16.01.2014
Landesarbeitsgericht: Urteil vom 19.08.2013 – 5 Sa 167/13
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 29.11.2012 - 8 Ca 947/12 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob dass zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer ordentlichen Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat.
Der 1961 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit Januar 1998 zunächst bei der C L GmbH als Head HR Germany und nach der Integration der C L GmbH in den Konzern der Beklagten im Jahre 2009 als Head HR L bei der B L GmbH beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis wurde mit Aufhebungsvertrag vom 17.10.2011 zum 31.10.2011 aufgelöst. Gemäß § 14 dieses Aufhebungsvertrages wurde vereinbart, dass mit Erfüllung dieser Vereinbarung alle gegenseitigen Ansprüche aus dem Beschäftigungsverhältnis und dem Anlass seiner Beendigung restlos abgegolten sind.
Mit Wirkung zum 01.11.2011 ist der Kläger bei der Beklagten als Kaufmann in der Funktion Head of Human Resources, HR Business Partner bei GT/H (Global Technik) in Ludwigshafen beschäftigt. Im Arbeitsvertrag vom 16.09.2011 wurde der 01.01.1998 als Stichtag für die Betriebszugehörigkeit anerkannt. Der Kläger wird von der Beklagten als Leitender Angestellter geführt. Die durchschnittliche Bruttomonatsvergütung lag zuletzt bei 13.000,-- EUR.
In einer Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag vom 19.09.2011 haben die Parteien vereinbart, dass der Kläger einen Dienstwagenverlustausgleich erhält. 11.338,-- EUR soll der Kläger danach mit dem Gehalt im November 2011, 7.558,-- EUR im Mai 2012 und 3.779,-- EUR im Mai 2013 erhalten. Als Voraussetzung der Zahlungen ist festgehalten worden, dass sich der Kläger zum Zeitpunkt der Auszahlung in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befindet.
Bei der Beklagten bestehen ein Betriebsrat und ein Sprecherausschuss. Sie beschäftigt regelmäßig mehrere tausend Arbeitnehmer.
Der Kläger hatte in L im Rahmen seiner Personalleitertätigkeit unter anderem mit den langjährigen Betriebsratsmitgliedern Sch (Schwerbehindertenbeauftragter) und R (Betriebsratsvorsitzender) zu tun.
Mit Schreiben vom 04.04.2003 sagten der Kläger und der Betriebsratsvorsitzende R Herrn Sch rückwirkend ab dem 01.03.2003 eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Zulage in Höhe von 250,-- EUR brutto zu. Die Tätigkeit wurde als Funktionszulage in Verbindung mit der Tätigkeit als Betriebsrat gewährt.
Herr Sch war zu Beginn seiner Tätigkeit als Produktionsmeister tätig und wechselte 1997 betriebsbedingt von der Produktion in eine Forschungsgruppe. Er war seit April 2002 nicht freigestelltes und seit Mai 2006 freigestelltes Betriebsratsmitglied. Zum 01.05.2006 wurde er in die Entgeltgruppe E 12/6 T und zum 01.11.2006 in die Entgeltgruppe E 13/6 T umgruppiert. In der Personalakte des Herrn Sch befindet sich ein Vergleich der Löhne Sch und R. Handschriftlich ist dort der Vermerk des Klägers angebracht "Bitte H. Sch umgruppieren, kein BR-Antrag". Die Umgruppierung wurde nicht dem Betriebsrat vorgelegt.
Herr Sch und Herr R haben mit der B L GmbH am 01.12.2009 Altersteilzeitverträge abgeschlossen. Seitens der B L GmbH sind die Verträge vom Geschäftsführer und dem Kläger unterzeichnet. Als der Kläger die Verträge dem Geschäftsführer zur Unterschrift vorlegte, fragte dieser, ob die Regelungen in den ATZ-Verträgen abschließend seien und ob es Sonderregelungen für die Betriebsratsmitglieder gebe. Der Kläger antwortete, dass es darüber hinaus keine Regelungen gebe.
Am selben Tag vereinbarte der Kläger je zwei Side Letters mit den beiden Mitarbeitern. In dem ersten Side Letter wurde die im Altersteilzeitvertrag vereinbarte Abfindung um zwei Bruttomonatsvergütungen aufgestockt. Durch den zweiten Side Letter sagte der Arbeitgeber die Zahlung einer Aufwandsentschädigung in Höhe von 2 Bruttomonatsvergütungen für die Leistungen im Rahmen der Funktion als Betriebsratsvorsitzender bzw. als Schwerbehindertenbeauftragter zu. Herr R erhielt einen dritten Side Letter vom 03.12.2010. Damit wurde die Auszahlung der im Side Letter vom 01.12.2009 zugesagten Aufwandsentschädigung für die Leistungen in der Funktion als Betriebsratsvorsitzender von Februar 2014 auf Januar 2011 vorgezogen.
Die Altersteilzeitverträge der beiden Betriebsratsmitglieder enthalten in § 10 Abs. 2 die Regelung, dass zur Berechnung der Betriebsrente ein Beschäftigungsgrad von 100 % zugrunde gelegt wird.
Mit Schreiben vom 14.12.2010 dankten der Kläger und Herr R Herrn Sch für seinen besonderen Einsatz im Jahr 2010 und sagten ihm als Anerkennung dafür eine Prämie in Höhe von 1.500,-- EUR zu.
Die Beklagte hat den Sprecherausschuss und vorsorglich den Betriebsrat mit Schreiben vom 23.05.2013 zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers angehört. Der Betriebsrat teilte mit Schreiben vom 30.05.2012 mit, dass er sich für unzuständig erklärt.
Mit Schreiben vom 30.05.2012, dem Kläger zugegangen am 31.05.2012, hat die Beklagte daraufhin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.03.2013 gekündigt. Dagegen hat der Kläger am 05.06.2012 Kündigungsschutzklage erhoben, die am 05.06.2012 beim Arbeitsgericht eingegangen ist.
Der Kläger hat vorgetragen,
in seinem neuen Arbeitsverhältnis in Ludwigshafen nehme er keinerlei Leitungsfunktionen mehr wahr, er habe lediglich noch administrative Aufgaben. Er habe sicherzustellen, dass die in der zentralen Personalabteilung getroffenen Entscheidungen im Bereich GT umgesetzt würden. Die Kündigung sei wegen des geltenden Prognoseprinzips vor dem Hintergrund der vollständigen Aufgabenänderung unwirksam.
Die ihm vorgeworfenen Handlungen hätten sich zudem während eines inzwischen beendeten Arbeitsverhältnisses - unstreitig - ereignet. Der wahre Grund für die Kündigung bestehe darin, dass er nicht bereit gewesen sei, das bei der Beklagten bestehende System der Betriebsratsbegünstigung mit umzusetzen.
Die Umgruppierungen des Herrn Sch im Jahr 2006 seien mit seinem Vorgesetzten Herrn D und dem Betriebsrat vorab abgestimmt gewesen. Die mit Herrn Sch vereinbarte Funktionszulage sei als pauschale Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit als Schwerbehindertenbeauftragter zustande gekommen.
Der Kläger hat beantragt:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2012, zugegangen am 31.05.2012, nicht zum Ablauf des 31.03.2013 aufgelöst wird.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt und den Kläger in seinem beruflichen Fortkommen fördert.
Hilfsweise für den Fall, dass der Feststellungsantrag zu Ziffer 1 abgewiesen wird, wird die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein Abschlusszeugnis zu erteilen, welches sich auf Führung und Leistung erstreckt und den Kläger in seinem beruflichen Fortkommen fördert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag zu 1 weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.558,-- EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2012 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen,
der Kläger habe in seiner Funktion als Personalleiter in L mehrfach gesetzeswidrige geldwerte Zuwendungen an die Betriebsratsmitglieder Sch und R veranlasst. Für die zweifache Umgruppierung des Herrn Sch gebe es keinen sachlichen Grund. Sie sei nicht mit dem hypothetischen Verlauf seiner Karriere begründbar. Herr Sch habe damit für seine Tätigkeit als Betriebsrat bzw. als Schwerbehindertenbeauftragter entlohnt werden sollen. Eine ähnliche Entwicklung eines vergleichbaren Mitarbeiters gebe es bei der B L nicht. Die den beiden Betriebsratsmitgliedern im Rahmen der ATZ-Verträge gemachten Zusagen überschritten die Zusagen von Tarifmitarbeitern bei weitem. Die verschiedenen Umgruppierungen, Zusagen und Zahlungen stellten jeweils eine Betriebsratsbegünstigung im Sinne der §§ 78 S. 2, 37 Abs. 1 BetrVG dar. Mit den Zahlungen habe der Kläger den Straftatbestand der Untreue erfüllt.
Unerheblich sei in diesem Zusammenhang, dass der Kläger die Betriebsratsbegünstigung in seiner Funktion als Personalleiter einer Gruppengesellschaft der Beklagten und damit vor seinem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten begangen habe. Sowohl die Compliance-Richtlinien als auch der Verhaltenskodex, gegen den der Kläger verstoßen habe, hätten konzernübergreifend gegolten. Ferner seien dem Kläger die Dienstjahre in L im Arbeitsvertrag mit der Beklagten angerechnet worden. Im Bereich Human Resources übe der Kläger auch jetzt eine Führungstätigkeit aus, die die Zusammenarbeit mit den Arbeitnehmervertretungen beinhalte. Eine Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat sei nach dem Vorgehen des Klägers undenkbar. Der Kläger habe das Vertrauen in seine Redlichkeit, Glaubwürdigkeit und Integrität durch sein Verhalten vollkommen zerstört. Die Handlungen des Klägers erschütterten die Beklagte in ihren Grundwerten und schädigten ihren Ruf nachhaltig.
Sie habe ebenso wie der Geschäftsführer der B L GmbH erst von den Betriebsratsbegünstigungen erfahren, als der Kläger seine neue Stelle bei ihr bereits angetreten habe.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat daraufhin durch Urteil vom 29.11.2012 - 8 Ca 047/12 - festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2012, zugegangen am 31.05.2012, nicht zum Ablauf des 31.03.2013 aufgelöst wird, es hat weiterhin die Beklagte verurteilt, dem Kläger ein Zwischenzeugnis zu erteilen, ihn zu unveränderten Arbeitsbedingungen bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung weiter zu beschäftigen und an ihn 7.558,00 EUR brutto nebst Zinsen zu zahlen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 578 bis 588 d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihr am 08.04.2013 zugestellte Urteil hat die Beklagte durch am 15.04.2013 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat die Berufung durch am 03.05.2013 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagte wiederholt ihr erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, der von ihr unterbreitete Lebenssachverhalt könne nicht allein an den Grundsätzen einer verhaltensbedingten Kündigung gemessen werden. Auch müssten die Vorfälle Berücksichtigung finden, die sich zu einem Zeitpunkt ereignet haben, der vor der Konzernzugehörigkeit der C Spezialitäten Chemie L GmbH gelegen haben, also aus der Zeit vor dem 01.04.2009. Der entgegenstehenden Auslegung des Aufhebungsvertrages des Klägers mit seinem vorherigen Arbeitgeber durch das Arbeitsgericht könne nicht zugestimmt werden. Mit der von der Beklagten vertretenen Auffassung, d.h. eine Auslegung der Abgeltungsklausel ohne Erstreckung auf das Kündigungsrecht, sei diese keinesfalls sinnentleert.
Der Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der vorgenommenen Eingruppierung sei in sich widersprüchlich. Er habe zunächst behauptet, die damaligen Erhöhungsschritte seien auf Weisung seines damaligen Vorgesetzten geschehen, sodann aber dargelegt, dass die Verantwortlichkeit der Umgruppierung vollumfänglich bei ihm gelegen habe. Schließlich habe er ausgeführt, dass dann, wenn der Geschäftsführer seines vorherigen Arbeitgebers, Herr D, zum maßgeblichen Zeitpunkt noch dagewesen sei, dies mit seinem Wissen geschehen sei. Insgesamt werde insoweit nicht deutlich, was denn nun zutreffe solle. Hinsichtlich der monatlichen "Funktionszulage" an Herrn Sch in Höhe von 250,00 EUR, die ab dem 01.03.2003 fortlaufend gewährt worden sei, liege ein Verstoß gegen das Verbot einer Betriebsratsbegünstigung vor. Die Zulage könne insbesondere nicht als pauschale Aufwandsentschädigung "umgewidmet" werden, da sie sich in keiner Weise an irgendwelchen tatsächlichen Kosten oder Aufwendungen des Herrn Sch ausrichte. Ein derartiger Verstoß gegen § 78 Satz 2 BetrVG sei strafbewährt (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG), auch wenn der Arbeitgeber vorliegend nicht zum Kreis der Antragsberechtigten gehöre. Darüber hinaus liege eine strafbare Untreue (§ 266 StGB) nahe. Diese Vorgehensweise habe auch Auswirkungen auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis. Insbesondere seien die arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten aus der zuvor bestehenden Vertragsbindung auch in den Vertragswerken zum Übertritt des Klägers zur Beklagten im Jahr 2011 anerkannt und fortgeschrieben worden. Gerade als Personalleiter sei der Kläger in besonderem Maße dazu verpflichtet gewesen, das Vertrauen seines Arbeitgebers in die von ihm geleistete Arbeit und die korrekte Aufgabenerledigung für den Arbeitgeber Tag für Tag zu bestätigen. Damit stehe fest, dass der Kläger für den weiteren Einsatz der ihm übertragenen HR Führungsposition ungeeignet sei.
Nichts anderes folge aus der zweifachen Höhergruppierung des Betriebsratsmitglieds Sch im Jahre 2006. Höhergruppierungen aus Anlass der Freistellung des Betriebsratsmitglieds zur Anpassung an das Entgelt des ebenfalls freigestellten Betriebsratsvorsitzenden widersprächen den gesetzlichen wie auch den tariflichen Vorgaben. Die Bevorzugung des Herrn Sch allein aufgrund seines Betriebsratsamtes sei offenkundig. Im Übrigen sei für die Eingruppierung nach dem Bundesentgelttarifvertrag Chemie allein die Tätigkeit des Arbeitnehmers maßgeblich, nicht dagegen die berufliche Bezeichnung. Insgesamt verbleibe als einzige Erklärung, dass der Kläger die Differenz im Entgelt zwischen dem schon seit längerer Zeit freigestellten Betriebsratsvorsitzenden R und dem im Frühjahr 2006 neu freigestellten Betriebsratsmitglied Sch auf ein "angemessenes Maß" habe reduzieren wollen oder zumindest einem Anliegen der beiden Betriebsratsmitglieder aktiv nachgekommen sei.
Hinsichtlich der höheren Altersruhegeldzusagen im Zusammenhang mit den Altersteilzeitverträgen für die Herren R und Sch sei die in § 10 jeweils enthaltene Zusage, dass der Berechnung ihrer Betriebsrente ein Beschäftigungsgrad von 100% zugrunde gelegt, zu beanstanden. Damit werde von der damals noch gültigen Betriebsvereinbarung 80/92 des vormaligen Arbeitgebers des Klägers abgewichen, die bei zeitweiliger Teilzeitarbeit die Reduzierung des ruhegehaltfähigen Einkommens entsprechend der durchschnittlichen Arbeitszeit während der gesamten Dienstzeit vorgesehen habe, des Weiteren sei davon abgesehen worden, die entsprechenden Rentenabschläge in Folge des bereits vor dem vollendeten 65. Lebensjahres eintretenden Rentenbezugs vorzunehmen. Dies habe zur Folge, dass für Herrn R zusätzliche Rentenzahlungen im Barwert von 65.090,00 EUR und für Herrn Sch im Barwert von 56.753,00 EUR zu kalkulieren und entsprechende Rückstellungen zu bilden seien. Bei 52 zwischen 2004 und 2009 geschlossenen Altersteilzeitverträgen habe die Beklagte lediglich in fünf Fällen bei der Betriebsrente "nachgebessert", allerdings nur in einem wesentlich geringfügigeren Rahmen.
Hinsichtlich der "Side Letter" zu den Altersteilzeitverträgen vom 01.12.2009 sei Herrn Sch und Herrn R jeweils eine "Aufwandsentschädigung" für die in den vergangenen Jahren erbrachten Leistungen im Rahmen ihrer Funktion als Betriebsratsvorsitzender und als Schwerbehindertenbeauftragter - insbesondere auch für ihren nicht unerheblichen Einsatz außerhalb der Arbeitszeit - in Höhe von 10.440,00 EUR sowie ein zusätzlicher Abfindungsbetrag von 10.440,00 EUR (Herr R) versprochen worden. Bei Herrn Sch belaufe sich die "Aufwandsentschädigung" auf 11.730,00 EUR für "die in den vergangenen Jahren erbrachten Leistungen im Rahmen ihrer Funktion als Schwerbehindertenbeauftragter - insbesondere auf ihre nicht unerheblichen Einsatz außerhalb ihrer Arbeitszeit"; hinzu komme eine um 11.730,00 EUR höhere Abfindung. Diese "Side Letter" seien durch den Kläger und einen ihm nachgeordneten Mitarbeiter der Personalabteilung unterschrieben worden, ohne dass der Geschäftsführer Dr. P davon in Kenntnis gesetzt worden sei. Eine Veranlassung, derartige Leistungen zu versprechen, habe nicht bestanden. Denn die betroffenen Betriebsratsmitglieder seien an ihren eigenen Altersteilzeitantrag nach § 145 BGB gebunden gewesen. Dem Ansinnen der Betriebsratsmitglieder, anlässlich des vorzeitigen Ausscheidens in eigener Sache "noch etwas mitzunehmen" habe sich der Kläger nicht widersetzt, sondern sogar aktiv daran mitgewirkt.
Auch die Prämienzusage an Herrn Sch vom 14.12.2010 "in Anerkennung ihres besonderen Einsatzes im Jahr 2010" in Höhe von 1.500,00 EUR brutto, die der Betriebsratsvorsitzende R mit unterzeichnet habe, stelle eine unzulässige und strafbewehrte Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern dar.
Nicht ausgegangen werden könne davon, dass dem Kläger in Wahrheit deshalb gekündigt worden sei, weil er nicht bereit gewesen sei, ein bei der Beklagten existierendes System der Betriebsratsbegünstigung mit umzusetzen. Es handele sich teils um pauschale und nebulöse Vorwürfe, und soweit konkrete Vorgänge betroffen gewesen seien, treffe das genaue Gegenteil zu. Zudem habe der Kläger, obwohl selbst Compliance-Beauftragter, keinen einzigen Fall des von ihm angeblich beobachteten "lockeren Umgangs mit Compliance-Themen" der dazu von der Beklagten eingerichteten Compliance Hotline, dem Chief Compliance Officer oder wenigstens seinen fachlichen oder disziplinarischen Vorgesetzten angezeigt, was aber seine unbedingte Pflicht als verantwortungsvoller Compliance-Beauftragter gewesen wäre.
Zur weiteren Darstellung des Vorbringens der Beklagten im Berufungsverfahren wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 30.04.2013 (Bl. 607 bis 637 d.A.) nebst Anlage (Bl. 638 d.A.) sowie ihren Schriftsatz vom 01.08.2013 (Bl. 728 bis 744 d.A.) nebst Anlagen (Bl. 745, 746 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 29.11.2012 mit dem Az.: 8 Ca 947/12 wird abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, selbst wenn die Vorwürfe der Beklagten zuträfen, was nicht der Fall sei, sei kein so schwerwiegendes Verhalten gegeben, dass es - obwohl außerhalb des Arbeitsverhältnisses gezeigt - kündigungsrelevant sein könne. Dies sei schon deshalb nicht der Fall, weil der Kläger in seinem neuen Arbeitsverhältnis keine Möglichkeit mehr habe, aktiv gehaltsrelevante Entscheidungen zu treffen, d.h. Gehaltsänderungen herbeizuführen. Von daher bleibe unklar, warum das (vermeintliche) Fehlverhalten des Klägers dazu führen könne, dass es dem Kläger an der Eignung für die künftige Erledigung seiner Aufgaben fehle. Das Verhalten des Klägers erfülle keinen Straftatbestand; selbst die Beklagte habe - unstreitig - keine Strafanzeige erhoben. Der Kläger habe zudem, solange Herr Dr. D sein Vorgesetzter gewesen sei, sein gesamtes Handeln mit diesem abgestimmt. Dies gelte insbesondere auch für die beiden Höhergruppierungen von Herrn Sch. Der Sachvortrag des Klägers sei insoweit auch nicht widersprüchlich. Die Umgruppierungen seien vorbesprochen gewesen; nach dem Weggang von Herrn Dr. D habe der Kläger selbständig entscheiden können und dies auch getan. Die Entscheidungen über beide Umgruppierungen von Herrn Sch habe er aber noch mit Herrn Dr. D vor dessen Weggang abgestimmt. Die Umsetzung sei allerdings in einen Zeitraum gefallen, in dem der Kläger bereits Head Human Resources Germany gewesen sei.
Die Funktionszulage Sch sei gewährt worden, um die Aufwendungen durch dessen Tätigkeit als Schwerbehindertenbeauftragter abzudecken, die nicht einzeln hätten abgerechnet werden können, weil ansonsten eine Offenlegung der jeweiligen Einzeltätigkeiten hätte verlangt werden müssen. Die insoweit betroffenen Tätigkeiten hätten Hausbesuche, Rechtsanwaltsbesuche, Fahrten in Krankenhäuser und zu Betroffenen nach Abstimmungen mit dem VdK u.s.w. erfasst. Die Zulage sei mit der entsprechenden Tätigkeit des Herrn Sch ab 2003 verknüpft und mit Herrn Dr. D abgestimmt gewesen. Dieser habe als Vorgesetzter des Klägers die Letztverantwortung für die Entscheidung getragen.
Die Höhergruppierungen des Herrn Sch seien im Sinne einer fiktiven beruflichen Entwicklung nicht nur gerechtfertigt, sondern angezeigt gewesen. Sie hätten an sich bereits zuvor erfolgen müssen und seien nicht wegen oder aus Anlass der Freistellung erfolgt. Auch diese Höhergruppierungen seien mit Herrn Dr. D abgestimmt gewesen. Eine Bevorzugung des Herrn Sch wegen seines Betriebsratsamtes sei nicht gegeben gewesen. Die reale Tätigkeit des freigestellten Betriebsratsmitglieds könne nicht bewertet werden, da die Betriebsratstätigkeit nicht eingruppiert werden könne. Dass der Meistertitel des Herrn Sch für seine Eingruppierung sehr wohl relevant sei, folge bereits aus der Beschreibung und der Entgeltgruppe E 12 "Meister mit einem schwierigen Aufgabengebiet". Beide Höhergruppierungen seien in Abstimmung mit dem Betriebsrat vorgenommen worden, ebenso in Abstimmung mit Herrn Dr. D.
Sofern in den Zusagen an die Betriebsratsmitglieder R und Sch bezogen auf die Altersruhegeldzusagen von damals noch gültigen Betriebsvereinbarungen abgewichen worden sei, sei dies nicht zu beanstanden. Denn verbesserte Rentenzusagen seien zulässig. Zudem habe die Beklagte selbst eingeräumt, dass auch weitere Arbeitnehmer verbesserte Zulagen erhalten hätten. Schließlich sei nicht erkennbar, wofür oder auf welches Ziel gerichtet eine Begünstigung der Betriebsratsmitglieder habe stattgefunden haben sollen, da es kein solches Ziel oder keine etwaige solche Handlung gebe.
Hinsichtlich der Side Letter zu den Altersteilzeitverträgen sei zu berücksichtigen, dass die Betriebsratsmitglieder die dort niedergelegten Vertragsbedingungen nachverhandelt hätten. Ihnen sei bekannt gewesen, dass die Arbeitgeberin weitere Altersteilzeitverträge abschließen wollte, so dass eine Verhandlungsposition bestanden habe, solange die Verträge noch innerhalb des staatlich geförderten Zeitraums abgeschlossen hätten werden können. Die Betriebsratsmitgliedschaft habe in diesem Zusammenhang keine Rolle gespielt. Die zusätzlich verhandelten Zahlungen bewegten sich im Rahmen des üblichen. Mit dem Antrag des Arbeitnehmers auf Altersteilzeit habe dieser noch kein verbindliches Angebot abgegeben.
Die Prämie sei an Herrn Sch gewährt worden, weil er Herrn R zeitaufwendig habe vertreten werden müssen und dies zu Mehrarbeit geführt habe. Herr R sei im Jahr 2010 aufgrund einer schweren Erkrankung lange nicht anwesend gewesen.
Hinsichtlich des vom Kläger behaupteten tatsächlichen Grundes für die streitgegenständliche Kündigung sei darauf hinzuweisen, dass er die Aufgabe gehabt habe, die Boni für die Betriebsräte im SAP-System freizugeben. Damit seien die Zahlungsanweisungen für die Boni der Betriebsräte ausgelöst worden. Nach Durchsicht der Historie der Bonuszahlungen an die Betriebsräte in der Vergangenheit habe der Kläger aber festgestellt, dass an diese über viele Jahre hinweg in der Vergangenheit hohe und deutlich prozentual über dem durchschnittlichen Auszahlungsprozentsatz der übrigen Mitarbeiter der Beklagten liegende Bonuszahlungen geleistet worden seien. Daraufhin habe er sich erkundigt, warum die Bonuszahlungen an die Betriebsräte anders ermittelt würden, als die der übrigen Mitarbeiter. Daraufhin sei er darüber informiert worden, dass dies "schon immer so gewesen sei" und dass die Bonuszahlungen der Betriebsräte zudem vorab aus dem gesamten Bonusbudget, das für Bonuszahlungen zur Verfügung stehe, entnommen würden. Erst der daraufhin verbleibende Teil des Bonusbudgets werde danach auf die übrigen Mitarbeiter der Beklagten verteilt. Das mache deutlich, das die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung allein im Zusammenhang mit der Weigerung stehe, an diesem System der Bonuszahlungen gegenüber Betriebsräten mitzuwirken.
Zur weiteren Darstellung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 05.07.2013 (Bl. 689 bis 708 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 709 bis 727 d. A.) sowie seinen Schriftsatz vom 13.08.2013 (Bl. 766 bis 777 d. A.) nebst Anlagen (Bl. 778 bis 784 d. A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen.
Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 19.08.2013.
Entscheidungsgründe
I. Das Rechtsmittel der Berufung ist nach §§ 64 Abs. 1, 2 ArbGG statthaft. Die Berufung ist auch gem. §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 518, 519 ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
II. Das Rechtsmittel der Berufung hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Denn das Arbeitsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständliche ordentliche Kündigung der Beklagten vom 30.05.2012 das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht zum Ablauf des 31.03.2013 aufgelöst hat. Daher hat der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses, auf Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits sowie auf Zahlung des Dienstwagenverlustausgleichs.
Die streitgegenständliche ordentliche Kündigung ist sozial nicht gerechtfertigt (§ 1 Abs. 2 KSchG).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung, weil der Kläger bereits länger als ein halbes Jahr bei der Beklagten beschäftigt ist, die weit mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt (§§ 1 Abs. 1, 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG).
Die ordentliche Kündigung der Beklagten ist vorliegend aber weder unter dem Gesichtspunkt der verhaltens-, noch dem der personenbedingten Kündigung sozial gerechtfertigt.
Was als verhaltensbedingter Kündigungsgrund zu verstehen ist, wird im KSchG zwar nicht definiert. Allerdings kommen verhaltensbedingte Umstände, die grds. dazu geeignet sind, einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, ebenso als verhaltensbedingte Gründe i. S. d. § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG in Betracht. Im Übrigen ist eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen des Arbeitnehmers gem. § 1 Abs. 2 S 1 Alt. 2 KSchG dann sozial gerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat, eine dauerhaft störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwarten steht und die Lösung des Arbeitsverhältnisses in Abwägung der Interessen beider Vertragsteile angemessen erscheint. Ein nachhaltiger Verstoß des Arbeitnehmers gegen berechtigte Weisungen des Arbeitgebers stellt eine Vertragspflichtverletzung dar, die eine Kündigung zu rechtfertigen vermag. Ebenso kann eine erhebliche Verletzung der den Arbeitnehmer gem. § 241 Abs. 2 BGB treffenden Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers eine Kündigung rechtfertigen (BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607 [BAG 03.11.2011 - 2 AZR 748/10];s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 10).
Eine ordentliche verhaltensbedingte Arbeitgeberkündigung ist grds. nur dann sozial gerechtfertigt (vgl. BAG 24.06.2004 EzA § 1 KSchG, Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 65, 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 37; 03.11.2011 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 79 = NZA 2012, 607 [BAG 03.11.2011 - 2 AZR 748/10]; s. a. BAG 12.05.2011 EzA § 123 BGB 2002 Nr. 1; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Fachanwalts Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2013, Kap. 4, Rn. 2282 ff.) wenn
ein (i. d. R. schuldhaftes) Fehlverhalten des Arbeitnehmers als Abweichung des tatsächlichen Verhaltens oder der tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung vom vertraglich geschuldeten Verhalten bzw. der vertragliche geschuldeten Arbeitsleistung gegeben ist, der Arbeitnehmer also seine vertraglichen haupt- oder Nebenpflichten erheblich und i. d. R. schuldhaft verletzt hat;dieses Fehlverhalten auch betriebliche Auswirkungen hat;(i. d. R. zumindest) eine einschlägige vorherige Abmahnung gegeben ist;danach weiteres einschlägiges schuldhaftes Fehlverhalten mit betrieblichen Auswirkungen vorliegt undeine umfassende Interessenabwägung unter besonderer Berücksichtigung der betrieblichen Auswirkungen des Fehlverhaltens oder der Schlechtleistung und des Verhältnismäßigkeitsprinzips das Überwiegen des Interesses des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ergibt.
Es gilt das Prognoseprinzip. Der Zweck der Kündigung ist nicht die Sanktion für eine Vertragspflichtverletzung, sondern eine Vermeidung von weiteren Vertragspflichtverletzungen. Die eingetretene Pflichtverletzung muss sich auch zukünftig noch belastend auswirken. Eine negative Prognose liegt vor, wenn aus der konkreten Vertragspflichtverletzung und der daraus resultierenden Vertragsstörung geschlossen werden kann, der Arbeitnehmer werde den Arbeitsvertrag auch nach einer Kündigungsandrohung erneut in gleicher oder ähnlicher Weise verletzen (BAG 19.04.2007 NZA-RR 2007, 571; LAG RhPf 26.02.2010 NZA-RR 2010, 297).
Deshalb setzt eine Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung regelmäßig eine Abmahnung voraus; sie dient der Objektivierung der Prognose (BAG 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 67: 12.01.2006 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 68). Sie ist nur dann entbehrlich, wenn im Einzelfall besondere Umstände vorgelegen haben, aufgrund derer eine Abmahnung als nicht Erfolg versprechend angesehen werden kann. Das ist insbes. dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der Arbeitnehmer nicht gewillt ist, sich vertragsgerecht zu verhalten. Nur besonders schwere Vorwürfe bedürfen keiner Abmahnung, wenn und weil der Arbeitnehmer dann von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann (LAG RhPf 26.02.2010 - 6 Sa 682/09, NZA-RR 2010, 297; LAG Nds. 12.02.2010 - 10 Sa 1977/08, EzA-SD 8/2010 S. 6 LS).
Einer Abmahnung bedarf es danach bei einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes also nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10, EzA-SD 16/2011 S. 3 LS = NZA 2011, 1029 [BAG 24.03.2011 - 2 AZR 282/10]; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35; 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 36; 19.04.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 39 = NZA-RR 2012, 567;25.10.2012 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 41 = NZA 2013, 319 [BAG 25.10.2012 - 2 AZR 495/11]; LAG Hessen 27.02.2012 NZA-RR 2012, 471), denn dann ist grds. davon auszugehen, dass das künftige Verhalten des Arbeitnehmers schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann; die Abmahnung dient insoweit der Objektivierung der negativen Prognose: Ist der Arbeitnehmer ordnungsgemäß abgemahnt worden und verletzt er dennoch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erneut, kann regelmäßig davon ausgegangen werden, es werde auch zukünftig zu weiteren Vertragsstörungen kommen. Das gilt grds. uneingeschränkt selbst bei Störungen des Vertrauensbereichs durch Straftaten gegen Vermögen oder Eigentum des Arbeitgebers (BAG 09.06.2011 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 35 = NZA 2011, 1027 [BAG 09.06.2011 - 2 AZR 381/10]; LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA -RR 2012, 353; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356), denn auch in diesem Bereich gibt es keine "absoluten" Kündigungsgründe. Stets ist konkret zu prüfen, ob nicht objektiv die Prognose berechtigt ist, der Arbeitnehmer werde sich jedenfalls nach einer Abmahnung künftig wieder vertragstreu verhalten (BAG 10.06.2010 EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32; Preis AuR 2010, 242;Schlachter NZA 2005, 433 ff.; Schrader NJW 2012, 342 ff.; s. LAG Bln.-Bra. 30.03.2012 LAGE § 611 BGB 2002 Abmahnung Nr. 9 = NZA-RR 2012, 353; Arbeitszeitbetrug; LAG Köln 20.01.2012 NZA-RR 2012, 356: vorzeitiges Arbeitsende ohne betriebliche Auswirkungen).
Bei der Bewertung des Kündigungsgrundes und bei der nachfolgenden Interessenabwägung ist ein objektiver Maßstab anzulegen, so dass subjektive Umstände, die sich aus den Verhältnissen der Beteiligten ergeben, nur aufgrund einer objektiven Betrachtung zu berücksichtigen sind. Dabei ist insbesondere nicht auf die subjektive Befindlichkeit des Arbeitgebers abzustellen; vielmehr ist ein objektiver Maßstab ("verständiger Arbeitgeber") entscheidend, also ob der Arbeitgeber aus der Sicht eines objektiven Betrachters weiterhin hinreichendes Vertrauen in den Arbeitnehmer haben müsste, nicht aber, ob er tatsächlich auch hat (BAG, 10.06.2010 - EzA § 626 BGB 2002 Nr. 32).
Auch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnisses liegende, dem Arbeitgeber bei der Einstellung nicht bekannte Umstände oder Ereignisse (z.B. Bilanzmanipulationen des nach einer Fusion als Arbeitnehmer übernommenen Vorstands einer der fusionierten Betriebskrankenkassen) können das Vertrauen des Arbeitgebers in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstören (und deshalb einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen; BAG 05.04.2001 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 187).
Die Beklagte wirft dem Kläger vorliegend in einer Reihe von Fällen die Begünstigung von Betriebsratsmitgliedern vor:
Zusage einer monatlichen Funktionszulage an Herrn Sch vom 04.04.2003
Zweifache Höhergruppierung des Betriebsratsmitglieds Sch im Jahr 2006 ohne sachlichen Grund
Vereinbarung von mehreren Side Letters zu den ATZ-Verträgen der Betriebsratsmitglieder Sch und R vom 01.12.2009 und vom 03.12.2010, welche Abfindungserhöhungen und Aufwandsentschädigungen enthalten
Höhere Altersruhegeldzusagen an die Herren Sch und R im Rahmen ihrer ATZ-Verträge vom 01.12.2009 durch Zugrundelegung eines Beschäftigungsgrades von 100 %
Prämienzusage an Herrn Sch vom 14.12.2010
Mit der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Berücksichtigung der Vorfälle in L, die sich vor 2009 ereignet haben, nicht von einer Berücksichtigung generell ausgeschlossen sind. Denn das Kündigungsschutzgesetz ist zwar unternehmensbezogen; 2003 und 2006 bestand keine rechtliche Verbindung zwischen dem damaligen Arbeitgeber des Klägers und der Beklagten. Die Firma C L GmbH war mit der Beklagten auch nicht konzernrechtlich verbunden. Erst zum 01.04.2009 erfolgte eine Eingliederung des damaligen Arbeitgebers in die Konzernstruktur der Beklagten als Gruppengesellschaft. Gleichwohl können, wie dargelegt, auch vor dem Beginn des Arbeitsverhältnis liegende, dem Arbeitgeber bei der Einstellung nicht bekannte Umstände oder Ereignisse das Vertrauen des Arbeitgebers in die Zuverlässigkeit und Redlichkeit des Arbeitnehmers zerstören und deshalb einen Kündigungsgrund darstellen (BAG, 05.04.2001 EzA § 626 BGB n.F. Nr. 187). Zudem kommt eine Anlehnung an die Grundsätze in Betracht, die die höchstrichterliche Rechtssprechung für die Berücksichtigung sogenannten außerdienstlichen Verhaltens bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Kündigung aufgestellt hat. Zwar handelt es sich vorliegend insofern nicht um ein außerdienstliches Verhalten in diesem Sinne, weil diese Grundsätze davon ausgehen, dass das zu beurteilende Verhalten zwar außerhalb, aber zeitlich während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses liegen. Da Prüfungsmaßstab nach dem Prognoseprinzip, wie dargelegt, aber die voraussichtliche weitere Entwicklung des Arbeitsverhältnisses sein wird, erscheint eine entsprechende Anwendung dieser Grundsätze vorliegend angemessen.
Eine außerdienstlich begangene Straftat verstößt danach gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB, wenn sie einen Bezug zu den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder der Tätigkeit des Arbeitnehmers hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Fehlt ein solcher Zusammenhang, scheidet eine Pflichtverletzung regelmäßig aus (BAG 27.01.2011 EzA § 626 BGB 2002 Verdacht strafbarer Handlung Nr. 10 = NZA 2011, 798 [BAG 27.01.2011 - 2 AZR 825/09]). Ein derartiger Bezug zum Arbeitsverhältnis kann etwa dann gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer eine Straftat unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begeht, wenn sich der öffentliche Arbeitgeber staatlichen Ermittlungen ausgesetzt sieht oder wenn er mit der Straftat durch den Arbeitnehmer selbst in Verbindung gebracht wird (BAG 28.10.2010 EzA § 1 KSchG Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78 = NZA 2011, 112 [BAG 28.10.2010 - 2 AZR 293/09]).
Von daher ist eine Berücksichtigung der Vorfälle vor 2009 nicht insgesamt ausgeschlossen.
Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich auch keine generelle Nichtberücksichtigung von angeblichem Fehlverhalten aus der Abgeltungsklausel im zwischen dem Kläger und seinem vormaligen Arbeitgeber, der C L GmbH, abgeschlossenen Aufhebungsvertrag. Zwar besteht der Sinn und Zweck einer derartigen Abgeltungsklausel mit dem Arbeitsgericht darin, das Arbeitsverhältnis abschließend zu bereinigen und alle Ansprüche zu erledigen. Dies gilt aber lediglich zwischen den Vertragsparteien und nicht, worauf die Beklagte zutreffend hingewiesen hat, zu Lasten Dritter, an diesem Vertrag nicht Beteiligter, also auch nicht in Bezug auf einen künftigen Arbeitgeber.
Gleichwohl sind die gesetzlichen Voraussetzungen für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nicht erfüllt, weil der Kläger nicht schuldhaft gegen die ihm vertraglich obliegenden Pflichten verstoßen hat.
Dabei ist zunächst davon auszugehen, dass der Kläger - unstreitig - im Rahmen des zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits bestehenden Arbeitsverhältnisses keine Pflichtverletzungen begangen hat; die von der Beklagten vorgetragenen Vorfälle liegen allesamt vor Begründung des Arbeitsverhältnisses mit ihr. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten den insoweit zu berücksichtigenden Pflichtenkreis zeitlich vorverlegt, ergeben sich zwar Anhaltspunkte dafür, dass das Verhalten des Klägers im Hinblick auf §§ 37 Abs. 4, 78 Satz 2 BetrVG nicht unproblematisch ist; für die Annahme schuldhaften Fehlverhaltens des Klägers, das den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung sozial rechtfertigen könnte, genügt dies jedoch nicht.
Gemäß § 78 Satz 2 BetrVG dürfen insbesondere Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden; dies gilt auch für ihre berufliche Entwicklung. Verboten ist insoweit jede objektive Begünstigung der Mandatsträger wegen ihrer Amtstätigkeit. Voraussetzung ist ein objektiver kausaler Zusammenhang zwischen der Amtstätigkeit und der benachteiligenden oder begünstigenden Maßnahme. Kausal ist die Amtstätigkeit, wenn die Besser- oder Schlechterstellung entfallen würde, wenn man die Amtstätigkeit hinweg denkt. Der Umstand, dass der Mandatsträger anders behandelt wird als andere Arbeitnehmer, kommt nur als Indiztatsache dafür in Betracht, dass dies wegen der Amtstätigkeit erfolgt ist (vgl. GK - BetrVG/Kreutz, 9. Aufl., § 78 Rdnr. 44). In Betracht kommen Begünstigungen vor allen Dingen in Form von Geldleistungen, Lohn- und Gehaltserhöhungen. Unzulässige Begünstigungen sind auch zusätzliche Sozialplanleistungen von Betriebsratsmitgliedern und die Bezahlung von Betriebsratsmehrarbeit, wenn die Voraussetzungen nach § 37 Abs. 3 Satz 3 BetrVG nicht vorliegen. Bedenklich unter dem Gesichtspunkt der Begünstigung wie der Benachteiligung ist zudem die Vereinbarung einer Pauschale zum Ausgleich von Betriebsratstätigkeit (vgl. GK - BetrVG/Kreutz, a.a.O. Rdnr. 65).
Vor diesem Hintergrund ist die Zusage einer monatlichen Funktionszulage an Herrn Sch im Jahre 2003 nicht unproblematisch. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu berücksichtigen, dass eine derartige Zusage einer Pauschalierung dann zulässigerweise sinnvoll sein kann, wenn der Einzelnachweis und die Einzelabrechnung jeweils in Anspruch genommener Zeitanteile für die Gremientätigkeit tatsächlich schwierig ist, zur Preisgabe des konkreten Inhalts der wahrgenommenen Tätigkeit führt und durch den Verzicht auf Einzelabrechnung und Nachweis zu einer Zeit- und Kostenersparnis führt. Ob diese Voraussetzungen vorliegend im Einzelnen erfüllt sind/waren, lässt sich nach dem Vorbringen der Parteien in beiden Rechtszügen nicht zuverlässig beurteilen. Zu berücksichtigen ist zudem, dass ein heimliches Vorgehen des Klägers in diesem Zusammenhang nicht vorliegt, dass die Abrechnung der monatlichen Funktionszulage über Jahre hinweg bei den vormaligen Arbeitgeber des Klägers praktiziert worden ist, ohne dass dies - jedenfalls lässt sich Entsprechendes nicht dem Vorbringen im vorliegenden Rechtsstreit entnehmen - beanstandet oder zum Gegenstand einer Abmahnung gemacht worden ist. Auch dem Aufhebungsvertrag des Klägers mit seinem vormaligen Arbeitgeber lassen sich Anhaltspunkte dafür nicht entnehmen. Vor diesem Hintergrund kann von einer schuldhaften Pflichtverletzung des Klägers in seinem vorherigen Arbeitsverhältnis, die vorliegend zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen wäre, nicht ausgegangen werden, worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat. Zudem hat sein vormaliger Arbeitgeber auch offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen, trotz der von der Beklagten angenommenen offensichtlichen Rechtswidrigkeit zumindest den Versuch zu unternehmen, die vermeintliche Begünstigung des Herrn Sch zu beenden. Das wäre dann, wenn der vormalige Arbeitgeber des Klägers die hier vertretene Auffassung der Beklagten teilen würde, aber ohne Weiteres naheliegend und auch im Hinblick auf das Begünstigungsverbot geboten gewesen. Allein dies zeigt - trotz Konzernzugehörigkeit -, dass erhebliche Zweifel an der Würdigung des hier maßgeblichen Lebenssachverhalts durch die Beklagte ohne Weiteres angebracht sind.
Nichts anderes gilt für die zweifache Höhergruppierung des Betriebsratsmitglieds Sch im Jahr 2006.
Hinsichtlich des Begünstigungsverbots gelten die zuvor dargestellten Grundsätze; gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrats zudem nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung.
Für den Anspruch des Betriebsratsmitglieds maßgebend ist das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Durch diesen Vergleichsmaßstab soll die erforderliche hypothetische Betrachtung (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 03.06.1980 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 69; 04.02.1998 NZA - RR 1998, 503) objektiviert werden. Damit sollen die Schwierigkeiten vermieden werden, die sich daraus ergeben, dass sich die berufliche Entwicklung eines Betriebsratsmitglieds ohne seine Amtstätigkeit im Allgemeinen schwer abschätzen lässt. Es ist also nicht zu prüfen, welche individuelle berufliche Entwicklung das betreffende Betriebsratsmitglied ohne das Amt mutmaßlich genommen hätte. Deshalb ist sowohl eine möglicherweise ungünstigere als auch eine günstigere berufliche Entwicklung des Betriebsratsmitglieds gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmers nicht in Betracht zu ziehen. Vergleichbar sind Arbeitnehmer desselben Betriebs, die zum Zeitpunkt der Übernahme des Amtes eine im Wesentlichen objektiv vergleichbare Tätigkeit wie dieses Betriebsratsmitglied ausgeübt haben und auch hinsichtlich der Persönlichkeit, Qualifikation und Leistung vergleichbar sind (vgl. BAG 13.11.1987 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 88; 15.01.1992 EzA § 37 BetrVG 1972 Nr. 110; vgl. GK - BetrVG/Weber 9. Auflage, § 37 Rdnr 112). Betriebsüblich ist die berufliche Entwicklung, die bei objektiver vergleichbarer Tätigkeit ein vergleichbarer Arbeitnehmer im Regelfall, d.h. bei gleichförmigem Verhalten des Arbeitgebers aufgrund der betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen hat. Betriebsüblich sind Beförderungen daher nur, wenn entweder das Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten befördert worden wäre oder wenigstens die überwiegende Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer des Betriebs entsprechend aufgestiegen wäre (BAG 15.01.1992 a. a. O.).
Vor diesem Hintergrund ist die erste Umgruppierung mit der Begründung mit Übernahme der Funktion als freigestellter Betriebsrat zwar höchst bedenklich; die Beklagte hat zutreffend darauf hingewiesen, das Höhergruppierungen aus Anlass der Freistellung als Betriebsratsmitglieds sowie zur Anpassung an das Entgelt des ebenfalls freigestellten Betriebsratsvorsitzenden mit den gesetzlichen und tariflichen Vorgaben unvereinbar sind. Allerdings hat der Kläger hinsichtlich beider Höhergruppierungen zumindest nachvollziehbar dargestellt, dass es sich insoweit nicht um Höhergruppierungen wegen oder aus Anlass der Freistellung, sondern um Höhergruppierungen, die bereits zuvor hätten erfolgen müssen, handelte. Des Weiteren hat er darauf hingewiesen, dass sie jeweils mit seinem Vorgesetzen Herrn Dr. D, abgestimmt waren. Berücksichtigt man zudem, wie auch im Zusammenhang mit der Funktionszulage, das die Höhergruppierungen nicht heimlich erfolgt sind, über Jahre hinweg praktiziert und vollzogen wurden durch die monatlichen Entgeltabrechnungen, dass dies offenbar im vormaligen Arbeitsverhältnis des Klägers zu keinem Zeitpunkt beanstandet und auch keinen Niederschlag im Aufhebungsvertrag gefunden hat, so kann von einem schuldhaften Fehlverhalten des Klägers insoweit nicht ausgegangen werden, auch wenn unter Umständen objektiv ein Gesetzesverstoß gegeben sein könnte.
Diese Grundsätze gelten auch im Hinblick auf die Side Letters zu den Altersteilzeitverträgen der Betriebsratsmitglieder Sch und R; ebenso für die für ein Altersruhegeldzusagen im Rahmen ihrer Altersteilzeitverträge durch Zugrundelegung eines Beschäftigungsgrades von 100 Prozent. Insoweit kommt ergänzend hinzu, dass im Rahmen von Altersteilzeitverträgen es nicht ungewöhnlich ist, dass Arbeitnehmer - und damit auch Betriebsratsmitglieder - den Versuch unternehmen, im konkreten Einzelfall günstigere als die betriebsüblich angebotenen Regelungen zu erzielen. Dass der Kläger insoweit außerhalb seines Entscheidungsspielraumes im Rahmen des damals bestehenden Arbeitsverhältnisses pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt haben könnte, kann nach dem wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringen in beiden Rechtszügen nicht angenommen werden.
Auch insoweit ist - wiederum - ergänzend darauf hinzuweisen, dass der vormalige Arbeitgeber des Klägers offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen hat, trotz Konzernzugehörigkeit die nach Auffassung der Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits gegebenen offensichtlichen Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern - weder für die Vergangenheit, noch für die Zukunft - zu beenden.
Nichts anderes gilt letztlich für die Prämienzusage an Herrn Sch vom 14.12.2010. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass Herr Sch Herrn R zeitaufwendig vertreten musste und dies zu Mehrarbeit führte; dem hat die Beklagte lediglich entgegen gehalten, dass sich derartiges aus der Zeiterfassung nicht ergebe.
Insgesamt hat die Beklagte damit Tatsachen vorgetragen, die das Verhalten des Klägers im Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen zum Begünstigungsverbot für Mandatsträger als nicht unproblematisch erscheinen lassen. Allerdings wäre die Beklagte als verständiger Arbeitgeber nach Auffassung der Kammer deshalb, weil es sich um Vorfälle handelt, die allesamt vor Beginn des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses liegen, gehalten gewesen, im Hinblick auf die weitere Tatsache, dass der Kläger im nunmehr bestehenden Arbeitsverhältnis keinerlei vergleichbare Entscheidungsbefugnisse inne hat (Prognoseprinzip) gehalten gewesen, nach Bekanntwerden dieser Umstände die Tatsachen unter Berücksichtigung der Einlassung des Klägers festzustellen, aufzuklären und deutlich zu machen, worin Abweichungen zum von der Beklagten erwarteten Leistungsverhalten bestehen und dies zum Gegenstand einer Änderung z.B. der Arbeitsplatzbeschreibung zu machen, also deutlich zu machen, was konkret im Einzelnen insoweit zukünftig vom Kläger erwartet wird. Erst wenn dies, ggf. nach einer vorherigen Abmahnung, fehlgeschlagen wäre, wäre eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung in Betracht gekommen.
Auch die Voraussetzungen einer ordentlichen personenbedingten Kündigung sind nicht gegeben.
Denn dem Kläger haftet nach dem Vorbringen der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit nicht in persona der Makel an, mit Betriebsratsmitgliedern nicht ohne Verstoß gegen die gesetzlichen Vorschriften zum Nachteil seines Arbeitgebers umgehen zu können. Es handelt sich bei den von der Beklagten im Einzelnen vorgetragenen Vorfällen jeweils um Maßnahmen des Klägers, die auf einem willensgesteuerten Verhalten beruhen, also für die Zukunft korrigierbar sind. Im Hinblick auf das Prognoseprinzip wäre die Beklagte daher auch insoweit gehalten gewesen, den zuvor beschriebenen Weg als verständiger Arbeitgeber einzuhalten.
Auch die Anwendung der Grundsätze zur Berücksichtigung von außerdienstlichem Verhalten eines Arbeitnehmers führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn zum einen ist nachdrücklich darauf hinzuweisen, dass von offensichtlich begangenen Straftaten des Klägers keine Rede sein kann. Warum das außerdienstliche Verhalten negative Auswirkungen auf den Betrieb der Beklagten haben könnte, erschließt sich im Hinblick auf das erst sehr kurzzeitig bestehende Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht; hinzukommt, dass der vormalige vorherige Arbeitgeber des Klägers trotz Zugehörigkeit zum gleichen Konzern offensichtlich keinerlei Veranlassung gesehen hat, dass von der Beklagten inkriminierte Verhalten zu beanstanden und die nach Würdigung der Beklagten gegebenen offensichtlichen Begünstigungen von Betriebsratsmitgliedern zu beenden. Von daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass irgendwelche Straftaten unter Nutzung von Betriebsmitteln oder betrieblichen Einrichtungen begangen worden sind; auch vor diesem Hintergrund kommt weder eine verhaltens- noch eine personenbedingte ordentliche Kündigung in Betracht.
Folglich bedurfte es abschließend keiner Entscheidung darüber, inwieweit die Behauptung des Klägers zutrifft, die Kündigung beruhe letztlich nur darauf, dass er sich gerade geweigert habe, an einem bei der Beklagten implementierten System der Betriebsratsbegünstigung mitzuwirken.
Da das Arbeitsverhältnis folglich durch die ordentliche Kündigung nicht beendet worden ist, hat der Kläger einen Anspruch auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses sowie auf tatsächliche Weiterbeschäftigung. Daneben hat er Anspruch auf die in der Zusatzvereinbarung zum Anstellungsvertrag zugesagte Zahlung eines Dienstwagenverlustausgleichs; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (S. 12 = Bl. 588 d.A.) Bezug genommen.
Nach alledem war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Zulassung der Revision war nach Maßgabe der gesetzlichen Kriterien des § 72 ArbGG keine Veranlassung gegeben.