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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Kein Vorsteuerabzug des Steuerberaters aus Strafverteidigungskosten

    von RA StB Dr. Karsten Kolbe, Flick Gocke Schaumburg, Bonn

    | Soweit gegenüber dem Steuerpflichtigen das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, geschieht dies immer häufiger auch gegenüber dem Steuerberater mit der Begründung, dieser habe zur Steuerhinterziehung seines Mandanten Beihilfe geleistet. Sei dieser Vorwurf von Seiten der strafrechtlichen Ermittlungsbehörden auch noch so konstruiert, so ist der Steuerberater in dieser Situation doch gut beraten, sich zeitnah versierter Unterstützung zu vergewissern, um das Verfahren frühzeitig in die richtigen Bahnen zu lenken und den Tatvorwurf zu entkräften. |

     

    FRAGE DES STEUERBERATERS: Zu meinem Leidwesen bin ich Beschuldigter in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren. Der Tatvorwurf findet seinen Ursprung in meiner ureigensten Tätigkeit als Steuerberater, nämlich der Mandantenbetreuung nach bestem Wissen und Gewissen. Die Vorwürfe sind unhaltbar. Um die Angelegenheit schnellstmöglich zu bereinigen, lasse ich mich durch einen auf den Bereich der Steuerstrafverteidigung spezialisierten Anwalt vertreten. Um die finanziellen Belastungswirkung des insgesamt unschönen Verfahrens möglichst gering zu halten, möchte ich die durch den Strafverteidiger in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer erstattet erhalten. Das mehrwertsteuerliche Postulat der Neutralität der Umsatzsteuer für den Unternehmer erfordert die Abzugsfähigkeit von Umsatzsteuerbelastungen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit veranlasst wurden. Kann ich die Umsatzsteuer für Strafverteidigerkosten daher als umsatzsteuerneutral behandeln?

     

    ANTWORT DES VERTEIDIGERS: Vom juristischen Bauchgefühl her würde man vermuten, dass die Umsatzsteuer auf Rechtsanwaltskosten, die für den Rechtsbeistand in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren angefallen ist, als Vorsteuer abziehbar ist. Dies gilt insbesondere aus der Sicht des belangten Steuerberaters, der sich in einer Vielzahl der Fälle nicht den geringsten Vorwurf machen kann und die umsatzsteuerbelastete Eingangsrechnung als notwendigen Kostenbestandteil seiner unternehmerischen Kalkulation verstehen darf. Die Zuhilfenahme eines Rechtsbeistands ist erkennbar förderlich, nicht zuletzt wegen der unliebsamen berufsrechtlichen Konsequenzen, die ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren nach sich ziehen kann. Der Leistungsbezug steht aus Sicht des Steuerberaters objektiv im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der freiberuflichen Tätigkeit des Steuerberaters. Eine vorsteuerschädliche „private“ Veranlassung ist nicht gegeben. Zudem dient das Entkräften des strafrechtlich-relevanten Vorwurfs der Wiederherstellung der unternehmerischen Reputation.

     

    Vor diesem Hintergrund hatte noch das FG Köln (30.6.09, 8 K 1265/07, EFG 11, 192) entschieden, dass der Vorsteueranspruch im zu entscheidenden Fall vorliege. Dies entsprach der bis dahin geübten Praxis und der bis dato ergangenen gesicherten Rechtsprechung (Beckschäfer, ZWH 13, 326). Der BFH als Rechtsmittelinstanz legte den Fall dem EuGH zur Vorabentscheidung vor. Schon der Verfahrensgang unter Beteiligung mehrerer Rechtsinstanzen bis hoch zum EuGH zeigt, dass die Frage schwieriger zu beantworten ist, als es zunächst scheint.

     

    Der EuGH (21.2.13, C-104/12, PStR 13, 84) vermochte sich der Rechtsansicht des FG Köln nicht anzuschließen. Ein Vorsteueranspruch scheidet mithin aus. Entscheidend war für den EuGH, dass Anwaltsdienstleistungen in erster Linie direkt und unmittelbar dem Schutz der privaten Interessen des Beschuldigten dienen (Kaiser, PStR 13, 84). Trotz des zugestandenen Kausalzusammenhangs zwischen den Anwaltskosten und den Ausgangsleistungen des Steuerberaters stellte der EuGH in erster Linie auf den „objektiven Inhalt“ der anwaltlichen Beratungsleistung ab. Diese dienten der Vermeidung der Bestrafung, was direkt und unmittelbar dem privaten Interesse an Straflosigkeit diene und nicht den unternehmerischen Interessen des Mandanten.

     

    Wenngleich der Fall, welcher der Entscheidung des EuGH zugrunde lag, den Vorsteuerabzug eines Unternehmens betraf, dessen Organ die Anwaltsleistungen in Anspruch genommen hat, geht die Reichweite dieser Entscheidung doch über diese Fallgestaltung hinaus. Eine Differenzierung danach, ob es sich bei den „privaten Interessen“, die durch die Anwaltsleistung geschützt werden, um die eines Geschäftsführers einer juristischen Person oder die eines Einzelunternehmers handelt, ist nicht möglich (BFH 11.4.13, V R 29/10, PStR 13, 221; Beckschäfer, a.a.O.).

     

    Die Versagung des Vorsteueranspruchs wird in der Sekundärliteratur als verfehlt erachtet, als Resultat einer ergebnisorientierten und systematisch nur schwer nachzuvollziehenden Argumentation, die das vorsteuerrelevante Erfordernis der „direkten und unmittelbaren“ Zuordnung als reine Leerformel erscheinen lasse, zumal gerade für den belangten Steuerberater der untrennbare Zusammenhang zwischen Inhalt und Entstehungsgrund der Anwaltsleistung eindeutig bejaht werden muss (Winter, MwStR 13, 522). Der EuGH missachte, dass die Individualverteidigung - gerade bei der Verteidigung von Angehörigen der steuerberatenden Berufe - sowohl im Ermittlungs- als auch im Hauptverfahren immer auch der Wiederherstellung der unternehmerischen Integrität dient (Beckschäfer, a.a.O.).

     

    PRAXISHINWEIS | Es wäre für den strafrechtlich und berufsrechtlich belangten Steuerberater eine groteske Folge, wenn der tatbestandliche Ausgangsvorwurf der Steuerhinterziehung inhaltlich erweitert würde um den Vorwurf der Unrechtmäßigkeit der in Abzug gebrachten Vorsteuer. Die schlimmstmögliche Konsequenz wäre indes, wenn sich der Ausgangsvorwurf nicht erhärtet, im Gegenzug aber die Umsatzsteuerhinterziehung strafrechtlich zur Ahnung gebracht würde.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Kaiser, GmbH: Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigungskosten des Geschäftsführers, PStR 13, 84 f.
    • Schott, Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigungskosten, PStR 13, 221 f.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 51 | ID 42472030

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