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  • · Fachbeitrag · Gemeinnützigkeitsrecht

    Neue Kooperationsmöglichkeiten für Stiftungen nach § 57 Abs. 3 AO

    von Dr. Matthias Uhl, Rechtsanwalt bei Peters, Schönberger & Partner, München

    | Der Gesetzgeber hat im Zuge des Jahressteuergesetzes (JStG) 2020 auch eine Vielzahl von Vorschriften im Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht geändert. Bei dieser umfassendsten Reform seit dem Jahr 2013 ist in einem neuen § 57 Abs. 3 AO das Kriterium der unmittelbaren Zweckverfolgung auf Kooperationen mit anderen steuerbegünstigten Organisationen ausgeweitet worden. Der SB StiftungsBrief informiert Sie über die Neuregelung und zeigt auf, welche Fragen demnächst von der Finanzverwaltung beantwortet werden sollten. |

    Die Situation bei Kooperationen bisher

    Nach dem im Gemeinnützigkeitsrecht geltenden Unmittelbarkeitsgrundsatz muss eine Körperschaft ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verwirklichen (§ 57 Abs. 1 AO). Mit Blick auf Kooperationen bedeutete dies bislang vor allem zweierlei:

     

    • Rechtlich selbstständige Servicegesellschaften oder „Hilfsbetriebe“ konnten nicht gemeinnützig sein, wenn sie nicht selbst einen gemeinnützigen Zweck verfolgen, sondern nur Leistungen für gemeinnützige Einrichtungen erbringen. Im Gesetzgebungsverfahren stand hierfür das folgende Beispiel Pate (BT-Drs. 19/25160, 223, Abruf-Nr. 219606):

     

      • Beispiel Krankenhauswäscherei GmbH

      Eine Wäscherei ist im Rahmen eines Krankenhauses im Sinne des § 67 AO als Zweckbetrieb ebenfalls begünstigt. Gliedert das Krankenhaus die Wäscherei jedoch in eine Tochter-GmbH aus, führt das Erfordernis der unmittelbaren Verfolgung gemeinnütziger Zwecke bislang dazu, dass die Wäscherei-GmbH nicht steuerbegünstigt ist. Trotz der häufig identisch bleibenden organisatorischen Abläufe und Strukturen unter den Beteiligten änderte sich also die steuerliche Einordnung der Wäscherei, was als nicht sachgerecht empfunden wurde.

       
    • Selbst bei einer Kooperation mit anderen gemeinnützigen Körperschaften waren aufgrund der zu gewährleistenden unmittelbaren Zweckverfolgung häufig Rechtsunsicherheiten verblieben; dies, obwohl der BFH und die Finanzverwaltung in jüngerer Zeit annahmen, dass beim arbeitsteiligen Handeln alle Beteiligten steuerbegünstigt sein können, sofern zugleich eigene steuerbegünstigte Zwecke verfolgt werden und der eigene Kooperationsbeitrag im Außenverhältnis selbstständig und eigenverantwortlich erbracht wird (AEAO Nr. 2 a. E. zu § 57 AO; vgl. im Überblick Uhl, Kooperation im Stiftungsrecht, 2016, 541 ff.).

    Ziel: Kooperationen mit Gemeinnützigen erleichtern

    Um gemeinnützigen Körperschaften eine arbeitsteilige Kooperation zu erleichtern, wurden nun die Möglichkeiten einer unmittelbaren Zweckverfolgung um einen neuen § 57 Abs. 3 AO ergänzt. Statt an bekannte Rechtsbegriffe anzuknüpfen, wurde dabei der völlig neue Begriff des „planmäßigen Zusammenwirkens“ eingeführt. Die Vorschrift lautet:

     

    • Wortlaut des § 57 Abs. 3 AO

    Eine Körperschaft verfolgt ihre steuerbegünstigten Zwecke auch dann unmittelbar im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, wenn sie satzungsgemäß durch planmäßiges Zusammenwirken mit mindestens einer weiteren Körperschaft, die im Übrigen die Voraussetzungen der §§ 51 bis 68 erfüllt, einen steuerbegünstigten Zweck verwirklicht. Die §§ 14 sowie 65 bis 68 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass für das Vorliegen der Eigenschaft als Zweckbetrieb bei der jeweiligen Körperschaft die Tätigkeiten der nach Satz 1 zusammenwirkenden Körperschaften zusammenzufassen sind.

     

    Damit soll es Körperschaften künftig ermöglicht werden, auf steuerbegünstigte Weise arbeitsteilig auch dann vorzugehen, wenn es an sich an einer „unmittelbaren“ Verfolgung eines gemeinnützigen Zwecks fehlt.

     

    Das neue Erfordernis des „planmäßigen Zusammenwirkens“ soll also eine an sich fehlende unmittelbare Zweckverfolgung ersetzen können. Das gilt insbesondere für die Ausgliederung von Serviceleistungen in eigenständige Körperschaften, ist aber nicht darauf beschränkt (BT-Drs. 19/25160, 223).

     

    Um auf das Beispiel der Wäscherei-GmbH zurückzukommen, bedeutet § 57 Abs. 3 AO Folgendes:

     

    • Fortführung des Beispiels Krankenhauswäscherei GmbH
    • Die Neuregelung bewirkt ertragsteuerlich, dass die Leistungen der Krankenhauswäscherei-GmbH gegenüber dem Krankenhaus innerhalb des planmäßigen Zusammenwirkens als Zweckbetriebsleistungen gelten. Sowohl das Krankenhaus als auch die Wäscherei-GmbH erbringen ihre Leistungen somit jeweils im Rahmen eines Zweckbetriebs im Sinne von § 67 AO. Allgemein formuliert, kann ein entgeltliches „Zusammenwirken“ einen Zweckbetrieb begründen, wenn alle erbrachten Tätigkeiten der Kooperationspartner in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen eines Zweckbetriebs erfüllen (§ 57 Abs. 3 S. 2 AO, BT-Drs. 19/25160, 223).

     

    • Erbringt die Wäscherei-GmbH hingegen Wäschereidienstleistungen an Dritte, begründet sie insoweit einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO). Für die Erbringung von Leistungen außerhalb der Kooperation gelten folglich weiterhin die allgemeinen Regeln.
     

    PRAXISTIPP | Auch wenn die Gesetzesbegründung das Beispiel einer ausgegliederten GmbH bemüht, kommt es nach dem Gesetzestext nicht darauf an, dass es sich um einen ehemaligen unselbstständigen „Hilfsbetrieb“ einer gemeinnützigen Stiftung handelt. Es kommen also auch steuerbegünstigte Kooperationen mit Dienstleistern in Betracht, zu denen kein Beteiligungsverhältnis besteht.

     

    Was bedeutet „planmäßiges Zusammenwirken“?

    Mangels Legaldefinition und Ausführungen in den Gesetzesmaterialien bleibt unklar, was unter einem „planmäßigem Zusammenwirken“ zu verstehen ist.

     

    (Rechtliche) Anforderungen

    Besondere Anforderungen an die rechtlichen Grundlagen des Zusammenwirkens werden nicht aufgestellt. Somit müssen die beteiligten Leistungserbinger und -empfänger jedenfalls nicht zwingend vereins- oder gesellschaftsrechtlich miteinander verbunden sein. Es ist also keine Konzern-/Verbandsstruktur erforderlich.

     

    Es stellt sich bereits die Frage, ob zwischen den Beteiligten überhaupt Rechtsbeziehungen bestehen müssen, wenn es für ein „planmäßiges“ Zusammenwirken genügen soll, dass einzelne Beiträge im Rahmen eines „Gesamtplans“ inhaltlich abgestimmt und koordiniert werden (Kirchhain, DStR 2021, 129, 134). Andererseits dürfte praktisch jede Zusammenarbeit auf einem zumindest konkludent geschlossenen Kooperationsvertrag beruhen (Hüttemann, DB 2021, 75). Somit bestehen Rechtsbeziehungen.

     

    Diese Leistungen kommen für ein „Zusammenwirken“ in Frage

    Das erforderliche „Zusammenwirken“ in § 57 Abs. 3 AO kann über Dienstleistungen erfolgen. Neben der in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten Wäscherei-GmbH profitieren von der Neuregelung auch andere Dienstleistungen, wie z. B. Küchen- und Reinigungsarbeiten, das Qualitätsmanagement oder die Leistungen „zentraler Dienste“, z. B. Lohnbuchhaltung, Personal, Controlling, IT (vgl. Schick, SozialWirtschaft aktuell 1/2021).

     

    Auch die Nutzungsüberlassung oder die zentrale Beschaffung von Wirtschaftsgütern begründen ein „Zusammenwirken“.

     

    Künftig kann z. B. auch eine Zeitarbeitsagentur für medizinisches Personal zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens, die gemeinnützigen Kliniken Personal auf Zeit überlässt, von § 57 Abs. 3 AO erfasst werden (Hüttemann, DB 2021, 72, 75). So gesehen ist zweifelhaft, ob die bislang von der Finanzverwaltung vertretene Differenzierung bei der Personalüberlassung im Bereich der Wohlfahrtspflege (Überlassung zur Organisation des Zweckbetriebs nach § 66 AO contra Überlassung zur Erledigung von Verwaltungsleistungen, AEAO Nr. 3 Abs. 3 zu § 66 AO) noch aufrechterhalten werden kann (Kirchhain, DStR 2021, 129, 134).

     

    Entgeltlichkeit ist nicht Voraussetzung

    „Planmäßiges Zusammenwirken“ muss nicht entgeltlich sein. Auch unentgeltliches Zusammenwirken kann genügen.

    Kooperation muss nach Satzung zulässig sein

    Die neue Vorschrift sieht vor, dass das planmäßige Zusammenwirken „satzungsgemäß“ erfolgen muss. Daraus folgt, dass sich nur diejenige Stiftung auf § 57 Abs. 3 AO berufen kann, der die Satzung erlaubt, mit mindestens einer weiteren Körperschaft im beschriebenen Sinne zu kooperieren.

     

    PRAXISTIPPS |

    • Neu zu gründende Körperschaften sollten die Neuregelung in der Satzung vorsehen, damit entsprechende Kooperationen möglich sind.
    • Bestehende gemeinnützige Körperschaften und Servicegesellschaften sollten die neue Kooperationsmöglichkeit per Satzungsänderung vorsehen, um in Zukunft von der Neuregelung profitieren zu können. Wermutstropfen: Nach § 60 Abs. 2 AO muss die satzungsmäßige Gemeinnützigkeit bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer „während des ganzen Veranlagungs- oder Bemessungszeitraums“ gegeben sein. Bestehende gemeinnützige Körperschaften und Servicegesellschaften können die neue Kooperationsmöglichkeit daher erstmals ab 2022 nutzen, da seitens der Finanzverwaltung bislang keine Billigkeitsregelung geschaffen wurde.
     

     

    Im Beispiel der Wäscherei-GmbH ist bislang die Frage nicht eindeutig geklärt, wie deren Gesellschaftsvertrag ausgestaltet werden muss, damit die Voraussetzungen für die satzungsgemäße Gemeinnützigkeit erfüllt werden.

    § 57 Abs. 3 AO gilt seit 29.12.2020

    Die Neuregelung in § 57 Abs. 3 AO ist am Tag nach der Verkündung in Kraft getreten, also am 29.12.2020. Bisher anderslautende Rechtsprechung (BFH Urteil vom 06.02.2013, Az. I R 59/11, Abruf-Nr. 132159) ist überholt ‒ allerdings nur mit Blick auf die Zukunft (ex nunc). Für die Vergangenheit besteht die Rechtsunsicherheit bei Kooperationen zwischen gemeinnützigen Körperschaften und Servicegesellschaften weiter.

    Auswirkung auf Umsatzsteuer

    § 57 Abs. 3 S. 2 AO wirkt sich auch auf die Umsatzsteuer aus. Es kann der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG zur Anwendung kommen.

    Ausblick: Konkretisierung im AEAO erforderlich

    Wie sollte es bei neuen Bestimmungen anders sein? Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Neuregelung in § 57 Abs. 3 AO ihren „Praxistest“ noch bestehen muss. Die Finanzverwaltung ist daher aufgerufen, ihre zukünftige Verwaltungshandhabung zu verlautbaren, damit gemeinnützige Stiftungen von den neuen Kooperationsmöglichkeiten sicher Gebrauch machen können. Dem Vernehmen nach wird bereits mit Hochdruck daran gearbeitet, den Anwendungserlass zur Abgabenordnung an das neue Recht anzupassen. SB hält Sie auf dem Laufenden.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2021 | Seite 54 | ID 47143444