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  • · Fachbeitrag · Betriebsausgaben

    Kein Vorsteuerabzug aus Strafverteidigungskosten

    von RAin Stefanie Schott, FAin StrR, FAin StR, kipper+durth, Darmstadt

    Ein Unternehmer kann die an seinen Strafverteidiger entrichtete Umsatzsteuer selbst dann nicht als Vorsteuer abziehen, wenn er sich gegen den Verdacht zur Wehr setzt, im Zusammenhang mit seiner unternehmerischen Tätigkeit eine Straftat begangen zu haben (BFH 11.4.13, V R 29/10, Abruf-Nr. 132227).

     

    Sachverhalt

    Gegen den Kläger, einen Bauunternehmer, und einen seiner Angestellten wurde wegen des Verdachts ermittelt, dass sie Mitarbeiter des potenziellen Auftraggebers bestochen hatten, um in einem Ausschreibungsverfahren den Zuschlag für einen Bauauftrag zu erhalten. Das Verfahren wurde nach § 153a StPO gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Das Unternehmen übernahm die Kosten für die Strafverteidiger und machte den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen geltend.

     

    Der BFH legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob sich der für den Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie (77/388/EWG) notwendige direkte und unmittelbare Zusammenhang mit den besteuerten Umsätzen („Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze“) nach

    • dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung (Tätigkeit des Strafverteidigers für eine natürliche Person) oder
    • dem Entstehungsgrund der Leistung (angebliche Begehung einer Straftat bei Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit) bestimmt.

     

    Entscheidungsgründe

    Der EuGH kam mit Urteil vom 21.2.13 (C-104/12, PStR 23, 84) zu dem Ergebnis, dass der Zweck der Verteidigung darin besteht, strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen zu verhindern. Zwar bestehe ein Kausalzusammenhang zwischen der wirtschaftlichen Tätigkeit und den Verteidigungskosten, da letztere ohne die Umsatzerzielung nicht angefallen wären, dies genüge für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug aber nicht, da kein rechtlicher Kontext zwischen der Strafverfolgung und dem Unternehmen bestehe, selbst wenn das Unternehmen nach deutschem Recht verpflichtet sei, für die Verteidigungskosten seiner Organe aufzukommen. Dem hat sich der BFH in seinem Urteil vom 11.4.13 - dem Anschein nach widerwillig - angeschlossen.

     

    Praxishinweis

    Bemerkenswert ist dabei der Hinweis des 11. Senats, dass insoweit keine Bindung des BFH an eine Einzelfallbeurteilung durch den EuGH bestehe (BFH 11.4.13, Rn. 22). Der EuGH sieht das in seiner ständigen Rechtsprechung anders. Auch der BFH hat sich dem - soweit ersichtlich - bislang nicht widersetzt. So hebt etwa der 5. Senat des BFH hervor, dass ein Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren das nationale Gericht bei seiner Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits bindet (aktuell BFH 28.5.13, XI R 11/09, Rn. 66). Dabei kann der Tenor durch die Entscheidungsgründe - ebenfalls bindend - präzisiert werden (EuGH 14.12.00, C-446/98, DStRE 01, 260, Rn. 49, 50). Einschränkungen der Bindungswirkung sieht der EuGH, soweit ersichtlich, nicht vor.

     

    Darüber hinaus schränkt der Senat die Vorgaben des EuGH in der Vorabentscheidung dahingehend ein, dass diese zumindest dann gelten, wenn es - wie im Streitfall - „um den Vorwurf der Begehung einer Straftat durch verbotene Zuwendungen an potenzielle Auftraggeber geht“ (BFH 11.4.13, Rn. 23). Eine solche Einschränkung ist im Urteil des EuGH nicht angelegt. Entscheidend ist nach der Begründung des EuGH allein, ob sich der Vorwurf gegen das Unternehmen oder gegen natürliche Personen richtet, ohne dass der EuGH nach der Art des Vorwurfs differenziert.

     

    Das bloße Abstellen des EuGH darauf, wen die strafrechtlichen Vorwürfe treffen, erscheint allerdings nicht sachgemäß. Wird gegen die Organe oder Mitarbeiter eines wirtschaftlichen Unternehmens wegen Handlungen bei der Ausübung der umsatzsteuerpflichtigen Tätigkeit ermittelt, betrifft dies die Sphäre des Unternehmens. Da ein Unternehmensstrafrecht in Deutschland nicht existiert, richten sich die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens ausgelösten strafrechtlichen Vorwürfe immer gegen natürliche Personen. Letztere werden dann als Organe, gesetzliche Vertreter oder Mitarbeiter des Unternehmens verfolgt und nicht als bloße Privatpersonen. Organen werden die besonderen persönlichen Merkmale des Unternehmens nach § 14 StGB zugerechnet, der Mitarbeiter wird verdächtigt, weil er in einer bestimmten Abteilung arbeitet. Sie selbst müssen dazu gar nichts beitragen und können sich im besten Fall von den Vorwürfen auch wieder befreien. Hinzu kommt, dass das Unternehmen regelmäßig ein wirtschaftliches Interesse daran hat, dass seine Mitarbeiter bestmöglich verteidigt werden. Deren Verfolgung und Verurteilung belastet die Arbeit des Unternehmens ganz erheblich, bindet Kapazitäten und führt zu negativer Außenwirkung und in der Folge zu Umsatzeinbußen.

     

    Mit der Argumentation des EuGH, die Abgrenzung lasse sich nur im Einzelfall vornehmen, sind weitere Beschränkungen des Vorsteuerabzugs zu befürchten. Beispielsweise wäre zu überlegen, ob der Vorsteuerabzug nicht ebenso zu versagen ist, wenn das Unternehmen Fortbildungen für Mitarbeiter bezahlt, da diese unmittelbar ebenfalls nur den Mitarbeitern zugute kommen.

     

     

    Weiterführende Hinweise

    • Schott, Übernahme von Verteidigerkosten und Geldauflage durch das Unternehmen, PStR 13, 217
    • Schelling, Strafverteidigungskosten als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen, PStR 11, 302
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 221 | ID 42248930

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