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  • · Fachbeitrag · Zwischenruf

    Legal Tech auch in der Stiftungsberatung? Ein Plädoyer für freies Denken

    von RA Dr. K. Jan Schiffer(www.schiffer.de und www.stiftungsrecht-plus.de)

    | Es wird viel über die Zukunft der Beraterschaft gesprochen und geschrieben. Wo geht es hin? Wie soll man sich am besten aufstellen? Welche Trends sind zu beachten? Was folgt aus Legal Tech für die Praxis? Diese Fragen stellen sich für Rechtsanwälte, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Unternehmensberater … und auch für den Stiftungsberater. |

    1. Legal Tech als revolutionärer Ansatz?

    Viele meinen, „Legal Tech“-EDV-Technik sowie die daraus zwangsläufig folgende neue Organisation der Arbeitsabläufe werden die Rechtsberatung in allen Bereichen revolutionieren. Das sehe ich deutlich zurückhaltender. Einen Legal-Tech-Ansatz in einem Franchise-System habe ich schon vor Jahren erlebt und kritisiert (BB 40/2003, „Die erste Seite“). Das System, das Schriftsätze aus der EDV generieren sollte, hat nicht wirklich funktioniert. Es verschwand nach kurzer Zeit. Legal Tech ist heute weiter.

    2. Betrachtung für die Stiftungsberatung

    Betrachten wir das Thema einmal für das Stiftungswesen und die Stiftungsberater. Da wird manches besonders deutlich, da die Stiftung (immer noch) auf ewig angelegt ist. Man braucht einen weiten Blick und eine langfristige Perspektive. Dies passt allerdings schwerlich zu dem aktuellen Beschleunigungsdenken. Und auch nicht zu unserer schnelllebigen Zeit, in der eine Langzeitbetrachtung auf allenfalls drei Jahre befristet zu sein scheint.

     

    2.1 Sachverhalt begreifen

    Ausgangspunkt einer jeden Beratung ist der konkrete Sachverhalt. Jeder, der wirklich spezifisch beraten und eine passende Lösung vorschlagen will, muss ihn begreifen, richtig durchblicken und verstehen. Wie soll gute Beratung funktionieren, wenn sie online oder per Smartphone erfolgt? Wie - außer in ganz simplen Fällen - wird da sichergestellt, dass Fragender und Berater von demselben und richtigen Sachverhalt ausgehen?

     

    Im ersten Schritt ist folglich der Sachverhalt gründlich zu recherchieren. Wünsche und Gedanken der Stifter sowie der Stifterfamilie sind zu erfragen. Diese sind kritisch zu hinterfragen und fachlich auf die sich bietenden Möglichkeiten zu überprüfen. Das alles erfordert einen echten und gründlichen Dialog mit und unter den Beteiligten.

     

    2.2 Konkrete und spezifische Lösungsvorschläge ableiten

    Im zweiten Schritt sind dann konkrete und spezifische Lösungsvorschläge gefragt. Dazu sind neben Fachwissen und Erfahrung auch Kreativität und Fantasie erforderlich. Das verlangt oft nach ganz neuen Überlegungen. Diese müssen tragfähig begründet werden. Denn: Überzeugt werden müssen nicht nur die Behörden, sondern auch der Stifter und ggf. seine Familie. Das erfordert vom Berater (rechtsmethodisch) gründliches Arbeiten.

     

    Beachten Sie | Eine positiv beantwortete Nachfrage beim Finanzamt zu einer Steuerfrage ist durchaus hilfreich, reicht aber als Argument vor dem BFH Jahre später nicht aus.

     

    2.3 Zeit und Wertigkeit der Dienstleistung

    Die Zukunft für die Beraterzunft liegt nicht in Modellen und Trends, sondern in der gründlichen Bearbeitung des speziellen Falls. Das wird auch in Zeiten von Legal Tech richtig bleiben, so „altmodisch“ das klingen mag.

     

    • Aussagen aus der Welt der Digitalisierung - kritisch hinterfragt
    • Ein Smartphone gehört zur persönlichen Standardausstattung.
    • Ja, aber begeistert mich das? Habe ich das im Griff oder hat es mich im Griff?
    • „Digitalisierung bedeutet ein Mindset, also eine Denkweise.“
    • Ja, aber ist das die grundsätzlich richtige Denkweise, die uns den Überblick behalten lässt?
    • „Die Gefahr ist, dass wir die Digitalisierung verpassen. Diese moderne Technologie bringt uns viele Vorteile.“
    • Ja, auch das sehe ich. Aber haben wir auch schon einen Überblick zu den Nachteilen? Kriegen wir die in den Griff?
     

    Da sollte man sich doch ein ruhiges Hinterfragen erlauben. Ich werde noch viel nachdenken, was ich mitmache und was nicht. Eine für den konkreten Fall einer Unternehmerfamilie passende „Stiftungssatzung online oder per Internet“ ohne abklärende Gespräche mit den Stiftern und deren Familie kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

     

    Eine unterstützende Internetrecherche nach der neuesten Rechtsprechung und der zugehörigen fachlichen Diskussion hingegen ist schon heute Standard und dieser Standard wird sicherlich fortlaufend optimiert werden.

    3. Schlussbemerkung

    Wir dürfen aus meiner Sicht die Beratung nicht alleine den „Zukunfts-Spezialisten“ überlassen. Spezialisten haben nur in ihrem (engen) Fach den Überblick. Auch die Digitalisierung richtet sich aber ebenso wenig wie das Leben oder auch nur ein einzelner Lebenssachverhalt nach nur einem Spezialistenfach.

     

    Die Digitalisierung macht vor keinem Lebensbereich halt. Sie betrifft uns alle und das umfassend. Also bitte mitdenken, diskutieren und Legal Tech im angemessenen Rahmen nutzen. Dabei sollten wir es mit Kant halten, „Habe Mut, dich deines eigenen Verstands zu bedienen“ - der Wahlspruch der Aufklärung. Das sollte uns alle ermutigen, mit und ohne Legal Tech weiterhin frisch und fröhlich selbst zu denken.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2017 | Seite 129 | ID 44736521