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  • · Fachbeitrag · Nicht rechtsfähige Familienstiftung

    Keine Ersatzerbschaftsteuer: Das BFH-Urteil wirft weitere Fragen auf

    von RA Dr. K. Jan Schiffer, RA Matthias Pruns und RA Christoph J. Schürmann, Bonn (www.schiffer.de, www.stiftungsrecht-plus.de)

    | Der BFH hat sich in seiner Entscheidung vom 25.1.17. klar dagegen ausgesprochen, nicht rechtsfähige Familienstiftungen zur Erbersatzsteuer heranzuziehen. Dies entspricht der herrschenden Meinung. Allerdings wirft die ausführliche und sorgfältig Begründung jetzt weitere Fragen auf, die zuvor nicht bedacht wurden. Das Thema dürfte in nächster Zeit sehr spannend werden. |

    1. Familienstiftung und Ersatzerbschaftsteuer

    Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG unterliegt das Vermögen einer Stiftung, die wesentlich im Interesse einer Familie oder bestimmter Familien errichtet ist, der sog. Ersatzerbschaftsteuer. Diese Steuer entsteht alle 30 Jahre und betrifft das Ganze an dem jeweiligen Stichtag vorhandene Vermögen der Stiftung (ausf. dazu etwa Schiffer in: Schiffer (Hrsg.), Die Stiftung in der Beraterpraxis, 4. Aufl., § 8 Rn. 49).

     

    Regelmäßig wird eine solche „Familienstiftung“ zugunsten der Stifterfamilie als rechtsfähige Stiftung bürgerlichen Rechts errichtet. Sie kann aber im Rahmen der allgemeinen Vertragsfreiheit auch als nicht rechtsfähige Stiftung („Treuhandstiftung“) errichtet werden. Dann stellt sich aus erbschaftsteuerlicher Sicht allerdings die Frage, ob auch eine solche nicht rechtsfähige Familienstiftung unter den Begriff „Stiftung“ in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG fällt.

    2. Die Entscheidung des BFH vom 25.1.17

    Das FG Köln hatte dazu vor knapp einem Jahr entschieden (25.5.16, 7 K 291/16, krit. dazu etwa Theuffel-Werhahn, SB 17, 7), dass § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zumindest in bestimmten Fällen auch für nicht rechtsfähige Familienstiftungen gelte, sodass diese ebenso wie rechtsfähige Familienstiftungen verpflichtet seien, Ersatzerbschaftsteuer zu zahlen. Der BFH hat nun in erstaunlich kurzer Zeit über die Revision gegen dieses Urteil entschieden (BFH 25.1.17, II R 26/16, Abruf-Nr. 192519) und die Ansicht des FG Köln zutreffend und ganz klar im Sinne der herrschenden Meinung abgelehnt (zur h. M. Schiffer in: Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 1 Rn. 103 m.w.N.).

     

    Bemerkenswert ist die Mühe, die sich der BFH bei der Urteilsbegründung gemacht hat. So legt der BFH § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG insbesondere systematisch aus, indem er den Sprachgebrauch des ErbStG in anderen Regelungen genauer betrachtet. In § 9 Abs. 1 Nr. 1c ErbStG - so der BFH - ist beispielsweise ebenfalls von Stiftungen die Rede und zwar ausdrücklich im Zusammenhang mit der Anerkennung der Stiftung. Anerkannt werden kann aber eben nur eine rechtsfähige Stiftung, wie der BFH zutreffend feststellt. Nur die rechtsfähige Stiftung - so der BFH weiter - verfüge als juristische Person zudem selbst über ein dem Stiftungszweck gewidmetes Vermögen. Bei der nicht rechtsfähigen Stiftung ist das anders, wie der BFH zutreffend betont. Dort wird das Vermögen von einem Treuhänder gehalten.

     

    Der BFH hebt also auf die grundlegenden strukturellen Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen ab. Im Übrigen spreche das ErbStG nur allgemein von Vermögensmassen und stelle ausdrücklich nur die ausländischen Vermögensmassen den inländischen rechtsfähigen Stiftungen gleich (so z. B. in § 3 Abs. 2 Nr. 1 oder § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG).

     

    Die grundsätzliche Steuerpflicht der nicht rechtsfähigen Stiftung nach dem KStG steht - worauf der BFH ausdrücklich hinweist - dem nicht entgegen, dass sie in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht einbezogen wird. In der Tat: Der einschlägige § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG nennt ausdrücklich auch nicht rechtsfähige Stiftungen und hat insofern einen anderen Wortlaut als § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

    3. Offene Fragen nach der Begründung des BFH

    Die Differenzierung des BFH zwischen rechtsfähigen Stiftungen und nicht rechtsfähigen Stiftungen aufgrund der strukturellen Unterschiede zwischen beiden Rechtsformen und aufgrund der differenzierten Verwendung des Begriffs Stiftung und des Begriffs Vermögensmasse im ErbStG wirft über das konkrete Urteil hinaus grundsätzliche Fragen auf. Dabei geht es um die Frage, ob die vom BFH im vorliegenden Urteil vorgenommene Differenzierung auf andere Regelungen des ErbStG und auf andere Steuergesetze zu übertragen ist, in denen sich ähnliche Differenzierungen der Begrifflichkeiten finden wie im ErbStG. Sehen wir dazu zwei für die Praxis wichtige Beispiele:

     

    3.1 § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG

    Der BFH leitet den von ihm vorgenommenen Vergleich mit weiteren Normen des ErbStG wie folgt ein: /„Weitere Normen des ErbStG, die das Wort ‚Stiftung‘ verwenden, beziehen sich ebenfalls nur auf die rechtsfähige Stiftung.“

     

    Bei dem darauffolgenden Vergleich erwähnt der BFH nicht § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Danach erlischt die Erbschaftsteuer mit Wirkung für die Vergangenheit, soweit betreffende Vermögensgegenstände innerhalb von 24 Monaten nachdem die Steuer entstanden ist u. a. einer „inländischen Stiftung“ zugewendet werden, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgt. Nach h. M. sind aktuell auch nichtrechtsfähige Stiftungen als begünstigte Vermögensempfänger vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst (s. nur Pahlke in: Fischer/Jüptner/Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 29 Rn. 64).

     

    Es bleibt unklar, ob der BFH die Vorschrift hier bewusst oder unbewusst außen vor lässt und welche Schlüsse daraus zu ziehen sind. Führt man die vom BFH vorgenommene Differenzierung konsequent durch, fallen nicht rechtsfähige Stiftungen nicht (mehr) unter die Regelung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG.

     

    3.2 § 10b Abs. 1a EStG

    Auch in § 10b Abs. 1 EStG ist zum Spendenabzug allgemein von „Vermögensmassen“ die Rede, in § 10b Abs. 1a EStG (Sonderspendenabzug für Spenden in den Vermögensstock) hingegen nur von „Stiftungen“. Dennoch nimmt hierzu die herrschende Meinung an, dass der Sonderspendenabzug nach § 10b Abs. 1a EStG auch für nichtrechtsfähige Stiftungen gilt (Nachweise bei Brandl, in Blümich, EStG, § 10b Rn. 82; s. auch Heinicke, in Schmidt, EStG, § 10b Rn. 71, der die Frage allerdings als „umstritten“ bezeichnet). Betrachtet man das vor dem Hintergrund der Argumentation des BFH, ist diese Einbeziehung der nicht rechtsfähigen Stiftung allerdings ebenfalls problematisch.

     

    Schon anlässlich der gesetzlichen Neuregelung des Sonderspendenabzugs in 2001 wurde ausgehend von den bestehenden strukturellen Unterschieden auf die Fraglichkeit der hier von Anfang an praktizierten Gleichstellung von rechtsfähiger und nicht rechtsfähiger Stiftung hingewiesen (Schiffer, ErbBstg 01, 173, 176). Folgt die „Bevorzugung“ der gemeinnützigen rechtsfähigen Stiftung in diesem Zusammenhang gegenüber anderen Rechtsformen doch nicht zuletzt aus dem besonderen Anerkennungsverfahren und der dauernden staatlichen Rechtsaufsicht. Das lässt sich gerade nicht auf die nicht rechtsfähige Stiftung übertragen (seinerzeit auch Kirchhof, EStG, 1. Aufl., § 10b EStG Rn. 61 mit Fn. 3, der sich gegen die Einbeziehung einer unselbstständigen Stiftung in den Anwendungsbereich des damaligen § 10b Abs. 1a EStG aussprach).

    4. Vorläufiges Fazit und Ausblick

    Damit stellen sich aufgrund des BFH-Urteils einige ausgesprochen praxisrelevante Fragen:

     

    • Hatte der BFH bei seiner jetzigen Entscheidung die damalige Diskussion im Blick? Wird man das Urteil des BFH also als Warnung verstehen müssen, dass wir nun nicht nur im ErbStG, sondern in allen einzelnen Steuergesetzen neu prüfen müssen, ob jeweils auch die nicht rechtsfähige Stiftung gemeint ist?

     

    • Dürfen wir die nicht rechtsfähige Stiftung nun nicht mehr pauschal steuerlich mit der rechtsfähigen Stiftung gleichsetzen?

     

    • Verliert die „gemeinnützige nicht rechtsfähige Stiftung“ etwa sogar in Teilen die ihr bisher (aus Gewohnheit?) durchgehend gewährten Steuervorteile? Für die Vergangenheit dürfte, da die Finanzverwaltung bisher die angesprochenen Vorschriften auf die nicht rechtsfähigen Stiftungen angewendet hat, jedenfalls Vertrauensschutz bestehen.

     

    Für die Zukunft werden wir diese nunmehr (erneut) aufgeworfenen Fragen ganz in Ruhe und sehr genau zu durchdenken und zu prüfen haben!

     

    Weiterführender Hinweis

    • Eine Besprechung der Entscheidung von Ritter finden Sie auf Seite 68 in dieser Ausgabe
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 62 | ID 44591750