Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Außergewöhnliche Belastung

    Beim BFH: Prozesskosten für Umgangsrechtsstreitigkeit nach § 33 EStG abzugsfähig?

    | Aufwendungen für das Führen eines Rechtsstreits (Prozesskosten) können Sie nur dann als außergewöhnliche Belastung geltend machen, wenn Sie ohne diese Aufwendungen Gefahr liefen, Ihre Existenzgrundlage zu verlieren und die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Für das FG München und das FG Düsseldorf zählen auch seelische und soziale Bedürfnisse zu Ihrer Existenzgrundlage. Deshalb mindern auch Prozesskosten, die für einen Streit über den Umgang mit einem Kind anfallen, Ihre Steuerlast. Letztlich entscheiden muss aber der BFH. |

    Die beiden positiven FG-Entscheidungen

    In den beiden Fällen vor dem FG München und dem FG Düsseldorf stritten Eltern jeweils darum, wer Umgang mit dem Kind haben darf.

     

    Alleinerziehende Mutter strengt Umgangsrechtsstreit an

    Beim Fall vor dem FG München versuchte ein Vater, der keinen persönlichen Umgang mit seiner Tochter hatte, einen solchen zunächst außergerichtlich, später gerichtlich durchzusetzen. Das wollte die Mutter verhindern. Sie zog ebenfalls vor Gericht.

     

    Die Kosten in Zusammenhang mit dem Umgangsrechtsstreit ließ das FG zum Abzug zu. Die Begriffe „Existenzgrundlage“ und „lebensnotwendige Bedürfnisse“ seien gesetzlich nicht definiert und könnten auch in einem immateriellen Sinn gedeutet werden. Verliert man das Umgangsrecht mit seinem leiblichen Kind, berührt das den Kernbereich menschlichen Lebens (FG München, Urteil vom 07.05.2018, Az. 7 K 257/17, Abruf-Nr. 205920). Das Finanzamt hat Revision beim BFH eingelegt. Diese wird unter dem Az. VI R 27/18 geführt.

     

    Vater wehrt sich gegen Kindesentführung durch die Mutter

    In dem Fall vor dem FG Düsseldorf hatte die frühere Ehefrau die zwei Jahre alte Tochter nach Südamerika entführt. Der Vater klagte auf Umgangsrecht mit seiner Tochter und deren Rückführung nach Deutschland.

     

    Die Prozesskosten in Höhe von ca. 20.600 Euro hat das FG Düsseldorf als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Vater Gefahr liefe, seine (immaterielle) Existenzgrundlage (Umgangsrecht mit der Tochter) zu verlieren. Der Prozess sei die einzige legale Möglichkeit gewesen, seine von der Kindesmutter ins Ausland entführte Tochter nach Deutschland zurückzuholen (FG Düsseldorf, Urteil vom 13.03.2018, Az. 13 K 3024/17 E, Abruf-Nr. 201101). Dieses Revisionsverfahren wird beim BFH unter dem Az. VI R 15/18 geführt.

    Generelle Anforderung: Sie müssen Nachweise erbringen

    Eine Besonderheit in dem Fall vor dem FG München war, dass in dem Prozess ein Gutachten erstellt worden war, das die seelischen und psychischen Vor- und Nachteile des Umgangsrechts des Vaters mit seiner Tochter beleuchtete. Dieses Gutachten war der Nachweis, den die Richter für Ihre Urteilsbegründung benötigten.

     

    PRAXISTIPP | Wollen Sie Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung geltend machen, weil Sie ohne den Prozess Gefahr liefen, Ihre Existenzgrundlage und Ihre lebensnotwendigen Bedürfnisse im immateriellen Sinne zu verlieren, benötigen Sie ein Gutachten. Ohne Gutachten kann weder der Sachbearbeiter im Finanzamt noch ein Richter einschätzen, welche Ziele Sie mit dem Prozess tatsächlich verfolgen.

     

    Signalwirkung für andere Prozesskosten

    Setzt sich die neue Sichtweise der FG München und Düsseldorf beim BFH durch, wären auch andere Prozesskosten, bei denen es um Ihre immaterielle Existenzgrundlage geht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.

     

    Diese Prozesskosten sind jetzt auch „agB-relevant“

    Das gilt z. B. für Prozesskosten

    • wegen Auslegung einer Vorsorgevollmacht,
    • zur Umsetzung einer Patientenverfügung und
    • zur Abwehr eines Stalkers.

     

    Wird Rechtsprechung zu Scheidungskosten neu aufgerollt?

    Auch die Rechtsprechung zu Scheidungskosten erscheint jetzt in völlig neuem Licht. Der BFH hat den Abzug als außergewöhnliche Belastung bisher stets abgelehnt, weil er die Existenzgrundlage rein aus materieller Sicht betrachtet hat (siehe u.a. BFH, Urteil vom 18.05.2017, Az. VI R 9/16, Abruf-Nr. 195889). Setzt sich die neue „immaterielle“ Sichtweise durch, müsste die Finanzverwaltung auch über Scheidungskosten neu nachdenken.

     

    Insbesondere, wenn körperliche oder seelische Gewalt der Grund für die Scheidung war und das durch Gutachten oder andere Unterlagen belegt ist, käme bei immaterieller Auslegung der Abzug einer außergewöhnlichen Belastung in Betracht.

     

    PRAXISTIPP | Haben Sie einen Prozess geführt, der Sie vor immateriellen Schäden schützen sollte, sollten Sie dafür in der Steuererklärung unbedingt den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung beantragen. Legen Sie Einspruch ein, wenn das Finanzamt ablehnt. Verweisen Sie auf die beim BFH anhängigen Verfahren mit den Az. VI R 15/18 und VI R 27/18 und beantragen Sie das Ruhen Ihres Einspruchsverfahrens.

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 10 | ID 45673529

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents