausgleichswerts von 150 EUR. Die relative Wesentlichkeitsgrenze ist damit überschritten. Die Änderung um 12,93 EUR übersteigt jedoch nicht die absolute Wesentlichkeitsgrenze, die bezogen auf das Ehezeitende 23,45 EUR beträgt (2.345 EUR [monatliche Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV] x 1 Prozent).

    Erst bei zwei Kindern, bei Anrechten aus den neuen Bundesländern sogar erst bei drei Kindern ist ein Abänderungsantrag aufgrund der verbesserten Mütterrente erfolgversprechend.

     

     

    MERKE | Im Abänderungsverfahren (§ 51 VersAusglG) erfolgt eine Totalrevision: Es werden alle auszugleichenden Anrechte mit aktuellen Ausgleichswerten einbezogen. Im Gesamtergebnis des VA kann die günstigere Bewertung der gesetzlichen RAW einer Ehefrau daher durch eine niedrigere Bewertung eines anderen ihrer Anrechte oder eine höhere Bewertung eines Anrechts des Ehemannes (teilweise) kompensiert werden. Vor Stellung eines Abänderungsantrags (§ 51 VersAusglG) muss der Ehemann daher zumindest grob schätzen (lassen), wie sich die Ausgleichswerte der anderen Anrechte beider Ehegatten seit der Scheidung entwickelt haben.

     

     

    Ist bereits die frühere VA-Entscheidung nach neuem VA-Recht getroffen worden, beschränkt sich die Abänderungsentscheidung auf das Anrecht, dessen Ausgleichswert sich wesentlich geändert hat und dessen Abänderung begehrt wird, § 225 Abs. 2 FamFG. Hier braucht ein Ehemann, der die Abänderung im Hinblick auf die verbesserte Mütterrente für ein vor 1992 geborenes Kind begehrt, daher eine eventuelle Veränderung der Bewertung sonstiger Anrechte nicht zu beachten. Es besteht allenfalls die Gefahr, dass die Ehefrau mit einem eigenen, auf ein anderes Anrecht bezogenen Abänderungsantrag kontert. Eine Abänderungsmöglichkeit besteht hier nur für Anrechte aus den in § 32 VersAusglG aufgeführten Regelversorgungssystemen.

     

    • Beispiel 4

    M und F wurden 2010 geschieden. Ehezeitende war der 30.9.09. Der VA erfolgte nach neuem Recht. Dabei wurde u.a. eine gesetzliche RAW der F mit einem Ehezeitanteil von 15 Entgeltpunkten intern geteilt. 1 Entgeltpunkt beruhte auf einer KEZ für ein vor 1992 geborenes Kind. Zugunsten des M wurde eine RAW im Ausgleichswert von 7,5 Entgeltpunkten übertragen. Durch die verbesserte Mütterrente hat sich der Ehezeitanteil der RAW auf 16 Entgeltpunkte erhöht. Der Ausgleichswert beträgt jetzt 8 Entgeltpunkte. Die Änderung des Ausgleichswerts um 0,5 Entgeltpunkte beträgt rund 6,7 Prozent des früheren Ausgleichswerts. Die relative Wesentlichkeitsgrenze des § 225 Abs. 3 FamFG ist damit überschritten. Die absolute Wesentlichkeitsgrenze beträgt nach § 225 Abs. 3 FamFG in diesem Fall 120 Prozent der am Ende der Ehezeit maßgeblichen monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, da maßgebliche Bezugsgröße der gesetzlichen RV nach neuem Recht kein Rentenbetrag mehr ist, sondern die Entgeltpunkte. Der korrespondierende Kapitalwert der Änderung des Ausgleichswerts um 0,5 Entgeltpunkte beträgt - bezogen auf das Ehezeitende - 3.072,46 EUR (0,5 x 6.144,9210 [Beitragswert von 1 Entgeltpunkt im Jahr 2009]). Damit ist die absolute Wesentlichkeitsgrenze von 3.024 EUR (2.520 EUR x 120 Prozent) überschritten. Bei Anrechten aus den alten Bundesländern reicht daher schon ein Kind für eine Abänderung aus, wenn das Ehezeitende in 2009 liegt. Das Gleiche gilt bei einem Ehezeitende in 2011. Bei einem Ehezeitende in 2010 und in den Jahren ab 2012 reicht dagegen die Änderung des Ausgleichswerts um 0,5 Entgeltpunkte nicht aus, um die absolute Wesentlichkeitsgrenze zu überspringen. Hier sind für die Zulässigkeit eines Abänderungsantrags ebenso zwei vor 1992 geborene Kinder erforderlich wie generell bei Anrechten aus den neuen Bundesländern.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2014 | Seite 139 | ID 42758280