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  • · Fachbeitrag · STIFTUNGSVERMÖGEN

    Bilanzierung und Kapitalerhalt: Rechnungslegung für kleine und mittlere Stiftungen

    von Dr. Eike Cornelius, Assessor, und Synke Loleit, Assessorin, Abteilung Estate Planning im Private Banking der BHF-BANK AG, Frankfurt am Main

    | Die Neufassung der IDW-Stellungnahme zur „Rechnungslegung von Stiftungen“ verfolgt u.a. das Ziel, den realen Erhalt des Stiftungsvermögens durch ein zu dokumentierendes Konzept systematisch im Blick zu behalten und im Idealfall auch zu erreichen. Der Beitrag macht Vorschläge, wie kleine und mittlere Stiftungen, die ihren Schwerpunkt in der Anlage von Finanzvermögen haben, die IDW-Stellungnahme in Teilen selbst umsetzen können, um über die Bilanzstruktur und -politik möglichst einfach zu einem langfristigen Kapitalerhaltungskonzept zu gelangen. Der Beitrag wird fortgesetzt. |

    1. Ausgangskonflikt

    Die Anlage des Stiftungsvermögens ist kein Selbstzweck, sondern dient der Verwirklichung des Stifterwillens. Um das Vermögen zu erhalten, sind zunächst Anlagerichtlinien zu verabschieden, die nach modernen Methoden das Risiko einer Vermögensminderung in Grenzen halten. Durch die Wahl passender Bilanzierungsgrundsätze können nur zwischenzeitliche Vermögenseinbußen - z.B. bei Anleihekursen unter dem Nominalwert bei unverändert guter Bonität - ausgeblendet werden, um damit den Blick auf die langfristige Vermögensentwicklung nicht zu verfälschen (Cornelius/Loleit, SB 13, 215). Eine rein nominale Betrachtungsweise verkennt jedoch den langfristigen Vermögensschwund durch Inflation. Dem kann nur durch eine konsequente Thesaurierungspolitik entgegengewirkt werden. Natürlich steht der Einbehalt von Erträgen im Konflikt mit der Mittelverwendung für den Stiftungszweck. Dabei sind außerdem neben der Satzung die Vorgaben der AO zu beachten. Beim Blick auf einzelne Bilanzen wird der Stiftungsvorstand meist den „Wald vor lauter Bäumen“ nicht sehen. Erst durch die Perspektive „von oben“ über längere Zeiträume wird klar, wann welche Maßnahmen sinnvoll sind. Hierfür braucht es ein geeignetes, aber noch handhabbares Instrumentarium.

    2. Überblick zur Rechenschaftslegung

    Für die Rechenschaftslegung sind Vorgaben aus unterschiedlichen Quellen zu berücksichtigen.

     

    2.1 IDW-Stellungnahme für die Rechnungslegung

    Am 13.3.13 hat das IDW den Entwurf einer Neufassung der „IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung von Stiftungen“ vorgelegt (Theuffel-Werhahn, SB 13, 88). Darin sind freilich keine verpflichtenden Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) für Stiftungen zu sehen, sondern Orientierungslinien für die Praxis. Als Lückenfüller und Auslegungshilfe der auf BGB und Landesstiftungsgesetze verteilten fragmentarischen Teilregelungen kommt der Stellungnahme jedoch eine nicht zu unterschätzende praktische Bedeutung zu.

     

    2.2 Vorgaben nach Zivilrecht und öffentlichem Recht

    Nach Bundesrecht müssen Stiftungsvorstände wie ein Beauftragter Auskunft erteilen (§ 86 i.V. mit § 27 Abs. 3, § 664 ff. BGB) und Rechenschaft ablegen (§ 666 i.V. mit §§ 259, 260 BGB; Hüttemann, DB 13, 1561). Die öffentlich-rechtliche Rechnungslegungspflicht erweitert diese Anforderungen um einen Tätigkeitsbericht. Mit der Jahresabrechnung, einer Vermögensübersicht und dem Bericht über die Erfüllung der Stiftungszwecke genügt die Stiftung ihren Pflichten gegenüber der Aufsichtsbehörde. Soweit nach den Landesgesetzen Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung (GoB) einzuhalten sind, handelt es sich dabei um die allgemeinen GoB von Richtigkeit, Willkürfreiheit, Klarheit, Übersichtlichkeit, Vollständigkeit etc. (Hüttemann, a.a.O.). Der pflichtgemäße Mindeststandard umfasst damit nur die Erstellung einer Einnahmen-/Ausgabenrechnung mit Vermögensübersicht.

     

    Eine Bilanz kann darüber hinaus nur gefordert werden, wenn sich dies als Pflicht aus anderen Rechtsquellen ergibt. Verfügt die Stiftung z.B. über einen gewerblichen Bereich, sollte sich die handelsrechtliche Buchführungspflicht hierauf beschränken (Hüttemann, a.a.O., 1562). Sind aufgrund der Größenordnung die Anforderungen des PublG erfüllt, gelten zusätzlich zu den §§ 238 ff. PublG die meisten für Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften sinngemäß.

     

    2.3 Spezielle Rechnungslegung nach AO

    Nach § 63 Abs. 3 AO führt die steuerbegünstigte Stiftung den Nachweis, dass ihre tatsächliche Geschäftsführung den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entspricht durch ordnungsmäßige Aufzeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben. Für das Finanzamt ist ferner eine Mittelverwendungsrechnung für den Nachweis der zeitnahen Mittelverwendung nach § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO aufzustellen.

     

    2.4 Selbstverpflichtung der Stiftung

    Verpflichtende Rechtsquelle zur Anwendung einer bestimmten Methode kann auch die Satzung sein. Ob eine solche Festlegung etwa auf den HGB-Abschluss oder die Rechnungslegung nach IDW immer klug ist, sollte bedacht werden. Dies nimmt dem Vorstand auch die Freiheit, auf Situationen angemessen reagieren zu können. Sowohl Veränderungen in den Anforderungen im Zeitablauf dieser Methoden als auch die Kosten einer extern erstellten „Profi-Bilanz“ sind dann ein quasi unveränderbares Schicksal der Stiftung.

     

    2.5 Freiwillige Bilanzierung zur Absicherung des Stiftungsvorstands

    Gerade kleine und mittlere Stiftungen sind oft überfordert von einem Reglement „streng nach HGB“. Gerade wenn das Stiftungsvermögen weitgehend aus liquiden Wertpapieren besteht und insbesondere unternehmerische bzw. gewerbliche Aktivitäten fehlen, sind Lösungen gefragt, die ein Stiftungsvorstand noch ohne kostenträchtige externe Beratung umzusetzen vermag und die den Anforderungen an einen „Wertpapier-Betrieb“ hinreichend genügen. Die Versuchung ist in diesen Fällen groß, es bei einer einfachen Einnahmen-/Ausgabenrechnung zu belassen. Der entscheidende Nachteil liegt in der auf dieser Basis schlecht möglichen Analyse für Risikozwecke (Cornelius/Loleit, SB 13, 147) und auch für ein Kapitalerhaltungskonzept. Erst die Erfassung der wirtschaftlichen Ergebnisse über viele Jahre in aussagekräftigen Bilanzpositionen erlaubt eine genauere Risikosteuerung und das systematische Verfolgen eines Nachhaltigkeitskonzepts für das Stiftungsvermögen.

     

    Im Hinblick auf die Verantwortung des Vorstands für ein fremdes Vermögen, stellt sich die Frage, ab welcher Größenordnung eines Stiftungsvermögens eine Einnahmen-/Ausgabenrechnung als so inadäquat angesehen werden muss, dass Haftungsrisiken nicht mehr ausgeschlossen werden können. Ohne ein erhellendes Rechenwerk als Grundlage kann der Sorgfaltsmaßstab eines ordentlichen Kaufmanns eine hohe Hürde sein, wenn es darum geht, in Bezug auf den Erhalt, Zuwachs und Einsatz des Stiftungsvermögens stets angemessene Entscheidungen zu treffen. Die entlastende Dokumentation solcher Entscheidungen ist umso schwieriger, je weniger fundiert im Zahlenwerk diese stattfinden. Ein professioneller Vermögensverwalter sollte von solchen „EÜR-Stiftungen“ die Aufstellung einer Bilanz geradezu einfordern, um mit gutem Gewissen die Erstellung von Anlagerichtlinien und deren Umsetzung in einem Vermögensverwaltungsvertrag begleiten zu können. Die Entscheidung liegt am Ende im pflichtgemäßen Ermessen des Vorstands, ab welcher Komplexität und Größenordnung die freiwillige Aufstellung einer Bilanz erforderlich wird (Hüttemann, a.a.O., 1564).

     

    PRAXISHINWEIS | Aus der Einnahmen-/Ausgabenrechnung kann leicht die Mittelverwendungsrechnung abgeleitet werden. Die Vermögensübersicht ergibt sich im Kern aus den Depotbeständen an den Bilanzstichtagen und unter Darstellung der unterjährigen Bestandsveränderungen. Ein solches Wertpapierverzeichnis kann zugleich die Buch- und Marktwerte für die Umsetzung des Vorsichtsprinzips erfassen. Von diesen Unterlagen ausgehend ist die vereinfachte Bilanz der Stiftung schnell erstellt.

     

    Checkliste / Das sollte eine Dokumentation enthalten

    • Einnahmen-/Ausgabenrechnung als GuV
    • Vermögensübersicht: Wertpapierverzeichnis mit Bestandsveränderungen zwischen den Stichtagen und Darstellung der Buch- und Marktwerte
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    • Anhang zur Bilanz und zur Vermögensentwicklung (Kapitalerhalt) 
Tätigkeitsbericht
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    3. Kaufkraftschwund als Gefahr

    Ohne Einbehalt von Erträgen und Vermögenszuwächsen schrumpft die Kaufkraft jedes Jahr. Bei einer Inflationsrate von 2 % ist die Kaufkraft nach 35 Jahren halbiert. Erhöht sie sich auf durchschnittlich 3 %, ist diese Situation bereits nach 23 Jahren gegeben.

     

    3.1 Finanzielle Repression als erschwerender Faktor

    In „normalen“ Zeiten bilden sich auf den Zinsmärkten Preise, die i.d. Regel einen Zinsüberschuss gegenüber der Inflation zulassen. Dieser „positive Realzins“ ist seit einigen Jahren nur noch möglich, wenn Investoren höhere Risiken eingehen oder lange Laufzeiten in Kauf nehmen. Die jüngste Zinssenkung der EZB und Diskussion über einen negativen Einlagezins lassen keine schnelle Besserung erwarten.

     

    3.2 Flucht in Sachwerte?

    Angesichts der Situation auf den Kapitalmärkten überlegen viele Stiftungen derzeit eine Umstellung der Allokation. Manche größere Stiftung sucht ihr Glück in Immobilien, andere erhöhen die Aktienquoten. Aus Sicht des Stiftungsvorstands ist es wesentlich, solche Änderungen in der Vermögensstrategie gut zu begründen und zu dokumentieren, dass man die damit einhergehende Änderung in der Risikostruktur ausreichend durchdacht hat.

    4. Bedeutung der Anlagepolitik für die Thesaurierung

    Ob eine Stiftung überhaupt größere Teile ihres Ertrags thesaurieren kann, hängt auch von der taktischen Anlagepolitik ab. Im Rahmen der Mittelverwendungspflicht sind zwei Drittel des Überschusses der Einnahmen über die Unkosten der Vermögensverwaltung in die Zweckverwirklichung zu geben (§ 58 Nr. 7a i.V. mit § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO). Die Höhe der Einnahmen hängt wiederum von der Auswahl der Finanzinstrumente ab. Aktien mit starken Dividendenausschüttungen und Anleihen mit hohen Kupons erhöhen diese Basis. Über pari erworbene Anleihen verwandeln sogar eingesetztes Vermögen ratierlich in ausschüttungspflichtigen Ertrag, wenn bei Einlösung oder Verkauf ein Vermögensverlust realisiert wird (Cornelius/Loleit, SB 13, 215). Diese quasi selbstverschuldeten Vermögensverluste müssen dann durch den Wertzuwachs bei anderen Anlagen erst einmal kompensiert werden, bevor man an einen realen Kapitalerhalt überhaupt denken mag.

     

    Eine vermögensstärkende Anlagepolitik vermeidet Rückzahlungsverluste bei Anleihen und verfolgt bei Aktien keine reine Dividendenstrategie. Die Streitfrage, ob auch vollthesaurierende Finanzinstrumente in Maßen zulässig sind, soll an dieser Stelle nicht gelöst werden. Unproblematisch erscheinen in der Praxis zumindest „schwach ausschüttende“ Finanzinstrumente, z.B. gemischte Investmentfonds, die streng genommen nicht thesaurierend sind, aber deren Fokus auf flexibler Risikosteuerung und Wertzuwächsen liegt. Eine vermögensstärkende Anlagepolitik beachtet die folgenden Grundsätze:

     

    • Anleihen werden nur bis maximal knapp über pari erworben; soweit der Markt es anbietet, werden teilweise auch Anleihen unter pari gekauft.
    • In der Aktienquote wird nur in Maßen eine Dividendenstrategie verfolgt.
    • Über geeignete Investmentfonds bzw. kostengünstige ETF werden Anlagekonzepte und ganze Märkte abgebildet, welche neben Ausschüttungen auch langfristig Wertzuwächse erwarten lassen.
    • In der Einzeltitelselektion sind solche Aktiengesellschaften eher zu vermeiden, die nahezu ihren gesamten Jahresgewinn - oder etwa auch mehr als diesen - ausschütten.

     

    Quelle: Ausgabe 12 / 2013 | Seite 235 | ID 42428622