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  • · Fachbeitrag · Amtsgericht Nürnberg

    LGT-Bank: Kein Nachweis von Steuerhinterziehung trotz namentlicher Nennung auf CD

    von StB Dipl.-BW (DHBW) Marcus Hornig, WTS Steuerberatungsgesellschaft mbH, Düsseldorf

    | In 2002 kaufte der BND für 4,6 Mio. EUR von einem Mitarbeiter der Vaduzer Bank LGT Treuhand eine CD mit Kundendaten von über 800 Deutschen, die im Verdacht standen, über ihnen zurechenbare liechtensteinische Stiftungen Steuern hinterzogen zu haben ( www.iww.de/sl383 ). Die StA Bochum leitete zusammen mit der Steuerfahndung Wuppertal insgesamt 596 Ermittlungsverfahren ein. Lediglich in fünf Fällen kam es zum Strafgerichtsprozess; davon endeten vier mit Verurteilungen wegen Steuerhinterziehung. Lediglich das AG Nürnberg (2.8.12, 46 Ds 513 Js 1382/11, Abruf-Nr. 140079 ) sprach in seiner jüngst veröffentlichten Entscheidung die beiden Angeklagten frei. |

    1. Sachverhalt (AG Nürnberg 2.8.12, 46 Dx 513 Js 1382/11)

    Die angeklagten Eheleute unterhielten von 2001 bis 2006 über eine liechtensteinische Stiftung ein Konto bei der LGT Bank in Lichtenstein mit einem Anfangsbestand von 1,88 Mio. DM. In ihren Einkommensteuererklärungen 2002 bis 2006 machte das Ehepaar hierzu weder Angaben noch erklärte es hieraus Einkünfte.

     

    Nach Abgleich von in 2007 übergebenem Datenmaterial unter Angabe eines Stichtagskontostandes aus 2001 bzw. 2002 - es handelte sich hierbei offensichtlich um die in 2002 durch den BND erworbene CD, die den deutschen Finanzbehörden überlassen wurde - hatte der ermittelnde Finanzbeamte Kapitaleinkünfte für den Zeitraum 2002 bis 2006 geschätzt. Zur konkreten Anlagestruktur, zur Vollständigkeit des Datenmaterials und zur weiteren Verwendung des Kapitals konnte der Finanzbeamte keine Angaben machen. Eine vorherige Durchsuchung bei den Eheleuten war ergebnislos geblieben. Im Prozess hatten beide Eheleute geschwiegen.

    2. Freispruch für die Angeklagten

    Auch wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Kapitalanlage mit fortlaufenden, bisher in den Einkommensteuererklärungen der Eheleute nicht erklärten Kapitalerträgen sprach und somit eine naheliegende und insgesamt recht wahrscheinliche Vermutung für die Begehung von Steuerhinterziehungen bestand, ließ sich nach Auffassung des Tatrichters daraus kein entsprechender Nachweis von Steuerhinterziehungen feststellen.

     

    Aus den dem Richter vorgelegten Beweismitteln waren nur ein bestimmter Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt und die wirtschaftliche Berechtigung der Angeklagten feststellbar. Beweise für den weiteren Anlageverlauf, die weitere Anlagestruktur sowie die konkrete Anlagedauer konnten nicht erbracht werden. So war aus Sicht des Gerichts die mögliche Überführung der ursprünglich angelegten Gelder in andere Anlageformen wie den zahlreichen in- und ausländischen Immobilienbesitz der Angeklagten nicht auszuschließen. Auch die fehlenden Informationen über die mögliche Anlagestruktur und Anlagedauer sowie Anlageverhalten machte es unmöglich, sicher festzustellen, ob und in welcher Höhe Erträge erzielt wurden. Damit ergaben sich nach der Überzeugung des Tatrichters über den vorliegenden Anfangsverdacht hinaus keine weiteren Anhaltspunkte für eine nachgewiesene Steuerhinterziehung. Die nach wie vor bestandenen Zweifel führten nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ zum Freispruch der Angeklagten.

    3. Praxishinweis

    Der Freispruch mangels Tatnachweises auf Basis von § 261 StPO durch das AG ist nicht überraschend. Obwohl nach § 393 Abs. 1 AO Strafverfahren und finanzgerichtliches Verfahren zwei voneinander unabhängige Verfahren sind (BVerfG 15.10.90, 2 BvR 385/87, wistra 91, 175; BGH 5.5.04, 5 StR 139/03, NStZ-RR 04, 242; BFH 14.12.11, V B 21/11, BFH/NV 12, 602; BFH 24.5.13, VII B 155/12, ZHW 13, 512), hat der BFH in einem ähnlich gelagerten Fall (BFH 7.11.06, VIII R 81/04, PStR 07, 93, 364 ff.) nach § 96 Abs. 1 S. 1 FGO ebenfalls nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“ eine nachgewiesene Steuerhinterziehung verneint. Er zeigt jedoch für StA und Finanzbehörde zugleich die hohen Voraussetzungen auf, die an den Nachweis einer Hinterziehung zu stellen und die in aller Regel von einer volatilen einzelrichterlichen Überzeugungsbildung abhängig sind.

     

    Grundsätzlich hat für den Tatrichter nach seiner freien richterlichen Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) festzustehen, dass für jedes einzelne infrage stehende Steuerjahr Steuern in einer bestimmten Höhe tatsächlich hinterzogen wurden (BGH 12.8.99, 5 StR 269/99, wistra 99, 426). Hat ein Angeklagter - wie im vorliegenden Fall das Ehepaar durch ihr Schweigen - die seitens der Finanzbehörde nach § 162 AO geschätzten Besteuerungsgrundlagen nicht glaubhaft eingestanden, so hat der Tatrichter diese selbstständig zu ermitteln und ist dabei an die Schätzungen der Finanzbehörde nicht gebunden. Ein bestimmter Kontostand zu einem bestimmten Zeitpunkt und die Berechtigung der Angeklagten an dem Kapital führen eben nicht zu einem ausreichenden Maß an Sicherheit. Vielmehr lässt dieses Beweismaß vernünftige und nicht bloß auf denktheoretische Möglichkeiten gegründete Zweifel zu (ständige Rechtsprechung, z.B. BGH 10.8.11, 1 StR 114/11, NStZ 12, 110, 111).

     

    Der Tatrichter hat auch keine Tatvarianten unterstellt, für deren Vorliegen es im konkreten Fall keine zureichenden Anhaltspunkte gab (BGH 12.8.03, 1 StR 111/03, NStZ-RR 03, 371; BGH 25.4.07, 1 StR 159/07, NJW 07, 529; BGH 26.5.09, 1 StR 597/08, NJW 09, 2834, 2836). Denn der umfangreiche Immobilienbesitz im In- und Ausland und die fehlenden, auf dem Datenmaterial nicht vorhanden Angaben zur Anlagestruktur und -dauer stellen genau solche Gründe dar, die zu vernünftigen Zweifeln in einer für den Schuldspruch relevanten Frage Anlass gaben und einer Verurteilung entgegenstanden.

     

    In diesem Fall hatte der Tatrichter aufgrund nicht überwindbarer Zweifel zugunsten der Angeklagten zu entscheiden, indem er nach dem auch im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz „in dubio pro reo“ von mehreren möglichen Schlussfolgerungen die für den Angeklagten günstigste wählte (BGH 30.8.06, 2 StR 198/06, NStZ-RR 07, 43, 44; BGH 17.6.08, 3 StR 198/08, NStZ 09, 90). Das war vorliegend der Freispruch.

     

    In diesem Zusammenhang stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Datenqualität von Steuer-CDs. Enthalten diese lediglich einen bestimmten Kontostand zu einem Stichtag und existieren nachweislich noch andere Anlageformen wie in- und ausländischer Grundbesitz, würde dies nach dem Urteil des AG Nürnberg weder für eine strafrechtliche Verurteilung ausreichen noch für eine davon unabhängige finanzgerichtliche. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass auch eine Verletzung der im Besteuerungsverfahren geltenden erweiterten Sachaufklärungs- und Mitwirkungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 90 Abs. 2 AO wie durch die Angeklagten im Streitfall weder das Beweismaß noch den erforderlichen Grad der Gewissheit für die Bejahung einer Steuerhinterziehung beim Tatrichter und beim Finanzrichter mindern (BFH 7.11.06, VIII R 81/04, PStR 07, 93, BStBl II 07, 364 ff.; BGH 13.10.94, 5 StR 134/94, wistra 95, 67, 69).

     

    Insoweit hätte in dem dem AG Nürnberg vorgelegten Fall der BFH nicht anders entschieden und der Ausgang des FG-Verfahrens, soweit dieses bereits stattgefunden hat, wäre an dieser Stelle von besonderer Bedeutung. Bei rechtskräftigen strafrechtlichen Urteilen wie im vorliegenden Fall besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, diese auch im finanzgerichtlichen Verfahren zu übernehmen. Insoweit läge kein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 S. 1 FGO vor, wonach das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entscheidet und die Hinzuziehung von Strafakten zum Zwecke der Sachaufklärung in seinem Ermessen liegt (BFH 17.3.10, X B 120/09, BFH/NV 10, 1240; BFH 14.12.11, V B 21/11, NZWiSt 12, 236).

     

    Ob das AG Nürnberg z.B. auch im Falle einer im April 2013 durch Rheinland-Pfalz angekauften CD mit Kontenständen der Credit Suisse AG, Clariden Leu, Neue Aargauer Bank zu zwei Stichtagen (31.12.10 und Stichtag aus 2012) und den dazu gehörigen Namen und Adressen der Kontoinhaber zu dem gleichen Ergebnis gekommen wäre, ist wahrscheinlich, kann aber nicht abschließend beantwortet werden (www.iww.de/sl384). Ob auch hier wiederum lediglich eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine durchgehende Kapitalanlage von 2010 bis 2012 sprechen würde und wie die Wahrscheinlichkeit einer Steuerhinterziehung in den Jahren vor 2010 einzuschätzen ist, ist sicherlich abhängig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere auch davon, ob die Steuerpflichtigen geständig sind oder nicht.

     

    FAZIT | In realiter muss aufgrund des hohen Ermittlungsdrucks durch die Strafverfolgungsbehörden (Randt in FAZ vom 29.7.13, www.iww.de/sl385) und aufgrund der unkalkulierbaren richterlichen Überzeugungsbildung davon ausgegangen werden, dass es andere Steuerpflichtige in ähnlich gelagerten Fällen nicht zu einem rechtskräftigen Urteil kommen lassen werden. So eignet sich das Urteil des AG Nürnberg eher nur für die Abwehrberatung in absoluten Ausnahmefällen. Eine angemessene Einigung im laufenden Ermittlungsverfahren bleibt in der Regel immer die sinnvollere Handlungsalternative.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 43 | ID 42472051

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