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  • · Fachbeitrag · Betriebsaufspaltung

    BFH bejaht grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung ‒ Relevanz für gemeinnützige Stiftungen

    von Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Steuerberater Dr. Christian Kirchhain LL.M., Partner im Bonner Büro von Flick Gocke Schaumburg

    | Stiftungen nehmen auch über den nationalen Bereich hinaus einen zunehmenden Platz in der Unternehmensgestaltung ein. Mitunter sind Stiftungen Teil einer Betriebsaufspaltung über die Grenze, wie ein Fall zeigt, den der BFH entschieden hat. SB stellt dessen praktische Bedeutung für gemeinnützige Stiftungen vor. |

    Nationale Besteuerungsgrundsätze bei Betriebsaufspaltung

    Eine Betriebsaufspaltung liegt z. B. dann vor, wenn eine gemeinnützige Körperschaft, etwa eine gemeinnützige Stiftung, mehrheitlich an einer nichtgemeinnützigen Kapitalgesellschaft beteiligt ist (personelle Verflechtung) und dieser eine wesentliche Betriebsgrundlage, etwa eine Immobilie oder eine Marke, zur Nutzung überlässt (sachliche Verflechtung). Eine Betriebsaufspaltung hat im rein innerdeutschen Kontext folgende Konsequenzen:

     

    • Die Beteiligung an der Tochterkapitalgesellschaft begründet einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (AEAO Nr. 3 S. 5 zu § 64 Abs. 1 AO).

     

    • Gewinnausschüttungen und Gewinne, die die gemeinnützige Stiftung aus der Nutzungsüberlassung von Sachen und Rechten an die Tochterkapitalgesellschaft erzielt, sind ertragsteuerpflichtig. Diese Gewinne werden in Einkünfte aus Gewerbebetrieb umqualifiziert und im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs besteuert.

     

    • Bei Gewinnausschüttungen muss die ausschüttende Betriebsgesellschaft Kapitalertragsteuer in Höhe von 25 Prozent des Bruttoausschüttungsbetrags einbehalten und an den Fiskus abführen (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 und Abs. 4; § 43a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG; § 31 Abs. 1 S. 1 KStG).

     

    • Bei der späteren Veranlagung der Stiftung zur Körperschaftsteuer sind bei Schachtelbeteiligungen (Beteiligungen von mindestens zehn Prozent) lediglich fünf Prozent des Bruttoausschüttungsbetrags ertragsteuerpflichtig; der Rest ist steuerfrei (§ 8b Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 KStG). Die zuvor „zu viel“ einbehaltene Kapitalertragsteuer kann sich die Stiftung im Rahmen ihrer Veranlagung zur Körperschaftsteuer anrechnen lassen (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b EStG, § 31 Abs. 1 S. 1 KStG).

     

    • Der Gewerbesteuer unterliegen ebenfalls nur fünf Prozent des Bruttoausschüttungsbetrags, solange die gemeinnützige Stiftung an der Zielgesellschaft (zum Jahresbeginn bzw. im Erwerbsjahr mit Erwerb der Beteiligung) zu mehr als 15 Prozent beteiligt ist (§ 9 Nr. 2a GewStG).

    BFH: Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung möglich

    Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung sind auch in grenzüberschreitenden Fällen anzuwenden. Dies hat der BFH jetzt klargestellt (BFH, Urteil vom 17.11.2020, Az. I R 72/16, Abruf-Nr. 222373). Im Urteilsfall ging es um eine deutsche gemeinnützige Stiftung, die an einer niederländischen Kapitalgesellschaft (B. V.) mehrheitlich beteiligt war und zu deren Eigentum zwei in den Niederlanden belegene Grundstücke gehörten. Die Stiftung hatte eines der beiden Grundstücke an die B. V. verpachtet.

     

    Das Finanzamt hatte aufgrund der Verpachtung des Grundstücks an die B. V. eine Betriebsaufspaltung über die Grenze zwischen der Stiftung als inländischem Besitzunternehmen und der B. V. als ausländischem Betriebsunternehmen angenommen. Die Verpachtungseinkünfte seien daher als gewerbliche Einkünfte zu qualifizieren, die allerdings in Deutschland abkommensrechtlich von der Besteuerung freigestellt seien. Die Gewinnausschüttung der B. V. sei hingegen in Deutschland im Ansatz ertragsteuerpflichtig, allerdings nach § 8b Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1 KStG zu 95 Prozent steuerfrei. Fünf Prozent seien als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Gewinn außerbilanziell wieder hinzuzurechnen. Hiergegen hat sich die Stiftung gewendet. Ohne Erfolg.

     

    Wegen der Mehrheitsbeteiligung der Stiftung an der B. V. und wegen der Verpachtung des Grundstücks von der Stiftung an die B. V. sind die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt. Die Kernaussage des BFH: Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung gelten auch in grenzüberschreitenden Fällen. Liegen die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung vor, begründet die Beteiligung an einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Die Dividendenzahlung, die die Stiftung von der B. V. erhalten hat, fallen im Rahmen eines steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs an; die Stiftung ist insoweit nicht steuerbefreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 S. 2 KStG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 AO).

    Konsequenzen für die grenzüberschreitende Besteuerung

    Die Grundsätze der Betriebsaufspaltung greifen in grenzüberschreitenden Fällen insbesondere dann, wenn eine deutsche gemeinnützige Stiftung

    • an einer ausländischen Kapitalgesellschaft mehrheitlich beteiligt ist und dieser Gesellschaft eine im In- oder Ausland belegene wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt;
    • eine im Ausland belegene wesentliche Betriebsgrundlage einer deutschen Tochter- oder Schwestergesellschaft zur Nutzung überlässt.

     

    Grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung und Besteuerungsregeln

    Gewinnausschüttungen der ausländischen Tochterkapitalgesellschaft sind bei einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung nach nationalem deutschen Recht in Deutschland zu fünf Prozent körperschaftsteuerpflichtig, Nutzungsentgelte grundsätzlich der Höhe nach unbeschränkt.

     

    Ob und, wenn ja, in welcher Höhe die ausländische Tochterkapitalgesellschaft auf Dividenden ausländische Quellensteuer einbehalten und abführen muss, ergibt sich zunächst aus dem nationalen Recht des Ansässigkeitsstaats der Tochtergesellschaft. Dies gilt ebenso für Quellensteuern auf Nutzungsentgelte, z. B. für Lizenzentgelte für die Überlassung von Marken.

     

    In diesem Kontext spielen die vielzähligen DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und ausländischen Staaten herein. Die von Deutschland abgeschlossenen DBA weisen z. B. das Recht zur Besteuerung von Einkünften aus der Überlassung von Immobilien regelmäßig dem Belegenheitsstaat zu (vgl. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA). Das Recht zur Besteuerung von Gewinnausschüttungen liegt nach allen deutschen DBA jedenfalls beim Sitzstaat der Gesellschafterin; zusätzlich darf der ausländische Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft Quellensteuern erheben (vgl. Art. 10 Abs. 1 f. OECD-MA).

     

    Wichtig | Ob das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland oder dem ausländischen Staat oder anteilig beiden Staaten zugewiesen wird, erfolgt, was der BFH noch einmal betont hat, autonom nach einem DBA, also unabhängig von einer Umqualifizierung der Einkünfte nach nationalem deutschen Recht (wie namentlich bei Vorliegen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung).

     

    PRAXISTIPP | In jedem Fall ist genau zu prüfen, ob eine Doppelbesteuerung nach Maßgabe eines DBA durch Freistellung der Einkünfte im Ansässigkeitsstaat oder durch Anrechnung der im Ausland abgeführten Quellensteuern auf die deutsche Steuerschuld (bis auf Null) vermieden wird.

     

    Besteuerungsregeln ohne DBA

    Bei Beteiligung an einer Gesellschaft mit Ansässigkeit in einem Staat ohne DBA mit Deutschland erfolgt die Anrechnung ausländischer (Quellen-)Steuern allein nach nationalem deutschen Recht (dazu § 26 KStG mit partieller Verweisung auf § 34c EStG).

     

    Ähnlich: Einfluss auf Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft

    Die gleichen Überlegungen gelten, wenn eine deutsche gemeinnützige Stiftung Einfluss auf die tatsächliche Geschäftsführung einer in- oder ausländischen Tochterkapitalgesellschaft ausübt (AEAO Nr. 3 S. 5 zu § 64 Abs. 1 AO). Beurteilt wird dies regelmäßig anhand der Besetzung der obersten Geschäftsführungsorgane beider Seiten sowie der satzungsmäßigen Kompetenzen ihrer Mitglieder. Dazu gibt es speziell im Kontext gemeinnütziger Körperschaften nur sehr wenige Gerichtsentscheidungen.

     

    PRAXISTIPP | Gemeinnützige Stiftungen sollten die Zusammensetzung ihrer Organe im Verbund auch auf ihre ertragsteuer- und umsatzsteuerlichen Auswirkungen prüfen, ersteres auch in Bezug auf ausländische Tochterkapitalgesellschaften. Zudem ist stets im Auge zu behalten, ob sich der Ort der Geschäftsleitung der Tochtergesellschaft tatsächlich im Ausland befindet ‒ und nicht ungewollt und unerkannt im Inland, was die unbeschränkte Steuerpflicht der Tochtergesellschaft begründen würde.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2021 | Seite 156 | ID 47498831