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  • · Fachbeitrag · Testament

    Gemeinschaftliches Testament: Kombination von Schlusserbeneinsetzung und Abänderungsbefugnis

    von RiOLG Dr. Andreas Möller, Hamm

    Die Kombination einer „Schlusserbeneinsetzung“ mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei ausdrücklicher Anordnung der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung „für den Fall gleichzeitigen Versterbens“ nicht im Wortsinn verwendet haben, sondern den Fall des zeitlich nacheinander Versterbens geregelt haben (OLG München 24.10.13, 31 Wx 139/13, MDR 13, 1407, Abruf-Nr. 133654).

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin (E) war verheiratet mit dem vorverstorbenen M. Aus der Ehe gingen keine gemeinsamen Kinder hervor. Der Beteiligte zu 1) ist der Sohn des M. E und M hatten im gemeinschaftlichen Testament u.a. wie folgt verfügt: „Wir setzen uns hiermit gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben ein. Der überlebende Teil wird in keiner Weise beschränkt oder beschwert. Er kann über das beiderseitige Vermögen in jeder Weise frei verfügen. Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens bestimmen wir hiermit als unseren Schlusserben den Beteiligten zu 1) (...). Sämtliche in diesem Testament niedergelegten Verfügungen sind wechselbezüglich (...). Nach dem Tod eines Teils von uns soll aber der überlebende Teil berechtigt sein, einseitig dieses Testament zu ändern.“

     

    Der Beteiligte zu 1) beantragte erfolgreich einen Alleinerbschein. Der vor Erteilung des Erbscheins bestellte Nachlasspfleger meldete unter Berufung auf Angaben der für E bestellten Betreuerin Zweifel an der Erbberechtigung des Beteiligten zu 1) an. Daraufhin ordnete das Nachlassgericht mit dem angefochtenen Beschluss die Einziehung des Erbscheins an. Zugleich ordnete es erneut Nachlasspflegschaft an. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) war erfolgreich.

    Entscheidungsgründe

    Die Voraussetzungen für die Einziehung des Erbscheins liegen nicht vor.

     

    Maßgeblich ist das gemeinschaftliche Testament

    Die Erbfolge nach E bestimmt sich nach dem gemeinschaftlichen Testament. Dieses ist auslegungsbedürftig, da die Eheleute keine ausdrückliche Regelung für den Fall getroffen haben, dass sie im zeitlichen Abstand versterben. Der Beteiligte zu 1) sollte nach dem Wortlaut des Testaments im Fall des gleichzeitigen Versterbens „Schlusserbe“ sein. Es ist aber nicht eindeutig, ob die Ehegatten ausschließlich eine Erbeinsetzung bei ihrem zeitgleichen Ableben treffen wollten oder sie damit - auch - den Fall geregelt haben, dass sie nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand versterben. Bei der Einsetzung eines Schlusserben soll nach dem gemeinsamen Willen der Ehegatten zunächst der Überlebende den anderen beerben und erst anschließend das beidseitige Vermögen nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten als eine Einheit an einen Dritten fallen.

     

    Gleichzeitiger Tod auch bei größerem zeitlichen Abstand

    Die Formulierungen „bei gleichzeitigem Ableben“ oder „bei gleichzeitigem Versterben“ werden in der neueren Rechtsprechung so ausgelegt, dass sie auch Fallgestaltungen betreffen, in denen von einem „gleichzeitigen Tod“ nur im weiteren Sinne die Rede sein kann. Gemeint sind Situationen, in denen aber im Hinblick auf den Sinn einer derartigen Regelung praktisch kein Unterschied zum gleichzeitigen Tod der Ehegatten im engeren Sinne besteht.

     

    Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Schlusserbeinsetzung zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das Gesamtvermögen frei verfügen kann.

     

    Ein zusätzlicher Regelungsbedarf besteht für den Fall des „gleichzeitigen Todes“, in dem der eine Ehegatte den anderen nicht beerbt. Dieser Regelungsbedarf besteht nicht nur für den Fall des in engerem Sinn gleichzeitigen Todes, sondern auch in Fällen, in denen die Ehegatten innerhalb eines kürzeren Zeitraums nacheinander sterben. Hier hat der Überlebende nach dem Tod des Erstversterbenden praktisch keine Möglichkeit mehr, ein Testament zu errichten. In diesem Fall des Versterbens kurz nacheinander würde zwar die gegenseitige Erbeinsetzung greifen, doch hinge es vom Zufall der Reihenfolge des Versterbens ab, ob den gesetzlichen Erben des Ehemannes oder den gesetzlichen Erben der Ehefrau das gesamte Vermögen beider Eheleute zufließt. Es ist daher naheliegend, wenn die Ehegatten die gegenseitige Beerbung anordnen und im Übrigen dem Überlebenden freie Hand lassen wollen, eine zusätzliche Regelung zu treffen. Diese erfasst den Fall, dass keiner den anderen überlebt oder der Überlebende wegen zeitnahen Nachversterbens zu einer letztwilligen Verfügung nicht mehr in der Lage ist. Auf diese Fallgestaltung wollen Ehegatten mit der Verwendung von Formulierungen wie „bei gleichzeitigem Ableben“ die Erbeinsetzung des Drittbedachten regelmäßig beschränken und so dem Überlebenden von ihnen die Bestimmung überlassen, wer ihn beerben soll (vgl. BayObLG ZEV 04, 200 = FGPrax 04, 80, 81 m.w.N.; Palandt/Weidlich, BGB, 72. Aufl., § 2269 Rn. 9).

     

    Eine für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffene Erbeinsetzung gilt deshalb grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten in erheblichem zeitlichen Abstand versterben. Eine Ausnahme hiervon kann nur in folgendem Fall angenommen werden: Es muss aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden können, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Versterbens“ bzw. „gleichzeitigen Ablebens“ entgegen dem Wortsinn dahin verstanden haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand umfassen sollte. Darüber hinaus muss sich eine Grundlage in der vorliegenden Verfügung von Todes wegen finden (vgl. dazu OLG München FamRZ 08, 921 = ZErb 08, 276).

     

    Hier können dem gemeinschaftlichen Testament Umstände entnommen werden, die darauf hindeuten, dass die Ehegatten durch die Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ den Fall, dass sie nacheinander - in erheblichem zeitlichen Abstand - versterben, geregelt haben:

     

    • Die Ehegatten haben ausdrücklich unmittelbar nach Einsetzen des Beschwerdeführers als „Schlusserbe“ die Wechselbezüglichkeit ihrer Verfügungen angeordnet, jedoch bei Überleben eines der Ehegatten eine Abänderungsbefugnis zu dessen Gunsten bestimmt. Ein solche Befugnis gibt nur Sinn, wenn ein Ehegatte - entgegen dem eigentlichen Sinn der „Gleichzeitigkeitsklausel“ (s.o.) - den anderen überlebt. Dieser hat nach der Vorstellung der Ehegatten noch die Möglichkeit, in Bezug auf die wechselbezügliche und damit bindende Verfügung zugunsten des „Schlusserben“ anders zu verfügen. Bei einer Verwendung der Formulierung „gleichzeitig“ im Wortsinn wäre aber für die Anordnung einer Abänderungsbefugnis keine Notwendigkeit gegeben.

     

    • Zudem haben die Ehegatten in Bezug auf den Bedachten die Formulierung „Schlusserbe“ verwendet, die nach ihrem Wortsinn ebenfalls voraussetzt, dass vor Anfall des Nachlasses zugunsten des Bedachten bereits ein Erbgang zugunsten des überlebenden Ehegatten erfolgt ist. Dies wäre bei einem „gleichzeitigen Versterben“ gerade nicht der Fall (s.o.).

     

    In der Gesamtschau der von den Ehegatten getroffenen Verfügungen und Formulierung, liegt es daher näher, dass die Ehegatten den Fall eines nacheinander Versterbens in (erheblichem) zeitlichen Abstand geregelt haben.

    Praxishinweis

    Im Wege der erläuternden Testamentsauslegung ist der wirkliche Wille der Ehegatten zu erforschen. Diese soll klären, was ein Erblasser mit seinen Worten sagen wollte. Es ist kein von der Erklärung losgelöster Wille zu ermitteln. Grundsätzlich ist bei auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, §§ 133, 2084 BGB. Vielmehr ist der Wortsinn der Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmissverständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte (BGH NJW 93, 256). Ein Abweichen vom Wortsinn setzt allerdings voraus, dass Umstände vorliegen, aus denen geschlossen werden kann, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hat, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht (BGHZ 80, 246; BayObLG FamRZ 86, 835). Bei gemeinsamen Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament ist für jede zu prüfen, ob ein nach dem Verhalten des einen Testierenden mögliches Auslegungsergebnis auch dem Willen des anderen entsprochen hat, wobei der übereinstimmende Wille zur Zeit der Testamentserrichtung maßgebend ist (BGHZ 112, 229, 233 = FamRZ 91, 52).

     

    Weiterführender Hinweis

    • BGHZ 86, 45, zur Auslegung von Testamenten
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 22 | ID 42430051