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  • · Fachbeitrag · Stiftungsreform

    Kein „Aus“ für die Familienstiftung: Privatnützigkeit weiterhin anerkennungsfähig

    von RA Berthold Theuffel-Werhahn, FAStR und FAHGR, Leiter des Bereichs Stiftungsberatung, PricewaterhouseCoopers AG WPG, Kassel

    | Ende letzten Jahres hat die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stiftungsrecht“ ihren Bericht zu einer Novelle des Stiftungsrechts der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vorgelegt. Dieser Beitrag knüpft an SB 17, 29 an und beleuchtet weitere ausgewählte Aspekte der geplanten Reform. Der Beitrag wird fortgesetzt. |

    1. Dominanz der steuerbegünstigten Stiftungen

    Die Arbeitsgruppe hat sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, ob die für Stiftungen zulässigen Zwecke auf steuerbegünstigte, d. h.

    • mildtätige (§ 53 AO) und schließlich

     

    Zwecke beschränkt werden sollten. Aus einer Statistik des Bundesverbands Deutscher Stiftungen von Mai 2016 ergäbe sich, dass von 17.907 erfassten Stiftungen nur 6,4 Prozent privatnützige Zwecke verfolgen. Diese Familien- oder privatnützigen Stiftungen könnten künftig nicht mehr anerkannt werden, wenn eine solche Beschränkung auf steuerbegünstigte Zwecke umgesetzt werden würde.

     

    Die Arbeitsgruppe hält es ebenso wie zuvor schon die Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2000/2001 nicht für zweckmäßig, die Stiftungszwecke zu beschränken. Bereits die Bund-Länder-Arbeitsgruppe 2000/2001 hatte die Beschränkung der zulässigen Stiftungszwecke auf steuerbegünstigte Zwecke abgelehnt, weil sie in einer derartigen Regelung erhebliche Probleme sah und keine Vorteile erkennen konnte.

    2. Problemstellung

    Probleme sieht die Arbeitsgruppe unter anderem darin, dass auch dann, wenn das Stiftungsrecht nur regelte, dass die Stiftung nach ihrer Satzung einen steuerbegünstigten Zweck zu verfolgen habe, bei jeder Änderung im Steuerrecht, durch die ein steuerbegünstigter Zweck aufgehoben oder beschränkt werde, für die „Altfälle“ eine Übergangs- oder Vertrauensschutzlösung gefunden werden müsse. Diese Rechtsfolge führe absehbar schon im Gesetzgebungsverfahren zu Konflikten mit den Interessenvertretungen von Stiftern und Stiftungen.

     

    Auch habe es sich nach Auffassung der Arbeitsgruppe bewährt, dass die Rechtsform Stiftung für die Verfolgung aller gemeinwohlkonformen Zwecke offenstehe. Weiterhin sollten alle durch Nutzung eines Vermögens zu verwirklichenden Zwecke, die nicht gegen gesetzliche Verbote verstoßen und nicht das Gemeinwohl gefährden, zulässige Stiftungszwecke sein.

    3. Wirtschaftliche Betätigung

    Ferner sollten Stiftungen - insbesondere zur Erzielung von Erträgen für die Zweckerfüllung - sich auch wirtschaftlich betätigen können. Damit werden bei der Stiftung Abgrenzungsprobleme vermieden, wie sie z. B. zwischen eingetragenen Vereinen und wirtschaftlichen Vereinen bestünden. Eingetragene Vereine dürften keine wirtschaftlichen Zwecke verfolgen, sondern nur ideelle Zwecke. Verfolgten sie wirtschaftliche Zwecke, gälten sie als wirtschaftliche Vereine. Dasselbe gälte, wenn eingetragene Vereine ihre ideellen Zwecke in einem Umfang durch wirtschaftliche Betätigung verfolgten, der nicht mehr durch das vereinsrechtliche Nebenzweckprivileg gedeckt sei.

     

    Diese Einschränkungen beim Verein resultierten daraus, dass die zwingenden Normativbedingungen für körperschaftlich organisierte wirtschaftlich tätige juristische Personen nicht durch die Gründung eines Vereins, der wirtschaftliche Zwecke verfolge oder der ideelle Zwecke durch umfangreiche wirtschaftliche Betätigung verfolgen wolle, unterlaufen werden sollten. Bei einer Stiftung stellte sich das Problem nicht, weil sie sich nicht in gleicher Weise wie ein Verein als Alternative zu den Kapitalgesellschaften und Genossenschaften eigne.

     

    Beachten Sie | Diese Überlegungen stellen sich im Ergebnis als richtig dar, wobei man folgendes sehen sollte:

    4. Änderung steuerbegünstigter Zwecke in der AO

    Die Überlegung der Arbeitsgruppe, dass Fälle einer Aufhebung oder Beschränkung steuerbegünstigter Zwecke eine Übergangs- oder Vertrauensschutzlösung für „Altfälle“ erforderten, ist grundsätzlich richtig, aber eher theoretischer Natur und kein wirklich inhaltlich überzeugendes Argument. Vergleicht man den Katalog steuerbegünstigter Zweck (§ 52 Abs. 2 AO) in der heute geltenden Fassung vom 10.10.07 z. B. mit der Fassung vom 16.3.76 - also gut vierzig Jahre zurück - stellt man schnell fest, dass es in diesem Zeitraum kontinuierlich Erweiterungen gab, jedoch nie Aufhebungen oder Beschränkungen.

     

    Jedes andere Ergebnis wäre auch mehr als überraschend, denn der Gesetzgeber hat - selbst wenn die Steuereinnahmen für die öffentlichen Haushalte aufgrund der guten Wirtschaftslage zurzeit „sprudeln“ - ein nachhaltiges Interesse daran, dass Private mehr und mehr Allgemeinwohlaufgaben übernehmen oder zumindest freiwillig finanzieren. Dies setzt entsprechende Anreize - eben auch steuerlicher Art - voraus, bzw. befördern diese steuerlichen Anreize das „Einspringen“ privater Personen und Institutionen an Stelle des Staates.

     

    In absehbarer Zeit wird sich daran wohl auch nichts ändern. Es sei denn, die in der Bundesrepublik bestehenden Steuerprivilegien würden von der EU als unzulässige Beihilfen kassiert werden, was aber - jedenfalls im Moment - noch als recht unwahrscheinlich erscheint.

    5. Vergleich mit Vereinen

    Richtig ist, dass bei Vereinen im Zusammenhang mit Unternehmen oder Beteiligungen eine Eintragung im Vereinsregister daran scheitern kann, dass kein Idealverein (§ 21 BGB), sondern ein wirtschaftlicher Verein (§ 22 BGB) vorliegt. Zwar darf ein Verein auch unternehmerische Tätigkeiten entfalten, soweit diese dem ideellen Hauptzweck zu- und untergeordnet und nur Hilfsmittel zu dessen Erreichung sind (sog. „Nebenzweckprivileg“).

     

    Aus Gründen der Sicherheit des Rechtsverkehrs, insbesondere des Gläubigerschutzes, sollen Vereinigungen mit wirtschaftlicher Zielsetzung auf die dafür zur Verfügung stehenden handelsrechtlichen Gestaltungsformen zu verweisen sein und sei eine wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen zu verhindern, soweit diese den Rahmen des Nebenzweckprivilegs überschreite.

     

    Bei einem Verstoß kommt die Löschung des Vereins nach § 395 FamFG in Betracht (früher: der Entzug der Rechtsfähigkeit nach § 43 Abs. 2 BGB). Zu dieser Thematik liegt mittlerweile eine ganze Reihe von OLG-Entscheidungen vor, die kaum Ausnahmen erkennen lassen.

     

    Dennoch hinkt der Vergleich zwischen Stiftung und Verein mindestens aus drei Gründen:

     

    • Wenn über die englische Limited - etwa 7.500 bundesweit bei (Erstellung des Manuskriptes) - und mittlerweile in noch stärkerem Umfang (etwa das zehnfache) über die Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) juristische Personen mit Haftungsbeschränkung quasi ohne nennenswertes Vermögen gegründet werden können, stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung für § 22 BGB.
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    • M.E. wird deshalb völlig zu Recht vorgeschlagen, § 22 BGB ersatzlos zu streichen und in einer angemessenen Übergangsregelung zu regeln, in welcher Weise die zurzeit noch existierenden wirtschaftlichen Vereine ihre staatliche Verleihung durch die Eintragung in das Vereinsregister ersetzen können. Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, in gleicher Weise wie bei Kapitalgesellschaften für alle Vereine gläubigerschützende Regelungen einzuführen, die ab einer bestimmten Wirtschaftsgröße des Vereins relevant werden (vgl. Griep, ZStV 13, 24).

     

    • Umgekehrt vertrat insbesondere MüKo-Reuter, BGB, hier: 5. Aufl., § 81 Rn. 90, in der Vergangenheit vehement die These, es existiere ein Vorbehalt gegen die unternehmensverbundene Stiftung analog dem Vorbehalt gegen den wirtschaftlichen Verein in § 22 BGB, obwohl § 80 Abs. 2 BGB diesen Vorbehalt nicht erwähne (!).
    •  
    • Der Verfasser ist dieser Argumentation bereits an anderer Stelle entgegengetreten (Theuffel-Werhahn, ZStV 15, 169, 175f.). Ohne die Position Reuters unterstützen zu wollen, verdeutlicht diese aber, dass eine „Schwarz-Weiß-Trennung“ zwischen Stiftungen und Vereinen für Begründungszwecke möglicherweise nicht hinreicht.

     

    • Schließlich überrascht die These der Arbeitsgruppe, dass sich das Problem bei einer Stiftung nicht stelle, weil sich diese nicht in gleicher Weise wie ein Verein als Alternative zu den Kapitalgesellschaften und Genossenschaften eigne.
    •  
    • Aus unterschiedlichen Gründen eignet sich die Rechtsform der „Stiftung“ ganz besonders für Zwecke der Unternehmenssicherung und -nachfolgeplanung. Die aktuelle Diskussion darüber - insbesondere im Zusammenhang mit der Neuregelung der Erbschaft- und Schenkungsteuer - scheint an der Arbeitsgruppe völlig vorbeigegangen zu sein, vgl. dazu zum Beispiel Theuffel-Werhahn, „Familienstiftungen als Königsinstrument für die Nachfolgeplanung aufgrund der Erbschaftsteuerreform“, ZEV 17, 17 ff.

     

    Beachten Sie | Den entscheidenden Aspekt, warum eine Beschränkung der Stiftungszwecke auf ausschließlich steuerbegünstigte auch vom künftigen Recht her ausgeschlossen ist, führt die Arbeitsgruppe in ihrem Bericht merkwürdigerweise kaum oder nur sehr latent an:

    6. Grundrecht auf Stiftung

    Soweit Stiftungen des bürgerlichen Rechts betroffen sind, besteht ein grundrechtlicher Anspruch des Stifters darauf, dass die Stiftung anerkannt wird, sofern sie die gesetzlichen, in §§ 80 ff. BGB formulierten Voraussetzungen erfüllt. Die Grenzen der Stifterfreiheit zieht das Grundgesetz dort, wo der Stifterwille mit Grundrechten Dritter konfligiert. Der Kernbereich der Stifterfreiheit bleibt indes absolut geschützt. Im Übrigen ist sie mit anderen Rechten von Verfassungsrang so zu einem verhältnismäßigen Ausgleich zu bringen, dass die zusammentreffenden Rechte optimal ihre Wirkung entfalten und keines einen grundsätzlichen Vorrang genießt (vgl. Schlüter/Stolte, Stiftungsrecht, Kapitel 1: Einleitung Rn. 94).

     

    Eine Beschränkung der Anerkennungsfähigkeit von Stiftungen auf solche mit steuerbegünstigten Zwecken war ausweislich der Gesetzesbegründung zum Gesetz zur Modernisierung des Stiftungsrechts 2002 ausdrücklich nicht gewollt. Wörtlich heißt es darin:

     

    „Als dritte Voraussetzung zur Erlangung der Rechtsfähigkeit soll bestimmt werden, dass die Stiftung das Gemeinwohl nicht gefährden darf. Damit soll gesetzlich die schon nach geltender Rechtslage bestehende Zulässigkeit der allseits anerkannten gemeinwohlkonformen Allzweckstiftung festgeschrieben werden. Der Begriff b‚Gemeinwohl‘ ist traditionell mit der Rechtsfigur Stiftung verknüpft; er spiegelt den für die Stiftung typischen Klang von Wohltat im Gesetz wider. Eine Beschränkung auf steuerbegünstigte Zwecke ist damit nicht verbunden, wenngleich solche die Stiftungspraxis bestimmen“.

     

    Es gilt also der Grundsatz „in dubio pro libertate“ auch im Stiftungsrecht, oder mit etwas anderen Worten: Was nicht ausdrücklich verboten ist, ist erlaubt.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Zur Reform siehe auch Theuffel-Werhahn, SB 17, 29
    Quelle: Ausgabe 05 / 2017 | Seite 86 | ID 44655567