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  • 16.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227555

    Finanzgericht Sachsen-Anhalt: Urteil vom 20.10.2021 – 3 K 1024/17

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Sachsen-Anhalt

    Urteil vom 20.10.2021


    In dem Rechtsstreit
    des A,
    Kläger,
    bevollmächtigt:
    gegen
    das Finanzamt
    Beklagter,

    wegen
    Umsatzsteuer 2017

    hat der 3. Senat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20. Oktober 2021 durch
    den Vorsitzenden Richter am Finanzgericht,
    den Richter am Finanzgericht,
    den Richter am Finanzgericht,
    die ehrenamtliche Richterin und
    die ehrenamtliche Richterin

    für Recht erkannt:

    Tenor:

    Die Abgabe von nicht individuell hergestellten Fertigarzneimitteln, die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung verabreicht werden, ist als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz im Streitjahr umsatzsteuerfrei.

    Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.

    Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Beteiligten streiten über die Umsatzbesteuerung von im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung den Patienten verabreichten nicht patientenindividuell herstellten Medikamenten, sog. Fertigarzneimitteln.

    Das Krankenhaus verfügte über eine Zulassung nach § 108 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V). Das MVZ nahm an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) teil.

    Zu dem Krankenhaus gehört auch eine Krankenhausapotheke, durch welche stationär und ambulant behandelte Patienten des Krankenhauses mit Medikamenten versorgt werden. Die Krankenhausapotheke gibt die von ihr beschafften Medikamente, soweit nicht auch andere Krankenhäuser beliefert werden, ausschließlich krankenhausintern an die Stationen und Ambulanzen ab. Eine darüberhinausgehende Abgabe von Medikamenten an Personen, die nicht aktuell Patienten des Krankenhauses sind, erfolgt nicht. Die Versorgung des MVZ erfolgte über eine niedergelassene Apotheke, welche auch patientenindividuell hergestellte Medikamente aus der Krankenhausapotheke bezog.

    Die Fertigarzneimittel werden durch die Krankenhausapotheke eingekauft, aufbereitet und in die Ambulanz des Krankenhauses geliefert. Im Rahmen der ambulanten Behandlung werden die Fertigarzneimittel z.B. gleichzeitig oder zeitlich hintereinander zusammen mit patientenindividuell hergestellten Zytostatika eingesetzt.

    So werden etwa im Bereich der ambulanten Krebstherapie sowohl in der Krankenhausapotheke patientenindividuell hergestellte Medikamente als auch Fertigarzneimittel eingesetzt. Der Patient erhält etwa zur Therapie des Melanoms das patientenindividuell hergestellte und dosierte Medikament "Novolumab" und am selben Tag auf Grund der tumorbedingten Metastasierung "Pamidronsäure" zur Behandlung der erhöhten Calciumwerte infolge des Knochenabbaus. Dabei wird das Nivolumab patientenindividuell dosiert und zubereitet, während die Pamidronsäure mit einer Standarddosis als 3-stündige Infusion verabreicht wird. Eine entsprechende Verfahrensweise (mit anderen Medikamenten) erfolgt beispielsweise auch im Bereich der ambulanten Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder bei Augenbehandlungen.

    Die Verabreichung der Medikamente erfolgt entweder auf Grund einer Ermächtigung des Krankenhauses, der Institutsambulanz, nach § 116a SGB V oder (in geringem Umfang) auf Grund einer persönlichen Ermächtigung des Krankenhausarztes nach § 116 SGB V.

    Die Abrechnung der Medikamente erfolgt getrennt von der ärztlichen Behandlungsleistung über ein Rechenzentrum mit den jeweiligen Krankenkassen bzw. durch direkte Abrechnungen mit Privatpatienten. Ein geringer Teil entfällt auf die Zuzahlungen der Patienten.

    Die durch das Rechenzentrum abgerechneten Umsätze für Fertigarzneimittel betrugen €, die Zuzahlungen von Patienten für Fertigarzneimittel € und die direkte Abrechnung mit Privatpatienten für Fertigarzneimittel €.

    Gegen die Umsatzsteuervoranmeldung für August 2017 vom 10. Oktober 2017 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2017, eingegangen bei Gericht am 20. Oktober 2017 Sprungklage erhoben. Zu der Sprungklage hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 06. November 2017 seine Zustimmung erteilt.

    Während des Klageverfahrens hat der Beklagte hat am 25. November 2020 einen erklärungsgemäßen Umsatzsteuerjahresbescheid für 2017 erlassen und die Umsatzsteuer für 2017 auf € festgesetzt. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Im Bescheid enthalten sind erklärte

    - Umsätze aus der Abgabe von Fertigarzneimitteln i.H.v. € netto und

    - eine hieraus berechnete Umsatzsteuer von 19 v.H. von €

    Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Umsätze für die Verabreichung der Fertigarzneimittel im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung umsatzsteuerfrei seien. Der BFH habe mit Urteil vom 24. September 2014 (V R 19/11) entschieden, dass die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des betreffenden Krankenhauses hergestellt werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz steuerfrei sei. Weiter sei nach dem BFH-Urteil vom 31. Juli 2013 (I R 31/12) die Abgabe von Zytostatika durch die Krankenhausapotheke an ambulante Patienten dem Zweckbetrieb des Krankenhauses zuzurechnen und unterliege daher hilfsweise dem ermäßigten Umsatzsteuersatz.

    Sie weist darauf hin, dass etwa im Bereich der ambulanten Krebstherapie oder der ambulanten Behandlung von Darmerkrankungen die Art der ambulanten Behandlung nicht von der Behandlung stationär aufgenommener Patienten abweiche. Die Behandlung erfolge zum Teil in denselben Räumen in gleicher Art und Weise unter Mitwirkung desselben Personals. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass die ambulanten Patienten anschließend das Krankenhaus verließen, während die stationären Patienten in ihr Patientenzimmer zurückkehrten.

    Während die Medikamentenabgabe bei stationärer Behandlung zur umsatzsteuerfreien Krankenhausleistung gerechnet werde, werde nach bisheriger Praxis bei ambulanten Leistungen danach unterschieden, ob patientenindividuell in der Krankenhausapotheke hergestellte Arzneimittel verabreicht würden oder Fertigarzneimittel. Nach bisheriger Praxis seien lediglich die erstgenannten Medikamente umsatzsteuerfrei, während Fertigarzneimittel nach den Vorgaben des UStAE steuerpflichtig sein sollten. Dieses sei nicht nachzuvollziehen, da es sich letztlich um einen einheitlichen Behandlungsvorgang handele. Dem BFM-Schreiben vom 28. September 2016 zum BFH-Urteil vom 4. September 2014 sei auch nicht zu entnehmen, warum die Grundsätze des Urteils nicht auf Fertigarzneimittel anzuwenden seien.

    Auch Fertigarzneimittel seien, ebenso wie patientenindividuell hergestellte Medikamente, Teil der Krankenhausbehandlung. Hinzu komme, dass die ambulante Behandlung im Krankenhaus in einer Vielzahl von Fällen gerade im Wesentlichen aus der Verabreichung von Medikamenten unter Aufsicht bestehe.

    Aus dem BFH-Urteil vom 24. September 2014 (V R 19/11) ergebe sich, dass bei der Steuerfreiheit für die verabreichten Zytostatika gerade nicht nach der ambulanten oder stationären Verabreichung differenziert werden könne, da die Verabreichung zum Kernbereich einer sich aus Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ergebenden Steuerfreiheit gehöre. Die Verabreichung der Arzneimittel diene, wie auch die Verabreichung der Fertigarzneimittel, unmittelbar der Krankenhaus- und Heilbehandlung und sei nicht dazu bestimmt, zusätzliche Einnahmen durch eine nicht vom Kernbereich der Steuerfreiheit erfasste Tätigkeit zu erzielen. Ein Hinweis darauf, dass für Fertigarzneimittel eine andere umsatzsteuerliche Beurteilung gelten solle, sei dem Urteil nicht zu entnehmen. Letztlich sei die Verabreichung der Arzneimittel Teil der einheitlichen Leistung der ärztlichen Heilbehandlung selbst und nicht nur eng mit ihr verbunden.

    Der BFH habe im Vorfeld seiner Entscheidung den EuGH angerufen, um insbesondere zu klären, ob die Medikamentenlieferungen einer Krankenhausapotheke steuerbefreite Krankenhausleistungen seien, wenn Leistungserbringer gegenüber dem Patienten ein ermächtigter Krankenhausarzt und nicht das Krankenhaus als Institut sei (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-366/12). Der EuGH habe klargestellt, dass grundsätzlich keine begünstigte Krankenhausleistung vorliege, wenn die Krankenhausapotheke Medikamente liefere und die Behandlungsleistung durch einen selbständigen Arzt erbracht werde, es sei denn es liege ein therapeutisches Kontinuum vor. Der BFH habe hierzu aber im Nachgang klargestellt, dass das EUGH-Urteil den Fall einer Arztleistung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst c der 6. EG-Richtlinie betreffe, es sich aber bei den streitigen Instituts- und Ermächtigungsambulanzen um Krankenhausleistungen nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. B der 6. EG-Richtlinie handele. Dem werde im BMF-Schreiben vom 28. September 2016 auch entsprochen, indem ausgeführt werde, dass es auf die Art der Zulassung oder Ermächtigung nicht ankomme, um als Krankenhausleistung qualifiziert zu werden.

    Zudem umfassten Krankenhausleistungen nach § 39 SGB V im Rahmen des Versorgungsauftrages alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Einzelfall notwendig seien. Dazu gehöre auch die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln.

    Jedenfalls seien die Medikamentenlieferungen durch die Krankenhausapotheke nach dem BFH-Urteil vom 31. Juli 2013 dem Zweckbetrieb zuzurechnen, da die Apotheke eine unselbständige Funktionseinheit des Krankenhauses sei, das auch die ambulante Behandlung durchführe. Dieses gelte sowohl für Patienten einer Institutsambulanz als auch solche einer Ermächtigungsambulanz. Es gelte daher hilfsweise der ermäßigte Steuersatz, wenn eine Steuerfreiheit nicht in Betracht kommen sollte. Dies gelte, wenn man nicht auf die Behandlung des Patienten mittels Medikament als einheitliche Leistung abstellte, sondern, wie im UStAE vorgesehen, Behandlung und Medikamentenabgabe als getrennte Leistungen ansehe und die Apotheke als Zweckbetrieb beurteile. Der ermäßigte Steuersatz ergebe sich dann aus § 12 Abs. 2 Nr. 8a UStG.

    Die Klägerin habe hinsichtlich der verabreichten Fertigarzneimittel keine Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis erteilt, so dass § 14c UStG im Falle der Steuerfreiheit keine Anwendung finde. Es seien hingegen Vorsteuerkorrekturen vorzunehmen, die vorläufig mit € beziffert würden. Der Betrag stehe aber unter dem Vorbehalt einer abschließenden Ermittlung. Es beständen auch Unklarheiten insoweit, als dass unmittelbar eine Betriebsprüfung bevorstehe, die auch das Streitjahr umfasse.

    Zwischenzeitlich klagten viele Krankenkassen gegen Krankenhäuser auf Erstattung der Differenz zwischen dem Regelsteuersatz, der in die Berechnung eingeflossen sei, und dem ermäßigten Steuersatz. Hierbei handele es sich aber zum Teil um Medikamente die nicht, wie bei den streitigen Medikamenten der Klägerin, den Patienten direkt vor Ort verabreicht worden seien, sondern den Patienten mitgegeben worden seien.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klagebegründung verwiesen.

    Die Klägerin beantragt

    den Bescheid für 2017 über Umsatzsteuer vom 25. November 2020 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer unter Berücksichtigung von um € verminderter Umsätze zum Regelsteuersatz sowie unter Berücksichtigung von um € verminderter abzugsfähiger Vorsteuern herabgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt

    die Klage abzuweisen.

    Der Beklagte ist der Ansicht, dass nur für den Fall, dass es sich um die Abgabe von individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke des Krankenhauses hergestellten Arzneimittel handele, die Abgabe einen eng mit der Heilbehandlung verbundenen Umsatz darstelle. Die Gabe von Fertigarzneimitteln im Rahmen der ambulanten Behandlung unterliege der Umsatzsteuerpflicht.

    Einem Patienten würden bei der Krankenhausbehandlung verschiedene Leistungen zuteilwerden. Es sei zwischen der ärztlichen Behandlung einerseits und der Abgabe von Arzneimitteln durch die Krankenhausapotheke andererseits zu differenzieren. In tatsächlicher und wirtschaftlicher Hinsicht bestehe kein so enger Zusammenhang, dass die Leistungen untrennbar seien.

    Selbst wenn die Lieferung von Medikamenten im Rahmen des Zweckbetriebes des Krankenhauses erfolge, könne der ermäßigte Steuersatz von 7 % nicht angesetzt werden, da die Lieferung der Medikamente der Erzielung zusätzlicher Einnahmen diene, welche unter dem Gesichtspunkt wettbewerblicher Neutralität gegenüber anderen Unternehmern dem allgemeinen Steuersatz von 19 % unterliegen müsse. Die Annahme des ermäßigten Steuersatzes könne zudem nicht zu einer rückwirkenden Änderung der Steuerfestsetzung führen, da im Falle einer Rechnungskorrektur der Klägerin gegenüber den Leistungsempfängern diese erst im Besteuerungszeitraum der Rechnungskorrektur zu erfassen wäre.

    Entscheidungsgründe

    1. Das Gericht hält es für sachgerecht, zunächst über die im Streit stehende Rechtsfrage durch ein Zwischenurteil gemäß § 99 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu entscheiden.

    Nach dieser Vorschrift kann das Gericht durch Zwischenurteil über eine entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfrage vorab entscheiden, wenn dies sachdienlich ist und die Beteiligten nicht widersprechen. Entscheidungserheblich sind dabei nur solche Vorfragen, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsbeeinträchtigung nicht möglich ist (BFH-Urteil vom 02. Juni 2016 IV R 23/13, BFH/NV 2016, 1433). Sachdienlich ist ein Zwischenurteil jedenfalls dann, wenn die Beteiligten über die betreffende Vorfrage streiten und nach deren Klärung von einer einvernehmlichen Klärung des Rechtsstreits im Übrigen auszugehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1993 XI R 17/93, BFHE 172, 493, BStBl II 1994, 439).

    Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

    Ein Zwischenurteil darüber, ob die Abgabe von nicht individuell hergestellten Fertigarzneimitteln, die im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung verabreicht werden, als ein mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG im Streitjahr umsatzsteuerfrei ist, ist entscheidungserheblich, weil es sich um eine Vorfrage handelt, ohne deren Beantwortung ein Urteil über die geltend gemachte Rechtsverletzung, d.h. über die Höhe der im Streitjahr festzusetzenden Umsatzsteuer nicht möglich ist. Ein Zwischenurteil erscheint auch sachdienlich, da zum einen derzeit ein Endurteil auf Grund der Notwendigkeit weiterer Ermittlungen zur Korrektur des Vorsteuerabzuges noch nicht möglich ist, zugleich aber zu erwarten ist, dass die Beteiligten den Rechtsstreit nach Rechtskraft des Zwischenurteils einvernehmlich beendigen werden.

    Die Beteiligten sind sowohl in der Ladung zur mündlichen Verhandlung als auch in der Verhandlung selbst über die Möglichkeit des Erlasses eines Zwischenurteils informiert worden und haben dem nicht widersprochen.

    2. Die Klage ist jedenfalls dem Grunde nach begründet.

    Der gem. § 68 Satz 1 FGO zum Gegenstand des Verfahrens gewordene Umsatzsteuer-Jahresbescheid für 2017 vom 25. November 2020 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

    Die Verabreichung der Fertigarzneimittel im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung stellt einen zwar steuerbaren aber gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b) S. 1 u. 2 Doppelbuchst. aa) und bb) UStG steuerfreien, mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz dar, da die jeweilige Heilbehandlung im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung erfolgt ist und die Verabreichung der Fertigarzneimittel zur Erreichung der therapeutischen Ziele im Rahmen der Heilbehandlung auf Grund der ärztlichen Entscheidung zur Verabreichung unerlässlich war.

    Ob ein Medikament individuell für den einzelnen Patienten hergestellt wurde, oder ob es sich um ein Fertigmedikament handelt, ist für die Beurteilung des eng verbundenen Umsatzes ohne Relevanz. Denn für diese Beurteilung kommt es allein auf die Bedeutung des eingesetzten Medikaments im Rahmen der Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung an. Der Herstellungsprozess des Medikaments, welcher die Frage der patientenindividuellen Herstellung oder Herstellung als Fertigarzneimittel betrifft, ist hierfür unerheblich.

    Dies muss erst recht gelten, wenn -wie hier zum Teil- die Abgabe von Fertigarzneimitteln mit der Abgabe von patientenindividuell hergestellten Zytostatika zusammenfällt oder diese unmittelbar im Anschluss daran erfolgt, denn die Behandlung des Patienten erfolgt dann in einem einheitlichen Vorgang, der sich nicht in eine Behandlung mit patientenindividuell hergestelltem Medikament und Fertigarzneimittel differenzieren lässt.

    a) Die Verabreichung der Medikamente im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung ist gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG als Lieferung gegen Entgelt durch einen Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ohne weiteres steuerbar. Dies wird auch von den Beteiligten nicht angezweifelt. Bei den mit der Krankenhausbehandlung und der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsätzen i.S. von Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG handelt es sich nach der EuGH-Rechtsprechung um Nebenleistungen, die an den Empfänger einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung als Hauptleistung erbracht werden (EuGH-Urteile vom 1. Dezember 2005 C-394/04, Ygeia, Slg. 2005, I-10373, und vom 10. Juni 2010 C-262/08, Copy Gene, UR 2010, 526).

    b) Die Lieferungen sind hingegen nicht steuerpflichtig.

    aa) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen einschließlich der Diagnostik, Befunderhebung, Vorsorge, Rehabilitation, Geburtshilfe und Hospizleistungen sowie damit eng verbundene Umsätze sind gem. § 4 Nr. 14 Buchst. b S. 1 u. 2 Doppelbuchst. aa) und bb) UStG umsatzsteuerfrei, wenn sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts erbracht werden. Die Leistungen sind auch dann steuerfrei, wenn sie aa) von zugelassenen Krankenhäusern nach § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuches (SGB V) oder bb) von Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik oder Befunderhebung, die an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V teilnehmen oder für die Regelungen nach § 115 SGB V gelten, erbracht werden und es sich ihrer Art nach um Leistungen handelt, auf die sich die Zulassung, der Vertrag oder die Regelung nach dem Sozialgesetzbuch jeweils bezieht.

    Die Vorschrift des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG findet im Streitjahr seine unionsrechtliche Grundlage in Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gesamte Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuer - Systemrichtlinie). Danach befreien die Mitgliedstaaten Umsätze für Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden sowie Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer.

    Der EuGH hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die sich aus Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 anzunehmenden Steuerbefreiungen eng auszulegen sind, da sie eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, dass jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Mehrwertsteuer unterliegt. (EuGH-Urteil vom 13. März 2014, Az. C-366/12, Rn. 26.). Dieses Urteil, und auch das nachfolgend genannte Urteil des BFH vom 24. September 2014 (V R 19/11), die beide zu älteren Streitjahren ergangen sind, können für die Auslegung des auf Art. 132 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie beruhenden § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG vollumfänglich herangezogen werden, da der Wortlaut des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. b und c der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Abl. 1977, L 145, S. 1) ohne wesentliche Änderung übernommen wurde.

    bb) Nach der Rechtsprechung des BFH stellt etwa die Verabreichung von Zytostatika im Rahmen einer ambulant in einem Krankenhaus durchgeführten ärztlichen Heilbehandlung, die dort individuell für den einzelnen Patienten in einer Apotheke dieses Krankenhauses hergestellt wurden, einen mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundener Umsatz dar. (BFH-Urteil vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369).

    Maßgeblich hierfür war, dass es sich um Leistungen handelte, die im Rahmen von Krankenhausbehandlungen und ärztlichen Heilbehandlungen erbracht werden und zur Erreichung der damit verfolgten therapeutischen Ziele unentbehrlich sind (EuGH-Urteile Ygeia in Slg. 2005, I-10373, Rz 25, und Copy Gene in UR 2010, 526, Rz 40). Leistungen, die lediglich den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten verbessern sollen, gehören nicht hierzu (EuGH-Urteil Ygeia in Slg. 2005, I-10373, Rz 29). Für das Vorliegen eines eng verbundenen Umsatzes bestehen keine zeitlichen Erfordernisse. Der enge Zusammenhang zur Krankenhausbehandlung und ärztlichen Heilbehandlung setzt aber voraus, dass eine Krankenhausbehandlung und ärztliche Heilbehandlung zumindest begonnen hat oder geplant ist (EuGH-Urteil Copy Gene in UR 2010, 526, Rz 45 bis 50).

    Im Ergebnis ist Voraussetzung für die Annahme eines eng mit der Krankenhausbehandlung verbundenen Umsatzes, dass die Verabreichung der Medikamente im Zeitpunkt der Erbringung der ärztlichen Leistung im Rahmen der ambulanten Behandlung eines Patienten unentbehrlich bzw. unerlässlich ist. (BFH-Urteil vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369). Diese Voraussetzung ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des EuGH, der neben dem Erfordernis des therapeutischen Kontinuums - also eines lückenlosen notwendigen Zusammenhangs zwischen der Behandlung und der Medikamentenverabreichung - die Unentbehrlichkeit der Arzneimittelverabreichung für die Erreichung des Therapieerfolges als Voraussetzung einer in wirtschaftlicher und tatsächlicher Hinsicht untrennbaren Leistung annimmt (EuGH-Urteil vom 13. März 2014 C-366/12, Klinikum Dortmund, UR 2014, 694).

    cc) Diese Voraussetzungen für die Annahme eines "eng mit der ärztlichen Heilbehandlung verbundene Umsatzes" liegen auch hinsichtlich der verabreichten Fertigarzneimittel im Rahmen der ambulanten Krankenhausbehandlung vor.

    Ebenso, wie nach der o.g. BFH-Rechtsprechung bei der umsatzsteuerrechtlichen Beurteilung der Verabreichung von Zytostatika nicht zwischen stationär und ambulant im Krankenhaus behandelten Patienten zu unterscheiden ist, ist diese Unterscheidung nach Auffassung des Senats auch nicht bei der Verabreichung von Fertigarzneimitteln im Rahmen einer Krankenhausbehandlung zu machen. Denn die Unerlässlichkeit der Medikamentenabgabe bzw. das Vorliegen des sog. therapeutischen Kontinuums hängt nicht davon ab, ob für die Behandlung ein industriell vorgefertigtes Medikament existiert oder ob dieses erst individuell angefertigt werden muss. Es ist vielmehr die ärztliche Entscheidung für den Erfolg und die Notwendigkeit der konkreten Behandlung maßgebend. Diese ärztliche Entscheidung zur Notwendigkeit der Medikamentenverabreichung liegt, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, bei sämtlichen streitgegenständlichen ambulanten Medikamentenabgaben im Rahmen der Krankenhausbehandlung vor. Insbesondere hat auch der Beklagte nicht etwa behauptet, dass die streitigen Medikamente in Einzelfällen lediglich den Komfort und das Wohlbefinden der Krankenhauspatienten verbessern würden, was die Annahme eines eng verbundenen Umsatzes ausschließen würde (EuGH-Urteil vom 1. Dezember 2005 C-394/04, Ygeia, UR 2006, 171).

    Denn die Verabreichung erfolgt im Zusammenhang mit der ärztlichen Therapie, die lediglich dann erfolgversprechend ist, wenn es zu einer Medikamentengabe bei der Behandlung kommt. Es liegt insofern nicht nur ein therapeutischer Zusammenhang, sondern eine therapeutische Erforderlichkeit der Medikamentengabe vor. Der Umstand der Notwendigkeit einer Verabreichung während der ärztlichen Behandlungsleistung reicht aus, um von einem mit der ärztlichen Heilbehandlung eng verbundenen Umsatz ausgehen zu können. Dabei reicht es auch aus, wenn der jeweils behandelnde Arzt die Notwendigkeit durch die Verabreichung als "unerlässlich" eingeschätzt hat. Es bedarf hierzu keiner weiteren Sachaufklärung der einzelnen Umsätze durch das Finanzgericht zumal der Beklagte die Richtigkeit der ärztlichen Einschätzungen zum Behandlungserfolg nicht in Abrede stellt.

    Da nach dem klägerischen Vortrag beispielsweise eine Infusion oder Injektion ohne Arzneimittelgabe medizinisch und therapeutisch sinnlos ist, lässt sich diese in der Regel auch von der Behandlungsleistung nicht trennen. Es ist insofern unerheblich, wie der Herstellungsvorgang im Vorfeld der Behandlung abgelaufen ist. Die steuerliche Behandlung kann auch nicht von Zufälligkeiten abhängen, etwa davon, ob die Arzneimittelindustrie für eine bestimmte Behandlung bereits ein Medikament entwickelt hat oder ob die Herstellung sich für die Industrie auf Grund der sehr geringen benötigten Menge nicht lohnt. Auch wenn mit Blick auf die Notwendigkeit der ärztlichen Abstimmung bei der Herstellung von patientenindividuell hergestellten Zytostatika und der Verabreichung von Fertigarzneimitteln Unterschiede bestehen, ändert dies nichts an dem Umstand, dass auch im Falle des Einsatzes von Fertigarzneimitteln diese den ärztlichen Behandlungserfolg bewirken sollen.

    dd) Es kommt durch die Behandlung der eingesetzten Fertigarzneimittel als nicht der Umsatzsteuer unterliegende Umsätze auch nicht zu einer unbestimmten Ausweitung der Steuerfreiheit, weil die Lieferungen von Fertigarzneimitteln bereits nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG auf die Fälle beschränkt bleiben, dass sie mit einer Krankenhausbehandlung oder ärztlichen Heilbehandlung eng verbunden sind. Auch steht die Auslegung der Bestimmung über die Steuerbefreiungen mit den Zielen im Einklang, die mit den Befreiungen verfolgt werden, nämlich die Kosten von Heilbehandlungen zu senken und diese für den Einzelnen leichter zugänglich zu machen. (EuGH-Urteil vom 11. Januar 2001 C-76/99, Kommission/Frankreich, Slg. 2001 I-249).

    ee) Auch eine differenzierte Betrachtung der Leistungsbeziehungen ändert nichts an der Feststellung eines eng verbundenen Umsatzes. Zum einen umfasst das Gesetz in § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG sowohl den Fall der Krankenhaushausbehandlung als auch die ärztliche Heilbehandlung. Zum anderen kommt es im Fall der Leistungserbringung durch ermächtigte Krankenhausärzte, in dem die Leistung durch unterschiedliche Unternehmer erbracht wird, - einmal im Rahmen der Heilbehandlung durch den ermächtigten Krankenhausarzt und zum anderen durch die Krankenhausapotheke der Klägerin - für die Beurteilung eines eng verbundenen Umsatzes auf die Identität des Leistungsempfängers und nicht des Leistenden an. Leistungsempfänger ist der behandelte Patient (BFH-Urteil vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369).

    ff) Einer Steuerbefreiung steht im Streitfall auch Art. 134 der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie nicht entgegen, wonach die Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen von der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie von der Steuerbefreiung ausgeschlossen ist, wenn sie im Wesentlichen dazu bestimmt sind, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Umsätze zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Umsätzen von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen bewirkt werden.

    Denn diese Bestimmung ist nicht geeignet, den Kernbereich einer sich aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. b der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie ergebenden Steuerfreiheit einzuschränken (BFH-Urteil vom 7. Oktober 2010 V R 12/10, BFHE 231, 349, BStBl II 2011, 303, unter II.2.c bb zu Art. 13 Teil A Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG). Ansonsten liefe die Befreiung in weiten Teilen leer (BFH-Urteil vom 3. April 2008 V R 74/07, BFHE 221, 451, BFH/NV 2008, 1631, unter II.3.c aa).

    Zu diesem Kernbereich gehört die Verabreichung von Arzneimitteln, die das Krankenhaus für die in ihm behandelten Patienten selbst individuell herstellt, ohne dass dabei nach der Behandlungsart -stationär oder ambulant- zu differenzieren wäre (BFH-Urteil vom 24. September 2014 V R 19/11, BFHE 247, 369). Das gleiche muss nach Auffassung des Senats aus den o.g. Gründen auch für die Verabreichung von Fertigarzneimitteln im Rahmen einer ambulanten Krankenhausbehandlung gelten, sofern, wie vorliegend, diese im Rahmen eines sog. therapeutischen Kontinuums mit der Heilbehandlung eingesetzt werden.

    gg) Die Anwendung des § 4 Nr. 14 Buchst. a) Satz 1 UStG, der Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt durchgeführt werden, von der Umsatzsteuer befreit, kommt nicht Betracht, weil ein Arzt - wie die Klägerin im Schriftsatz vom 02. Januar 2018 zutreffend ausgeführt hat - keine Apotheke betreibt und die isolierte Abgabe von Medikamenten für sich genommen keine Heilbehandlung darstellt.

    3. Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Endurteil vorbehalten

    4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.