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  • · Fachbeitrag · Personenbedingte Kündigung

    Diese Regeln gelten bei einer Kündigung wegen Alkoholsucht

    • 1.An eine Kündigung, die auf bestehende Alkoholsucht des ArbN gestützt wird, sind grundsätzlich die Maßstäbe der krankheitsbedingten Kündigung anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur ausnahmsweise in Frage, wenn z.B. die ordentliche Kündigung im Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen ist.
    • 2.Eine ordentliche Kündigung wegen Alkoholsucht ist gerechtfertigt, wenn zum Zeitpunkt des Kündigungszugangs die Prognose besteht, der ArbN sei nicht in der Lage, wegen seiner Alkoholsucht dauerhaft die geschuldete Arbeitsleistung ordnungsgemäß zu erbringen.
    • 3.Darüber hinaus muss eine erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen vorliegen, die nicht durch mildere Mittel abwendbar ist und vom ArbG nicht mehr hinnehmbar sein muss. Diese Beeinträchtigung kann bei einem Therapeuten einer Suchtklinik unabhängig von der Dauer der krankheitsbedingten Fehlzeiten darin liegen, dass wegen der Alkoholsucht eine sachgerechte Behandlung der Patienten nicht mehr gewährleistet ist

    (BAG 20.12.12, 2 AZR 32/11, Abruf- Nr. 131555).

     

    Sachverhalt

    Der ArbN A ist bei seinem ArbG, einer Fachklinik für Suchterkrankungen, seit 1997 als Ergotherapeut im Bereich der Arbeits- und Kreativtherapie tätig. A ist, was dem ArbG bei der Einstellung bekannt war, „trockener Alkoholiker“. Er betreut Patienten, die von Suchtmitteln, insbesondere auch Alkohol, entwöhnt werden sollen. In den Jahren 2006 und 2007 kam es bei A wiederholt zu alkoholbedingten Rückfällen, die zum Ausspruch einer Kündigung des ArbG am 17.8.07 führten. A und der ArbG einigten sich am 22.2.08 auf eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Im Mai 2009 kam es zu einem neuen Rückfall des A. Hierauf sprach der ArbG nach ordnungsgemäßer Anhörung der Mitarbeitervertretung am 28.5.09 gegenüber dem A eine fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 31.12.09 aus.

     

    Nachdem das Arbeitsgericht die außerordentliche Kündigung für unwirksam und die ordentliche Kündigung für wirksam hielt, hat das LAG Düsseldorf (175 Sa 540/10) auch die ordentliche Kündigung für unwirksam erachtet. Die hiergegen gerichtete Revision des ArbG war teilweise erfolgreich und führte zur Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

     

    Entscheidungsgründe

    Der 2. Senat des BAG betont zunächst, dass an eine Kündigung im Zusammenhang mit der Alkoholsucht eines ArbN die gleichen Anforderungen wie an eine krankheitsbedingte Kündigung zu stellen sind. Alkoholabhängigkeit sei eine Krankheit, sodass dem ArbN wegen des alkoholbedingten Verstoßes gegen arbeitsvertragliche Pflichten kein Schuldvorwurf zu machen sei.

     

    Eine außerordentliche Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB komme daher nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, wie beispielsweise dem Ausschluss der ordentlichen Kündigung aufgrund tarif- oder einzelvertraglicher Vereinbarungen in Betracht. Zwar habe der ArbN durch Ausübung seiner Tätigkeit unter Alkoholeinfluss seine arbeitsvertraglichen Hauptpflichten verletzt. Die therapeutische Arbeit mit Suchtkranken erlaube es nämlich nicht, dass der Therapeut selbst unter Alkoholeinfluss stehe. Ein Schuldvorwurf erwachse dem ArbN wegen seiner Alkoholabhängigkeit hieraus hingegen nicht. Da eine ordentliche Kündigung auch nicht ausgeschlossen und hilfsweise ausgesprochen sei, sei deren Wirksamkeit zu prüfen.

     

    Der ArbN habe aufgrund der Vorfälle in der Vergangenheit und mehrfacher Rückfälle auch zum Zeitpunkt der Kündigung Grund zu der Annahme gehabt, dass er wegen der Sucht nicht mehr in der Lage sei, seine Tätigkeit als Ergotherapeut in der Suchtklinik der ArbG auf Dauer ordnungsgemäß erbringen zu können. Es bestehe nämlich die Gefahr, dass die Patienten im Kampf gegen ihre Sucht beeinträchtigt werden könnten, wenn sie bemerken, dass auch ihr Therapeut unter Alkoholeinfluss stehe. Die Alkoholisierungen des ArbN im Dienst am 20.12.06, am 5.2.07 und zuletzt am 22.5.09 zeigten überdies, dass ihm trotz längerer „trockener“ Perioden keine günstige Prognose zu stellen sei.

     

    Auch im Rahmen einer allgemeinen Interessenabwägung überwiege dass Beendigungsinteresse des ArbG. Die Gefahr neuer Alkoholauffälligkeit während der Arbeitszeit stehe einer Weiterbeschäftigung über die ordentliche Kündigungsfrist hinaus entgegen. Die Verantwortung des ArbG für die Patienten gebiete es ihm, nur persönlich geeignete Therapeuten zu beschäftigen. Weder durch eine Versetzung des A, noch durch verstärkte Kontrollen durch den ArbG habe diese Gefahr abgewendet werden können. Dies gelte auch in Anbetracht des hohen Lebensalters des über 60-jährigen ArbN und seiner zwölfjährigen Beschäftigung.

     

    Praxishinweis

    Das Urteil zeigt, dass es auch im Bereich der krankheitsbedingten Kündigung, insbesondere wenn eine Suchterkrankung im Raum steht, für ArbG Möglichkeiten gibt, das Arbeitsverhältnis zumindest fristgemäß zu beenden. Hierfür ist aber in der Regel ein langer Atem notwendig. So billigt die Rechtsprechung in der Regel einem therapiebereiten ArbN, der alkoholabhängig ist, wenigstens einen stationären Entzug zu, bevor eine Kündigung in Frage kommt. Aus den Besonderheiten des Falls wie der Arbeit als Therapeut in einer Suchtklinik und den mehrfachen Rückfällen des ArbN dürfen daher aufseiten des ArbG keine voreiligen Schlüsse in Bezug auf eine etwaige Erleichterung einer alkohol- oder suchtbedingten Kündigung gezogen werden.

     

    Weiterführende Hinweise

    Quelle: Ausgabe 06 / 2013 | Seite 93 | ID 39568980