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  • · Fachbeitrag · Bagatellklausel

    Gesetzliche Rentenversicherung und Beamtenversorgung nicht gleichartig

    von VRiOLG a.D. Hartmut Wick, Celle

    Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung und solche aus der Beamtenversorgung sind nicht gleicher Art i.S. von § 10 Abs. 2, § 18 Abs. 1 VersAusglG (BGH 7.8.13, XII ZB 211/13, FamRZ 13, 1636, Abruf-Nr. 132879).

     

    Sachverhalt

    In der Ehezeit (1.12.04 bis 29.2.12) hat F ein Anrecht der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) und M ein Anrecht aus einem städtischen Beamtenverhältnis erworben. Das AG hat im Versorgungsausgleich (VA) das Anrecht des M intern geteilt und das der F wegen Geringfügigkeit vom Ausgleich ausgeschlossen. Auf die Beschwerde des kommunalen Versorgungsträgers hat das OLG das Anrecht des M extern geteilt. Die Beschwerde des M hat das OLG zurückgewiesen. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des M hat Erfolg.

     

    Entscheidungsgründe

    Zutreffend hat das OLG eine Bagatellprüfung nach dem vorrangigen § 18 Abs. 1 VersAusglG vorgenommen. Auf gleichartige Anrechte beider Ehegatten ist § 18 Abs. 2 VersAusglG, der den Ausgleich „einzelner“ Anrechte betrifft, unanwendbar (BGH FK 12, 113). Das Anrecht der F kann für sich allein nur vom Ausgleich ausgeschlossen werden, wenn es nicht von gleicher Art ist wie das des M. Zu Recht hat das OLG die Gleichartigkeit verneint. Anrechte sind gleichartig, wenn sie sich in Struktur und Wertentwicklung im Wesentlichen entsprechen, z.B. im Leistungsspektrum, in der Finanzierungsart, in der Anpassung von Anwartschaften und laufenden Leistungen (BT-Drucksache 16/10144, 55). Nach diesen Kriterien sind Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung (RV) und der Beamtenversorgung nicht gleichartig:

     

    • Der Erwerb von Anrechten der gesetzlichen RV beruht im Wesentlichen auf eigenen Beitragsleistungen sowie der ergänzenden Anrechnung von beitragsfreien Zeiten aus sozialen Gründen. Die Finanzierung erfolgt durch ein Umlagesystem, ergänzt durch Zuschüsse des Bundes.

     

    • Demgegenüber beruht die Beamtenversorgung auf den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), zu denen das Alimentationsprinzip gehört. Daraus folgt, dass das Ruhegehalt grundsätzlich anhand der Dienstbezüge des letzten vom Beamten vor seinem Ruhestand bekleideten Amts zu berechnen ist.

     

    Abweichungen ergeben sich auch bei den Leistungsvoraussetzungen der Invaliditätsversorgung. Die gesetzliche RV unterscheidet zwischen voller und teilweiser Erwerbsminderung. Je nachdem, ob der Versicherte nur unter drei Stunden oder zwischen drei und sechs Stunden täglich eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausüben kann, kann er volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente beanspruchen. Beide Rentenansprüche setzen voraus, dass der Versicherte in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Tätigkeit geleistet hat. In der Beamtenversorgung besteht demgegenüber ein Anspruch auf Invaliditätsversorgung schon, wenn der Beamte aufgrund seines Gesundheitszustands zur Erfüllung seiner Dienstpflichten nicht mehr in der Lage ist, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Ein Beamter erhält ferner ein besonderes Unfallruhegehalt, wenn er infolge eines Dienstunfalls dienstunfähig geworden ist. Außerdem sind Ruhestandsbeamte beihilfeberechtigt, während der Rentenbezug aus der gesetzlichen RV eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auslöst.

     

    Der Gesetzgeber hat nicht von der Möglichkeit nach § 10 Abs. 2 S. 2 VersAusglG Gebrauch gemacht, eine Verrechnung von Anrechten der gesetzlichen RV und der Beamtenversorgung ausdrücklich zu normieren. Daraus ist zu schließen, dass er diese Versorgungsarten wegen ihrer strukturellen Unterschiede nicht als von gleicher Art und nicht als verrechenbar angesehen hat. Eine Gleichartigkeit der Anrechte kann schließlich weder aus § 16 Abs. 3 noch aus § 47 Abs. 3 VersAusglG abgeleitet werden. § 16 VersAusglG trägt nur dem Umstand Rechnung, dass der Bundesgesetzgeber mangels Gesetzgebungskompetenz keine interne Teilung von nach Landesrecht erworbenen Beamtenversorgungsanrechten anordnen kann. § 47 Abs. 3 VersAusglG beruht darauf, dass ein Anrecht der Beamtenversorgung nicht durch Beitragszahlung erworben werden kann. Der Gesetzgeber hielt es insoweit lediglich für zweckmäßig, für die Ermittlung eines korrespondierenden Kapitalwerts auf die Berechnungsgrößen der gesetzlichen RV zurückzugreifen.

     

    Bei der Bagatellprüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG hat das OLG mit unzutreffenden Erwägungen vom Ausgleich des Anrechts der F abgesehen. Zwar liegt der Ausgleichswert des Anrechts der F mit 3.041,71 EUR (korrespondierender Kapitalwert) unter der (Ehezeitende im Jahr 12) maßgeblichen Bagatellgrenze von 3.150 EUR. Die nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen der Versorgungsträger an der Vermeidung von Verwaltungsaufwand und dem Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Wahrung des Halbteilungsgrundsatzes (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) fällt hier jedoch zugunsten des M aus. Entgegen der Annahme des OLG verursacht die interne Teilung eines Anrechts der gesetzlichen RV auch keinen besonderen Verwaltungsaufwand, wenn für beide Ehegatten verschiedene Versicherungsträger zuständig sind. Das gilt auch, wenn auf einem Versicherungskonto verschiedenartige Entgeltpunkte geführt werden, die im Leistungsfall zur Gesamtrente vereinigt werden. Eine Durchbrechung des Halbteilungsgrundsatzes ist in diesen Fällen nicht gerechtfertigt. Daher ist auch das für sich genommen geringfügige Anrecht der F auszugleichen.

     

    Praxishinweis

    Der BGH betont erneut, dass die Bagatellprüfung stets mit § 18 Abs. 1 VersAusglG beginnen muss. Der nachrangige § 18 Abs. 2 VersAusglG ist auf gleichartige Anrechte beider Ehegatten nicht anwendbar. Die Prüfung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG, ob der Ausgleichswert eines einzelnen Anrechts gering ist, muss sich auf diejenigen Anrechte beschränken, denen kein gleichartiges Anrecht des anderen Ehegatten gegenübersteht. Deshalb ist die Frage, welche Anrechte als gleichartig anzusehen sind, bedeutsam.

     

    Zur Frage der Gleichartigkeit von Anrechten liegen inzwischen zahlreiche Entscheidungen vor:

     

    Übersicht / Anrechte, die nicht gleichartig sind

    • West- und Ost-Anrechte der gesetzlichen RV (BGH FK 12, 113);

     

     

    • Anrechte der gesetzlichen RV und der Beamtenversorgung. Entgegen der bisher h.M. hält der BGH diese nicht für gleichartig. Dafür spricht neben den überzeugenden Argumenten des BGH auch, dass für beide Versorgungssysteme verschiedene Bezugsgrößen gelten (gesetzliche RV: Entgeltpunkte; Beamtenversorgung: monatliches Ruhegehalt) und deshalb bei Annahme einer Gleichartigkeit nach § 18 Abs. 1 VersAusglG offen wäre, ob die Ausgleichswerte auf Basis eines Renten- oder eines Kapitalbetrages gegenüberzustellen wären (OLG Celle FamRZ 12, 1058; Wick, Der Versorgungsausgleich, 3. Aufl., Rn. 419). Träger der Beamten- und Soldatenversorgung sind Bund, Länder und Kommunen. Zwar stimmen die bei diesen Versorgungsträgern bestehenden Anrechte in den Grundstrukturen überein. Die unterschiedliche Gesetzgebungskompetenz hat jedoch zu Abweichungen geführt, z.B. in der Höhe der Besoldung und der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge, im Vorliegen oder Fehlen von Sonderzahlungen (Weihnachtsgeld) und im Wegfall oder Fortbestehen des sog. Pensionärsprivilegs (Aufschub der durch den VA ausgelösten Versorgungskürzung, bis der andere Ehegatte auch Versorgungsleistungen bezieht). Daher kann zweifelhaft sein, ob beamtenrechtliche Anrechte bei verschiedenen Versorgungsträgern als gleichartig behandelt werden können.

     

    • Anrechte aus der Pflichtversicherung und aus der freiwilligen Versicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes (OLG Frankfurt 16.7.13, 1 UF 125/13 - juris). Zwar werden für die Anrechte jeweils Versorgungspunkte vergeben. Diese werden jedoch nach verschiedenen Rechtsgrundlagen berechnet. Anrechte aus der Pflichtversicherung werden im Allgemeinen als gleichartig angesehen, auch wenn die Ehegatten sie bei verschiedenen Versorgungsträgern erworben haben (z.B. OLG Köln FamRZ 12, 1806). Dies könnte zweifelhaft sein, wenn die Versorgungsträger für die Umrechnung von Versorgungspunkten in einen Kapitalwert und umgekehrt, die bei der Teilung der Versorgungspunkte vorgenommen wird, verschiedene Barwertfaktoren verwenden. Die VBL verwendet z.B. weiterhin geschlechtsspezifische Barwertfaktoren (kritisch dazu OLG Celle FamRB 13, 386 unter Bezug auf EuGH NJW 11, 907), während kommunale Versorgungsträger und die Bayerische Versorgungskammer auf geschlechtsneutrale Barwertfaktoren umgestellt haben.
     

    Weiterführender Hinweis

    • FK 12, 113, zur Anwendung des § 18 VersAusglG auf Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung
    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 84 | ID 42604911